Angriffe auf griechische Lehrer spitzen sich zu

Die Konfrontation zwischen den griechischen Lehrern und der Regierung spitzt sich zu. Nachdem am Montag tausende Menschen gegen die zivile Mobilisierung der Pädagogen demonstrierten, wird eine Entscheidung der Lehrer, ob sie sich dieser widersetzen und ab Freitag in den Streik treten, für den heutigen Mittwoch erwartet.

Erste Abstimmungsergebnisse der Regionalverbände der Lehrergewerkschaft OLME deuteten laut der griechischen Zeitung Enet auf eine Zustimmung zu dem Streik hin. Den Lehrern drohen im Falle eines solchen Streiks Haftstrafen von bis zu fünf Jahren und die fristlose Entlassung, wie die Regierung am Montag bekräftigte.

Die Lehrer hatten Streiks ab dem kommenden Freitag angekündigt, dem Tag an dem in Griechenland Hochschulzulassungsprüfungen beginnen. Sie wollen damit die Verlängerung ihrer Arbeitszeit um zwei Stunden, die Entlassung von bis zu 10.000 Kollegen sowie die Schließung von Schulen verhindern.

Die Regierung aus konservativer Nea Dimokratia (ND), sozialdemokratischer PASOK und der SYRIZA-Abspaltung Demokratische Linke (DIMAR) hatte auf die Pläne der griechischen Lehrer reagiert, indem sie diese noch vor einem offiziellen Streikbeschluss per ziviler Mobilisierung zur Zwangsarbeit verpflichtete. Lehrer werden damit rechtlich ähnlich wie Soldaten behandelt. Ein Streik bedeutet Desertion.

Der Gewerkschaftsverband des öffentlichen Dienstes, ADEDY, der nach eigenen Angaben etwa 300.000 Mitglieder zählt, hat derweil deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, die öffentlich Beschäftigten zur Verteidigung der Lehrer zu mobilisieren.

ADEDY-Vertreter sprachen sich zwar verbal gegen den Mobilisierungsbefehl aus, taten aber alles, um einen Kampf dagegen zu verhindern. Auf einer vom Verband organisierten Demonstration gegen das Vorgehen der Regierung fanden sich am Dienstag auf dem Syntagmaplatz in Athen nur wenige hundert Menschen ein. ADEDY und ihre Mitgliedsgewerkschaften beschäftigen allein in der Hauptstadt ein Vielfaches an vollamtlichen Gewerkschaftsfunktionären.

Der angekündigte „24-stündige Streik des öffentlichen Dienstes“ blieb weitestgehend aus. Berichten zufolge blieben lediglich einige Schulen geschlossen, und Krankenhäuser reduzierten ihren Dienst auf eine Notversorgung. Für den kommenden Donnerstag hat ADEDY zusammen mit dem Gewerkschaftsverband der Privatwirtschaft GSEE noch einmal zu einem vierstündigen Streik aufgerufen.

Auf die Demonstration waren einige Lehrer gekommen, um ihrem Unmut über den Gewerkschaftsverband Luft zu machen. Sie stellten den Chef der ADEDY Antonis
Antonakos zur Rede. „Wir sind hier, um die Streikbrecherrolle der ADEDY anzuklagen“, sagte ein Lehrer aus Athen. Er nahm damit Bezug darauf, dass ADEDY die Aktionen am Dienstag gezielt organisiert hatte, um Solidaritätsstreiks am Freitag zu verhindern.

Nach der Mobilisierungsorder der Regierung hatte die Lehrergewerkschaft OLME ADEDY aufgefordert, die sonstigen Schulbeschäftigten für Freitag zum Streik zu rufen, um die Schulen dennoch geschlossen zu halten. Dies lehnte der Verband ab. Die Gewerkschaft wolle die Examen nicht gefährden, erklärte ein Sprecher. Die gestrigen Aktionen und der Streik am Donnerstag dienen lediglich dazu, dieses Vorgehen zu bemänteln.

Die OLME selbst reagiert mit ihren Streikdrohungen auf die Wut der Lehrer und sonstigen öffentlich Beschäftigten über immer neue Sparmaßnahmen und soziale Angriffe. Neueingestellte Lehrer erhalten schon jetzt oft nicht mehr als 585 Euro im Monat. Die Stellenstreichungen werden es den vielen jungen, arbeitslosen Lehrern noch schwerer machen, überhaupt einen Job zu finden. Die offizielle Jugendarbeitslosigkeit beträgt in Griechenland über 64 Prozent.

Unter diesen Bedingungen sind die Lehrer nicht bereit, weitere Kürzungen und Schulschließungen hinzunehmen. Ihre Bereitschaft, der Mobilisierungsorder entgegenzutreten und für ihre sozialen Rechte zu streiken, drückt die Stimmung unter breiten Schichten der griechischen Arbeiterklasse aus.

Deshalb sahen sich die OLME-Führer gezwungen, Streikmaßnahmen anzukündigen, um die Kontrolle über die Lehrer nicht zu verlieren. Sie machten aber von Anfang an klar, dass sie sich einer möglichen zivilen Mobilisierung nicht widersetzen werden, und luden die Regierung damit zu richtiggehend ein, ein solche zu beschließen.

Auf die Stimmung unter den Lehrern, trotz Haftandrohung in Streik zu treten, reagierte die Gewerkschaftsführung mit einem Dialogangebot an die großen Parteien des Landes. Am gestrigen Abend trafen sich OLME-Vertreter mit dem Vorsitzenden der größten Oppositionspartei, der Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA), Alexis Tsipras, um das weitere Vorgehen zu beratschlagen. Heute wollen sie sich mit Vertretern der regierenden ND und in den nächsten Tagen auch mit ihren Koalitionspartnern DIMAR und PASOK treffen.

Die Gewerkschaftsführung versucht alles, um eine Konfrontation der Arbeiter mit dem Staat zu verhindern. Bereits bei den U-Bahnfahrern, die im Januar unter Kriegsrecht gestellt wurden, und bei den Seeleuten, die im Februar zurück an die Arbeit gezwungen wurden, spielten die Gewerkschaften eine Schlüsselrolle dabei, die Streikenden zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen und auf diese Weise das Spardiktat der Regierung durchzusetzen.

Flankiert werden die Gewerkschaften dabei von zahlreichen pseudolinken Gruppen wie SYRIZA, die den Staat ebenso verteidigen wie die sozialen Angriffe der Regierung. Sie fordern von der Regierung lediglich mehr Geschick in der Durchsetzung der gleichen Ziele und befürchten die Destabilisierung des Staatsapparats.

„Ständige Notstände ermöglichen nicht Gesetz und Ordnung, sondern führen zu deren Zusammenbruch“, kommentierte Tsipras die Mobilisierungsorder. Seine Partei schlug stattdessen vor, die Order zurückzuziehen und die weiteren Verhandlungen auf einen Termin nach den Examen zu verschieben, wenn die Lehrer keine Möglichkeit mehr haben, sich mit einem wirkungsvollen Streik zur Wehr zu setzen.

Die griechische Regierung wird bei ihrem diktatorischen Vorgehen gegen die Lehrer von der EU und deren Mitgliedsstaaten unterstützt. Die Finanzminister der Eurogruppe reagierten auf die zivile Mobilisierung, indem sie Griechenland am Montag ausstehende Hilfskredite zusicherten. Die Ratingagentur Fitch hob die Kreditwürdigkeit des Landes am Dienstag um eine Stufe an.

Dieser organisierten sozialen Konterrevolution können die Arbeiter nicht mit gewerkschaftlichen Mitteln entgegentreten. Der Streik der Lehrer muss zum Ausgangspunkt einer breiten politischen Mobilisierung der gesamten griechischen und europäischen Arbeiterklasse gemacht werden, die sich nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen die Gewerkschaften und pseudolinken Gruppen richtet, die ihn stützen. Die Diktatur der Finanzelite, die in Griechenland bereits zu Hunger und Elend geführt hat, kann nur durch den Kampf für eine Arbeiterregierung beendet werden.

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