Perspektive

Die Freilassung von Hosni Mubarak

Die Freilassung des ehemaligen Diktators Hosni Mubarak durch die ägyptische Militärjunta am Donnerstag, zwei Jahre nach seinem Sturz durch revolutionäre Massenkämpfe der Arbeiterklasse, symbolisiert das Voranschreiten der Konterrevolution in Ägypten seit dem Putsch vom 3. Juli.

Die Junta kümmert sich nicht um den tief verwurzelten Hass in der Bevölkerung gegen Mubarak. Genauso begegnet sie den Forderungen der Arbeiterklasse mit Feindschaft. Seit dem Putsch hat sie bei mehreren blutigen Massakern mehr als Eintausend unbewaffnete Demonstranten umgebracht und die Absicht bekannt gegeben, wichtige Subventionen zu kürzen, wodurch die Preise für Brot und Treibstoff drastisch steigen würden.

Als Mubarak mit einem Hubschrauber auf eigenen Wunsch in ein Militärhospital geflogen wurde, konnten die Wohlhabenden und Reichen ihre Euphorie kaum zügeln. Während „Mubaraks Entlassung aufgrund einer juristischen Feinheit in den Monaten nach dem ägyptischen Volksaufstand 2011 zu Massenprotesten geführt hätte“, bemerkte die Washington Post, „war die Entscheidung des Gerichts jetzt für Einige Anlass in nostalgischen Erinnerungen an Mubaraks Ordnung zu schwelgen.“

Zwei Jahre nach einem der wahrhaft großen revolutionären Aufstände der modernen Epoche scheint die politische Situation weit zurück geworfen. Die kritischen Frage sind: Wie war das möglich und wer ist verantwortlich?

Im Februar 2011 kämpften riesige Menschenmassen auf dem Tahrir Platz gegen Mubaraks Schläger, stürzten sein Regime und besangen die Einheit des Volkes und der Armee. Massen von Menschen aus unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft mit unterschiedlichen Klasseninteressen strömten zusammen. Es war eine Zeit politischer Illusionen. Die bestimmenden Meinungen in den Medien waren von vagen demokratischen Stimmungen, Hoffnungen auf ein weniger strenges Regime und Plänen für die Umverteilung von Mubaraks Reichtum und dem seiner Günstlinge beseelt

Massen von verarmten Arbeitern und Unterdrückten in Stadt und Land verstanden Demokratie allerdings als den Weg zu viel tiefer gehenden gesellschaftlichen Veränderungen.

Die Arbeiterklasse als die entscheidende Kraft bei der Revolution von 2011 trat nach Mubaraks Sturz immer nachdrücklicher auf. In den Jahren vor der Revolution hatte es ca. zweihundert Streiks pro Jahr gegeben und 2011 gab es mehr als Eintausend Streiks. 2013 hat es jetzt schon die Rekordzahl von 5.500 Streiks und sozialen Protesten gegeben. Diese Entwicklung fand ihren Höhepunkt in den Demonstrationen von Millionen Ägyptern gegen das unpopuläre Regime des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi, die am 30. Juni begannen.

Die wohlhabenden Mittelschichten schreckten entsetzt zurück, als sie realisierten, dass die Arbeiterklasse weit über ihre eigenen Ansprüche in Fragen von Lifestyle, größeren sexuellen Freiheiten und der Möglichkeit teuerer in der High Street einzukaufen hinausging. Sie fürchteten um ihre soziale Position. Sie beendeten ihre Revolutionsspiele und begrüßten Mubarak und den Führer der Junta, General Abdel Fattah al-Sisi als ihre Retter. Um die zunehmende Radikalisierung der Arbeiterklasse einzuhegen, begaben sie sich in den Sold der Reichen und heckten die Tamarod (Rebellion)-Verschwörung aus.

Der Tamarod-Koalition gehörten Anhänger des verstorbenen ägyptischen Geheimdienstchefs und CIA-Folterers, General Omar Suleiman, Ex-Mitglieder des Mubrarak-Regimes wie Amr Mussa und General Ahmed Schafik, der koptische Milliardär Naguib Sawiris und die liberale Nationale Rettungsfront Mohammed ElBaradeis an.

Eine entscheidende Rolle in diesem reaktionären Schwindel spielte eine Organisation, die die pseudolinke Scharlatanerie verkörpert: die so genannten Revolutionären Sozialisten (RS). Diese Gruppe, die als politisches Instrument der [amerikanischen] AFL-CIO-Gewerkschaftsbürokratie, verschiedener Mediengruppen und dubioser Nicht-Regierungsorganisationen fungiert, stellte sich hinter Tamarod und versuchte ihr Glaubwürdigkeit zu verschaffen.

Während Tamarod in wochenlangen Gesprächen mit Vertretern der Armee einen “Fahrplan” für den Putsch vom 3. Juli ausarbeitete, deckten die RS sie ab, indem sie Tamarod als „eine Gruppe revolutionärer Jugendlicher“ verkaufte, „die Raum für revolutionäre Arbeit und Erfahrungen von Unten eröffnete. Die RS und andere Jugendgruppen und Parteien in Tamarod stellten die Vorbereitungen auf den konterrevolutionären Putsch immer wieder als Reaktion auf die Feindschaft der Bevölkerung gegen Mursi da.

Die WSWS warnte vor der reaktionären Rolle, die Tamarod und ihre Verbündeten in den Massenprotesten nach dem 30. Juni spielen sollte. Wir schrieben noch vor dem Putsch: „Die Proteste werden politisch von Tamarod (Rebellion) dominiert. Die Plattform wird von diversen liberalen, islamistischen und pseudolinken Parteien und einigen Überresten des Mubarak-Regimes unterstützt. Die vom Militär angepeilte politische Koalition „würde weitere Proteste deligitimieren und dem Militär Zeit verschaffen, eine noch gewalttätigere Unterdrückung vorzubereiten.“

Die Ereignisse haben die Warnungen der WSWS hinsichtlich der Armee und der RS bestätigt. Indem sie die Opposition gegen Mursi hinter der Perspektive eines Putsches versammelten, trugen sie ihren Teil dazu bei, breite Schichten des Kleinbürgertums ins Lager der Diktatur und der Konterrevolution zu treiben. Unter diesen Bedingungen ist es der Junta jetzt möglich, Mubarak zu rehabilitieren.

Die RS repräsentieren einen reaktionären pseudolinken Trend in der Politik, der linke Phrasen drischt, aber die Bourgeoisie unterstützt. In den zwei Jahren der ägyptischen Revolution haben sie mit jeder rechten Fraktion des ägyptischen Establishments im Bett gelegen, mit der Armee genauso wie mit den Muslimbrüdern. Der einzig konsequente Zug ihrer Politik war ihre vehemente Opposition gegen eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse.

Die ägyptische Revolution ist eine einzige Widerlegung ihrer gesamten Perspektive. Die Arbeiterklasse spielt die zentrale Rolle in der Revolution und geht immer und immer wieder in die Offensive. Aber ohne eine revolutionäre Partei, die sie führt, blieb die Arbeiterklasse desorientiert und unvorbereitet und war nicht in der Lage, die jüngsten reaktionären Manöver der Pseudolinken zu durchschauen.

Erneut hat eine große revolutionäre Erfahrung die Bedeutung von Leo Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution unterstrichen. Diese Theorie besagt, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung der Kampf für Demokratie nur erfolgreich sein kann, wenn die Arbeiterklasse politisch unabhängig mit einer revolutionären Massenpartei an der Spitze für den Sozialismus kämpft. Weiter besagt sie, dass der Sieg der Revolution in einem Land nur auf der Grundlage einer internationalen Strategie der Vereinigung der Weltarbeiterklasse möglich ist.

Die Arbeiterklasse hat zweifellos einen deutlichen Rückschlag erlitten. Das Militär wird versuchen, die Ordnung wieder herzustellen. Aber die ägyptische Revolution hat sich noch nicht verausgabt und die Arbeiterklasse hat noch nicht ihr letztes Wort gesprochen. Mubarak aus dem Grab wiederauferstehen zu lassen, wird den verkalkten Venen des ägyptischen Kapitalismus kein neues Leben einhauchen und auch die Konflikte im Nahen Osten nicht lösen, die von imperialistischen Kriegen und der tiefen Krise des globalen Kapitalismus bestimmt sind. Die Bourgeoisie kann sich nicht ohne den Schutz der Armee an der Macht halten. Sie ist als Kraft für die Demokratie diskreditiert.

Die alles entscheidende Frage bleibt der Aufbau einer politischen Führung der Arbeiterklasse, um die kommenden Kämpfe vorzubereiten. Das erfordert den Aufbau von Parteien des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Ägypten, im ganzen Nahen Osten und international

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