Praktiker und Max Bahr vor der Schließung

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Baumarktkette Praktiker nach einem monatelangen Insolvenzprozess geschlossen wird. Ähnliches droht der Praktiker-Tochter Max Bahr. Mehr als 23.000 Beschäftigten bei Praktiker und Max Bahr droht damit die Arbeitslosigkeit. Hinzu dürften viele weitere in der Zulieferindustrie kommen.

Das Ende der Baumarktkette markiert den Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung, in deren Verlauf die 2008 ausgebrochene Wirtschaftskrise systematisch auf die Beschäftigten abgewälzt wurde, während sich abwechselnde Finanzinvestoren auf Kosten des Unternehmens bereicherten.

Die Praktiker AG hatte sich am 10. Juli 2013 für überschuldet und zahlungsunfähig erklärt. Der Insolvenzverwalter und ehemalige Investmentbanker Christopher Seagon ließ damals verbreiten, ein großer Teil der Praktikerfilialen habe unter dem Namen Max Bahr eine Zukunft, sogfern es gelänge, rund ein Drittel der insgesamt 168 Praktikermärkte abzustoßen und einen neuen Investor zu finden. Zwei Wochen später war diese Aussage hinfällig. Max Bahr folgte der Muttergesellschaft Praktiker in die Insolvenz.

Wenige Tage später, am 30. Juli, meldeten Presseberichte erneut, es lägen „mehr als eine Handvoll“ Anfragen von Interessenten für beide Baumarktketten vor. Die Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung (SZ) zitierte Seagon mit den Worten: Neben Konkurrenten interessiere sich „ein gerütteltes Maß an strategischen und Finanzinvestoren“ für die beiden Ketten. Doch auch dieser Aussage folgten keine Zusagen.

Als Hauptgrund für die Praktiker-Pleite führen Medien und die Gewerkschaft Verdi immer wieder „Managementfehler“ an. Doch die Insolvenz lässt sich nicht von den Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise auf Deutschland und Europa trennen.

2007 hatte Praktiker noch den Konkurrenten Max Bahr übernommen, in Osteuropa expandiert und eine Steigerung des eigenen Marktanteils anvisiert. Dies änderte sich 2008 mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise: Der Umsatz fiel kontinuierlich von 3,9 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 3,45 Mrd. im Jahr 2010 und schließlich auf 3,0 Mrd. im Jahr 2012. Der geringe Gewinn von rund 80 Millionen Euro im Jahr 2008 verwandelte sich unter den Bedingungen der Rezession in ein Minus von 594 Millionen Euro im Jahr 2011.

Finanziell ausgeblutet durch jahrelange Renditezahlungen an Klein- und Großaktionäre, wie beispielsweise die US-Großbank JP Morgan Chase, musste die Praktiker AG sich ab 2008 zusehends verschulden und kostspielige Kredite aufnehmen.

Laut Geschäftsbericht hatte Praktiker im Jahr 2012 gegenüber Firmen Schulden im Wert von 248 Millionen und Kredite in Höhe von 49 Millionen Euro angehäuft. Für viele dieser Kredite musste das Unternehmen exorbitant hohe Zinsen zahlen. So zum Beispiel an die im August 2012 eingestiegene österreichische Fondsmanagerin Isabell de Krassny, die die Wiener Privatbank Semper Constantia und den zypriotischen Fonds Maseltov vertritt. Für ihren Kredit kassierte Krassny laut Medienberichten 12,5 Prozent Zinsen.

Eine weitere Last waren die Mieten: Obwohl bereits im Verlauf des Jahres 2012 bundesweit 14 Filialen geschlossen wurden, stiegen die Kosten für Mieten zwischen 2011 und 2012 weiter an. 2005 hatte die Metro AG als damalige Eigentümerin der Praktiker AG die Immobilien für 480 Millionen Euro an das Investment-Unternehmen Curzon Global Partner verkauft. Dieses kassiert seitdem die Mieten.

Zuletzt kamen Millionenausgaben für ständig wechselnde Manager und Beraterhonorare hinzu. Ende August berichtete das Wirtschaftsmagazin Capital, Praktiker habe seit 2011 mehr als 80 Millionen Euro für Beratungshonorare ausgegeben. Hauptprofiteure sollen die Wirtschaftskanzlei Freshfields sowie die Unternehmensberater Roland Berger und McKinsey gewesen sein. Auch das sogenannte „Sanierungskonzept“ soll laut Presseberichten von Roland Berger stammen.

Es ist diese Mischung aus welt- und europaweiter kapitalistischer Krise und der ungezügelten Gier der Finanz- und Wirtschaftselite, die Praktiker das Genick brach und jetzt Zehntausende Beschäftigte wahrscheinlich den Job kosten wird.

Eine besonders verräterische Rolle spielte dabei die Gewerkschaft Verdi. Sie stellte sich von Anfang an hinter das Management und ihr sogenanntes „Sanierungskonzept“, ließ die Beschäftigten im Dunkeln und lehnte eine Verteidigung der Arbeitsplätze ab.

Im Oktober 2012 einigten sich Praktiker und Verdi auf einen „Sanierungstarifvertrag“, der bis Ende 2015 Lohnsenkungen von fünf Prozent vorsah und dem Konzern jährlich 51,9 Millionen Euro an Personalkosten sparte. Verdi rechtfertigte dies mit einer „weitest gehenden Beschäftigungssicherheit“. Das Geld floss anschließend an die Gläubiger und Investoren.

Die Komplizenschaft von Verdi fand am 13. Juni 2013 ihren Höhepunkt, als die Gewerkschaft nur wenige Wochen vor der Verkündung der Insolvenz eine „Ergänzungsvereinbarung“ zum 2012 unterzeichneten Sanierungstarifvertrag mit dem Management aushandelte. Die Vereinbarung bestätigte noch einmal den Lohnverzicht und schrieb ihn für 2013 und 2014 fest. Keine fünf Wochen später, nachdem die Insolvenz beantragt war, deutete die Gewerkschaft in einer Erklärung an, dass sie seit längerem von der Insolvenz wusste.

Sie schrieb: „Dies [die Insolvenz] hat sich für die Beschäftigten über einen langen Zeitraum angekündigt. Es gab Werbung ohne entsprechende Ware im Markt, Lieferschwierigkeiten, stornierte Bestellungen und eine Prozentaktion nach der nächsten.“

Weiter heißt es, der Sanierungstarifvertrag sei mit Beantragung der Insolvenz „gegenstandslos“ und es müssten keine Sanierungsbeiträge mehr geleistet werden. Verdi werde versuchen, die Ansprüche auf die bereits geleisteten Beiträge im Insolvenzverfahren zu vertreten. Wer Gewerkschaftsmitglied sei, habe dabei einen Anspruch auf rechtliche Unterstützung. Es lohne sich daher, Verdi-Mitglied zu sein.

Seit Beginn des Insolvenzverfahrens setzt sich Verdi für eine sogenannte Auffanggesellschaft ein, die helfen soll, die sofortige Arbeitslosigkeit für sechs Monate hinauszuzögern.

Die Gewerkschaft hat nicht eine ernstzunehmende Protestaktion organisiert. Stattdessen verboten Verdi und viele Betriebsräte Mitarbeitern an vielen Standorten, mit der Presse zu sprechen, und schüchterten sie ein, wie Reporter der World Socialist Web Site in Gesprächen mit Praktiker-Beschäftigten vor Ort erfuhren. Sie bemühten sich so, dem Management und dem Insolvenzverwalter den Rücken frei zu halten und die Beschäftigten von der Solidarität der Bevölkerung zu isolieren.

Seit dem Wochenende steht fest, dass vorrausichtlich sämtliche Praktiker-Filialen geschlossen und in den kommenden Wochen deren Leerverkauf organisiert wird. Laut Aussage des Insolvenzverwalters soll dies geschehen, um doch noch eventuelle Investoren anzulocken, da diese eher Interesse an leeren als an vollen Räumen hätten.

Es wurden auch erneut Gerüchte gestreut, es gebe ein Konsortium um die Baumarktgruppe Hellweg, die Interesse an der Übernahme eines Großteils der Max-Bahr-Filialen habe. Die entsprechenden Pressemeldungen gehen auf den Sprecher des Insolvenzverwalters zurück. Es ist wahrscheinlich, dass auch an diesen Meldungen nichts dran ist und sie stattdessen dazu dienen, die Beschäftigten weiter ruhig zu halten.

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