K+S kündigt Angriff auf Kali-Bergleute an

Der Vorstandschef des Kasseler Dax-Konzerns K+S, Norbert Steiner, hat der Belegschaft in einem Brief „raue Zeiten“ angekündigt. Neben bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der „Effizienz“ drohte er mit zusätzlichen Sparmaßnahmen. Das berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30. August.

K+S beschäftigt weltweit über 14.000 und in Deutschland 10.000 Mitarbeiter in sechs Kalibergwerken in Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen Anhalt. Drei Werke gehören zum Werkverbund Werra. Neben Salzförderung ist das Geschäft mit Kali, das vor allem als Düngemittel genutzt wird, vorrangiger Geschäftsbereich. K+S deckt die gesamte Kaliproduktion in Deutschland ab. Insgesamt sind rund 33.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit der Kaliindustrie verbunden.

Bisher dominierten zwei Wirtschaftskartelle den milliardenschweren globalen Kali-Markt: Ein kanadisch-amerikanisches mit einem Weltmarktanteil von 35 Prozent, das aus den Firmen Potash, Agrium und Mosaic besteht, sowie eine Vertriebsallianz der weißrussischen Belaruskali und der russischen Uralkali, die Belarusian Potash Company (BPC) mit 31 Prozent.

In Deutschland ist K+S inzwischen alleiniger Kali-Produzent. Sie ist das Ergebnis zahlreicher Übernahmen, Fusionen und Werksschließungen. So übernahm das Unternehmen nach der deutschen Wiedervereinigung von der Treuhand die in der Mitteldeutschen Kali AG zusammengeschlossenen ehemaligen Staatsunternehmen der DDR, was zur Schließung des Kali-Bergwerks in Bischofferode führte. Der Dax-Konzern steht auf Platz 5 der Weltrangliste und hat bisher von den hohen Kartellpreisen auf dem Weltmarkt profitiert.

Hintergrund der neuen Sparmaßnahmen bei K+S ist der Ausstieg der russischen Uralkali aus der Vertriebsallianz BPC. Der weltgrößte Kaliproduzent will damit seine Führungsposition erhalten, internationale Konkurrenten ausschalten und Investoren davon abhalten, neue Förderstätten zu finanzieren. So plant der australisch-britische Rohstoffkonzern BHP Billiton die Erschließung neuer Lagerstätten in Kanada und China hat dasselbe in Laos vor.

Der Ausstieg aus der BPC wird die Konkurrenzfähigkeit von Uralkali, das über die weltweit niedrigsten Betriebskosten verfügt, erhöhen und weltweit Druck auf die Kali-Preise ausüben. Als Uralkali-Chef Wladislaw Baumgertner am 30. Juli den Ausstieg bekannt gab, kündigte er gleichzeitig einen Rückgang der Weltmarktpreise im zweiten Halbjahr 2013 um etwa ein Viertel auf unter 300 Dollar pro Tonne und eine geplante Produktionssteigerung von 30 Prozent an. Besitzer von Uralkali ist seit 2010 der milliardenschwere russische Oligarch Suleiman Kerimow.

Als Reaktion auf die Ankündigung Baumgertners verloren Kali-Aktien weltweit einen Börsenwert von rund 20 Milliarden Euro. Die Uralkali-Aktie selbst brach um 18 Prozent ein, weit stärker betroffen war aber K+S, da „Uralkali den Kasselern mit der Offensive die Preise kaputt macht“, wie der Analyst Lars Hettche vom Bankhaus Metzler sagte. Finanzspezialisten zweifeln, ob K+S anders als seine russischen und nordamerikanischen Konkurrenten den Angriff übersteht.

Schon im zweiten Quartal 2013 war der Betriebsgewinn von K+S im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel auf 162,6 Millionen Euro gesunken. Der Umsatz an Kali- und Magnesiumprodukten ging um 18 Prozent zurück, gleichzeitig wurden geringere Preise erzielt.

Das Wall Street Journal vermutete Ende Juli, dass Hedgefonds schon seit März mit Leerverkäufen auf fallende Werte von K+S-Aktien spekuliert und derzeit die Finger bei einer Übernahmeoffensive im Spiel haben. Am 30. Juli sackte die K+S-Aktie innerhalb weniger Stunden um 25 Prozent ab, die Talfahrt endete Mitte August mit einem 40-prozentige Verlust, der den Verbleib von K+S im Dax in Frage stellte.

Bei Leerverkäufen leihen sich Spekulanten Aktien aus und verkaufen diese in der Erwartung weiter, sie später günstiger zurückkaufen zu können. Der Zins für die Leihe von K+S-Aktien stieg im August auf 0,4 Prozentpunkte, was eine hohe Nachfrage bedeutet. Üblich sind bei Dax-Werten 0,15 bis 0,2 Prozentpunkte.

Obwohl sich der Kurs der Aktie wieder etwas erholt hat, mahnen Experten, K+S könnte zu einem Übernahmekandidaten werden. Eine Börsenzeitung meldete am 16. August, dass ein Übernahmekampf zwischen dem russischem Düngemittelriesen Eurochem und der nordamerikanischen Vertriebsallianz Canpotex in vollem Gange sei.

Ausgetragen werden diese Spekulations- und Übernahmekämpfe auf dem Rücken der Beschäftigten. Für die Arbeiter von K+S und ihre internationalen Kollegen bedeuten die Schachzüge der Finanzhaie an den Aktienmärkten verschärfte Ausbeutung, vermehrte Entlassungen und Betriebsschließungen sowie Angriffe auf die Löhne und die pure Existenz.

Das meint Vorstandschef Norbert Steiner, wenn er von „rauen Zeiten“ und dadurch notwendigen „Sparmaßnahmen zur Verbesserung der Effizienz“ schreibt. Laut Steiner gibt es eine Menge Stellschrauben: die verschiedenen Produktionsbereiche, der Vertrieb, die Verwaltung, alles werde überprüft. Von den 3 Milliarden Gesamtkosten seien nur 980 Millionen Personalkosten.

Unternehmenssprecher Ulrich Göbel, der sich seine Sporen als Betriebsratssprecher verdient hat, äußerte sich am 13. August gegenüber der Thüringer Allgemeinen deutlicher. „Es gibt keine Festlegung auf bestimmte Maßnahmen“, sagte er. Den Abbau von Mitarbeitern wolle man nicht an die erste Stelle der Überlegungen stellen. „Ausgeschlossen ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nichts.“

Wohin die Reise bei K+S geht, verdeutlichen auch die Kaufempfehlungen der Börseninsider, deren Kauflust in der Regel mit der Erwartung einer höheren Ausbeutungsrate steigt. Christoph Schönhube von Independent Research erklärte am 2. September, er werte das von Steiner angekündigte Programm als positiv und gab eine Kaufempfehlung für die K+S-Aktie ab. Auch die europäische Terminbörse Eurex und verschiedene Börsenzeitungen setzten am 4. September auf eine Erholung der Aktie.

Offensichtlich plant die Konzernleitung, die Angriffe auf die Belegschaft mit Unterstützung der für den Bergbau zuständigen Gewerkschaft IG BCE und des Betriebsrats durchzuführen. In den nächsten Wochen wolle man ein Maßnahmenpaket schnüren und es mit den Belegschaftsvertretern abstimmen, sagte Unternehmenssprecher Göbel.

Die IG BCE war den um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Kali-Bergleuten schon 1993 in den Rücken gefallen, als die damalige Besitzerin von Kali und Salz, der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF, in Zusammenarbeit mit der Treuhand die ostdeutsche Kali-Industrie abwickelte und Tausende Arbeitsplätze vernichtete. Inzwischen sind zwanzig Jahre vergangen, und die Gewerkschaften haben sich weltweit dermaßen nach rechts bewegt, dass sie den sozialen Angriffen nicht nur tatenlos zuschauen, sondern selbst die Vorlagen zu Lohnkürzungen, Entlassungen und Betriebsschließungen ausarbeiten.

Auch die Arbeiter von K+S müssen sich darauf einstellen, dass die Gewerkschaft das Spardiktat der Konzernleitung auf die eine oder andere Weise unterstützen und den Widerstand gegen die schlechtere Arbeitsbedingungen unterlaufen wird.

Einiges deutet darauf hin, dass die Betriebsleitung hinter dem Rücken der Belegschaft schon jetzt „interne Diskussionen“ mit Gewerkschafts- und Betriebsratsmitgliedern über ihre Sparpläne führt. Diese müssen offengelegt werden, damit Arbeiter und Angestellten die Verteidigung der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen rechtzeitig organisieren können und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Es führt kein Weg daran vorbei, dass sich die Arbeiter zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensstandards unabhängig von den Gewerkschaften auf Betriebsebene zusammenschließen und Kontakt zu anderen Arbeitern herstellen. Sie sind die richtigen Partner, um dem gemeinsamen Gegner, den internationalen Finanzhaien, entgegenzutreten. Dazu ist eine sozialistische Perspektive notwendig, wie sie die Partei für Soziale Gleichheit und das Internationale Komitee der Vierten Internationalen vertreten.

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