Marktturbulenzen deuten auf neue globale Finanzkrise hin

In internationalen Finanzkreisen wächst die Befürchtung, dass die Bedingungen für eine große und potentiell unkontrollierbare Krise heranreifen, sobald die amerikanische Notenbank Federal Reserve beginnt, den Verkauf von amerikanischen Staatsanleihen unter ihrem Programm der „quantitativen Lockerung“ (QE) einzuschränken.

Seit die Fed im Mai angedeutet hatte, sie werde das Programm nach und nach „auslaufen lassen“, erleben die so genannten „aufstrebenden Märkte“ immer stärkere Währungs- und Börsenturbulenzen, weil das spekulative Kapital, das auf Grundlage der QE in deren Märkte geflossen war, sich zurückzuziehen beginnt.

Unter dem QE Programm, das den Ankauf von US-Staatsanleihen und hypothekengestützten Wertpapieren im Wert von fast einer Billion Dollar im Jahr beinhaltet, wurden die amerikanischen Zinsen auf Rekordtiefstände gedrückt. Das QE Programm diente den Interessen derer, die für die Krise verantwortlich sind. Es schuf die Voraussetzungen für eine weitere Finanzblase, die mit der schlimmsten sozialen Krise in den USA seit den 1930er Jahren zusammentreffen sollte.

Das Sinken der amerikanischen Zinsen setzte einen so genannten “Carry Trade” in Gang. Dabei leihen Finanzspekulanten Geld in den USA zu äußerst niedrigen Zinsen, das sie dann in den aufstrebenden Märkten investieren, weil sie dort höhere Profitraten erzielen können als in den USA. Der Financial Times zufolge hat der Zufluss von Kapital in die aufstrebenden Märkte aufgrund der „unkonventionellen Geldpolitik“ der entwickelten Länder seit 2010 eine Billion Dollar im Jahr erreicht.

In Erwartung des Auslaufens der lockeren Geldpolitik und wieder steigender Kreditzinsen in den USA beginnt das spekulative Kapital jetzt, in die entgegengesetzte Richtung zu fließen. Der Abfluss hat sich beschleunigt, seit der Wert der Währungen der aufstrebenden Länder sinkt. Spekulanten ziehen daher ihr Kapital ab, bevor sie größere Verluste erleiden.

Der ehemalige mexikanische Finanzminister Guillermo Ortiz schrieb in der Financial Times, Indonesien habe seit April etwa vierzehn Prozent seiner Devisenreserven verloren, und Indien fast 5,5 Prozent. Wenn der Druck bestehen bleibe, sei mit einer regelrechten Zahlungsbilanzkrise zu rechnen. Das gleiche gelte für die Türkei, die Ukraine, Südafrika und andere Länder.

Die indische Rupie hat 2013 schon zwanzig Prozent ihres Wertes verloren, und das Wirtschaftswachstum im Land ist auf 4,4 Prozent gesunken. Von 2002 bis 2011 hatte es durchschnittlich 7,7 Prozent betragen. Die Inflation und das Haushaltsdefizit nehmen zu.

Die türkische Lira hat seit Beginn des Jahres ca. vierzehn Prozent an Wert verloren, und der Aktienmarkt ist um 25 Prozent eingebrochen. Ein wesentlicher Teil des türkischen Wirtschaftswachstums der letzten Jahrzehnte war Folge einer Finanz- und Kreditblase, der jetzt schnell der Atem ausgeht. Man befürchtet, dass es unmöglich wird, Auslandsschulden weiter zu bedienen, wenn die Lira weiter fällt.

Der Internationale Währungsfond schätzte die Lage kürzlich so ein: “Die Türkei bleibt gegenüber einer Umkehr der Kapitalströme verwundbar, weil sie einen großen Finanzierungsbedarf gegenüber dem Ausland hat. Sollte es dazu kommen, dann wird die Türkei eine harte Landung erleben.“

Die Probleme der Türkei finden sich auch in einer ganzen Reihe weiterer aufstrebender Märkte. Das bedeutet die Gefahr einer Wiederholung der Asienkrise von 1997-98, nur auf einem viel höheren Niveau. Die Behauptung, dass diese Länder sich von den Industrieländern „abgekoppelt“ hätten, ist verstummt. Es wird klar, dass sie der globalen Wirtschaft nach dem Zusammenbruch von 2008 nicht als Konjunkturlokomotive dienen können.

Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, hat gefordert, „neue Verteidigungslinien“ zu schaffen, um die Weltwirtschaft vor einer Krise der aufstrebenden Märkte zu schützen. Aber es gab keine Vorschläge, was zu tun sei, und die Summen, um die es geht, wenn der Sturm auf die Ausgänge einsetzt, gehen weit über das hinaus, was der IWF kontrollieren kann.

Die amerikanische Fed wäscht ihre Hände in Unschuld und lehnt praktisch jede Verantwortung für die internationale Situation ab. Ihre Vertreter erklären, sie seien nur für die Auswirkungen ihrer Politik im Inland verantwortlich. Das erinnert fatal an den berüchtigten Ausspruch des damaligen Finanzministers John Connally, der auf die Sorgen der Europäer über den Absturz des Dollars 1973 mit der Bemerkung reagierte: „Er [der Dollar] ist unsere Währung, aber euer Problem.“ Heute hat die aggressive Wirtschaftspolitik von vor vierzig Jahren ein neues Niveau erreicht. Sie geht mit immer stärkerem Militarismus einher, der weltweit die amerikanischen Interessen schützen soll.

Es wird keine internationale Lösung diskutiert, und es ist auch keine in Sicht. Der südafrikanische Finanzminister Pravin Gordhan hat über die „Unfähigkeit“ gesprochen, „eine globale Reaktion aus einem Guss zu finden, um die Unruhe auf den Währungsmärkten zu reduzieren“. Auf dem Konklave der Zentralbanker in Jackson Hole, Wyoming, im vergangenen Monat bemerkte Augustin Carstens, der Zentralbankgouverneur Mexikos: „Die Unruhe durch die Kapitalbewegungen ist fatal.“

Die tieferen Ursachen dieser Unruhe wurden kürzlich in einem Bericht der Unternehmensberatungsfirma Bain und Company beleuchtet. Der Bericht wies darauf hin, dass die Beziehung zwischen der Finanzwirtschaft und der grundlegenderen Realwirtschaft „einen entscheidenden Wendepunkt“ erreicht habe. Während die reale Produktion nachlasse, habe sich das Volumen der Finanzvermögen schnell vergrößert und betrage schon das Zehnfache des globalen Wertes von Produktion und Dienstleistungen.

Mit anderen Worten ähnelt die Weltwirtschaft immer stärker einer auf dem Kopf stehenden Pyramide, bei der ein ständig wachsendes Volumen an Finanzwerten über einer Basis thront, die relativ dazu schrumpft. Die Politik der Fed und anderer Zentralbanken begünstigt noch das Wachstum der Finanzwerte.

Der Bericht machte deutlich, dass Vermögensblasen, die von spekulativen Kapitalströmen auf der Suche nach maximalem Profit angeheizt werden, “keine isolierten Erscheinungen mehr sind, sondern zu systembedrohenden Krisen werden, die Aberbillionen Dollar an Verlusten fordern“.

Die Hüter des amerikanischen Finanzkapitals gehen so vor, als könnten sie einseitig handeln und die globalen Folgen ihres Handelns ignorieren. Aber letztlich ist kein Land den mächtigen Bewegungen des globalen Finanzkapitals in so starkem Maße ausgesetzt wie die Vereinigten Staaten selbst.

Das amerikanische Finanzsystem ist inzwischen derart abhängig vom Aufkauf von Staatsanleihen durch China, dass eine große Kreditkrise in diesem Land und ein daraufhin erfolgender Abzug von Kapital von den amerikanischen Märkten ein finanzielles Erdbeben auslösen würde. Und es gibt eindeutige Warnungen, dass sich eine solche Kreditkrise in China ankündigt. Die Verschuldung in China ist von 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in 2008 auf 200 Prozent heute gestiegen.

Vergangene Woche warnte der globale Leiter der UBS-Investmentabteilung Wealth Management, Alexander Friedman, früher oder später müssten die USA möglicherweise das chinesische Bankensystem retten. Denn wenn China gezwungen wäre, amerikanische Bonds auf den Markt zu werfen, um eine Krise im eigenen Land zu managen, würde das die Zinsen in den USA hochtreiben und zu wirtschaftlichem Chaos führen.

Auch zwischen dem zunehmenden Militarismus und der Wirtschaftskrise gibt es einen starken Zusammenhang. Dass die USA einen Krieg nach dem anderen vom Zaun brechen, ist das Ergebnis des Versuchs, ihren relativen ökonomischen Niedergang mit Waffengewalt wett zu machen. Aber ein Krieg gegen Syrien oder andere Ziele, wie den Iran, könnte eine Finanzkrise auslösen, die sofort auf die Vereinigten Staaten zurückschlagen würde.

Mit dem Herannahen des fünften Jahrestages der Finanzkrise ist klar, dass nicht nur kein Problem gelöst ist, sondern dass die historische Krise des kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzsystems schärfer wird. Milliarden Menschen leben mit einem über ihrem Kopf schwebenden Damoklesschwert. Ihnen droht über Nacht der Absturz in Armut, wenn das globale Finanzsystem in eine erneute Katastrophe schlittert.

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