Griechische Pseudolinke unterstützen staatliches Vorgehen gegen Chrysi Avgi

Nach der Festnahme von 18 führenden Mitgliedern der faschistischen Partei Chrysi Avgi (CA) am Wochenende haben am Dienstag die Haftprüfungen begonnen. Den Abgeordneten und Führern der Partei werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Totschlag, Körperverletzung und Erpressung, illegaler Waffenbesitz, Sprengstoffanschläge sowie Geldwäsche zur Last gelegt.

Mittlerweile wurden zwei Mitglieder der Partei wieder auf freien Fuß gesetzt, währen fünf Mitglieder vorerst in Haft bleiben. Die Freigelassenen dürfen das Land aber nicht verlassen. Der Chrysi-Avgi-Vorsitzende Nikos Michaloliakos wird dem Haftrichter am Mittwoch vorgeführt. Bis dahin kann er seine Verteidigung vorbereiten.

Der griechische Geheimdienst veröffentlichte am Montag die Abschriften von Telefongesprächen, die Führer der Chrysi Avgi in der Nacht sowie den Tagen nach dem Mord an dem linken Hip-Hop-Musiker Pavlos Fyssas geführt haben sollen. Darin befinden sich neue Hinweise, dass der Mord von höheren Rängen der Chrysi Avgi geplant und angeordnet wurde. In den Häusern mehrerer Chrysi-Avgi-Mitglieder wurden Schusswaffen gefunden. Die Polizei hat erklärt, sie habe Hinweise auf ein illegales Waffenlager nahe Athen erhalten.

Das Vorgehen gegen Chrysi Avgi ist seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1974 beispiellos. Noch nie wurde eine im Parlament vertretene Partei als kriminelle Vereinigung eingestuft und ihre Abgeordneten verhaftet. Die Festnahmen haben nichts mit der Verteidigung der Demokratie oder einem antifaschistischen Kampf zu tun. Sie werden die autoritären Strukturen des Staatsapparats nicht schwächen, sondern die Verbindung zwischen Polizei, Armee und Faschisten weiter stärken.

Der Mord an Fyssas hat Massenproteste ausgelöst, die sich mit den Streiks und Demonstrationen gegen die sozialen Angriffe verbanden. Die Regierung befürchtete, dass die Arbeiter jedes Vertrauen in den Staat verlieren und ihre Verteidigung gegen die sozialen Kürzungen und den faschistischen Terror selbst in die Hand nehmen.

Deshalb organisierten sie die Razzien und Festnahmen und suspendierten einige Polizeioffiziere. Die braunen Netzwerke in Armee und Polizei, die Chrysi Avgi systematisch aufgebaut, ausgebildet und geschützt haben, bleiben hingegen bestehen. Sie dienen weiterhin als Basis, um gegen politische Gegner, gegen Proteste von Arbeitern und gegen Migranten vorzugehen.

So organisierte die Polizei nur wenige Stunden nach den Razzien bei den Neonazis eine Großaktion in der Athener Innenstadt. Sie nahm 483 dunkelhäutige Menschen fest und inhaftierte 46 davon. Den meisten von ihnen wird illegaler Aufenthalt in Griechenland vorgeworfen. Sie werden in eines der neu geschaffenen Speziallager gesperrt und alsbald abgeschoben.

In der letzten Woche hatte die Polizei in Zusammenarbeit mit Schlägern der Chrysi Avgi antifaschistische Demonstrationen angegriffen. In Thessaloniki räumte die Polizei am Samstag ein von Anarchisten besetztes ehemaliges Waisenhaus und nahm 30 Menschen fest.

Vertreter der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) sprachen zudem offen aus, dass das Vorgehen gegen Chrysi Avgi auch als Vorwand dient, um Angriffe auf die soziale Opposition von Arbeitern und auf linke Organisationen zu rechtfertigen. Sie sprachen in diesem Zusammenhang von „zwei Extremen“.

Regierungschef Andonis Samaras (ND) erklärte auf einer Versammlung in New York: „Es gibt nirgends auf der demokratischen Welt Platz für Neonazis. Es gibt keine Toleranz für sie und andere Formen des Extremismus, die die demokratischen Institutionen unterhöhlen.“

Die Formulierung war bewusst gewählt, um alle Formen des sozialen Widerstands gegen das Kürzungsdiktat der Regierung als „Extremismus“ zu kriminalisieren. Samaras stärkt die Polizei, um gegen den wachsenden Widerstand gegen das Spardiktat der EU vorzugehen. Seine Kritik an Chrysi Avgi ist zynische Heuchelei. Die Faschisten und die Polizei sind in Wirklichkeit auf Engste verbunden.

Nach wie vor sind in Griechenland neun Universitäten geschlossen, weil die Rektoren gegen die massiven Kürzungen des Verwaltungspersonals protestieren. Nach umfassenden Streiks im öffentlichen Dienst weigert sich inzwischen die Mehrheit der Bürgermeister, der Zentralregierung ihre Haushalte vorzulegen. Nun fordert die EU neue Kürzungen, insbesondere Massenentlassungen im öffentlichen Dienst. Dafür rüstet Samaras die Polizei.

In dieser höchst instabilen Situation kommen der Regierung verschiedene pseudolinke Gruppen, wie der Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA) und deren politische Satelliten zu Hilfe. Sie unterstützen und verteidigen die Aufrüstung des Staatsapparats.

Vertreter von SYRIZA betonten zwar immer wieder, dass sie die Theorie der „zwei Extreme“ ablehnten, verteidigen aber Samaras Vorgehen und die reaktionären Polizeikräfte. Schon letzte Woche hatten sie die Polizei aufgefordert, sämtliche Mitglieder der Chrysi Avgi festzunehmen.

Am Dienstag erklärte der SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras auf einem Treffen des Nationalen Polizeiverbands (POASY) laut der griechischen Tageszeitung To Vima, dass nur eine „kleine Minderheit“ der Polizei die kriminellen Machenschaften von Chrysi Avgi unterstütze. Tatsächlich hatten bei den letzten Wahlen über die Hälfte der Polizisten für Chrysi Avgi gestimmt.

Am Sonntag hatte Tsipras die Verhaftung der Chrysi-Avgi-Mitglieder mit den Worten gelobt: „Das Eingreifen zeigt, dass unsere Demokratie standhält, dass sie gesund ist.“ Damit verteidigt er den von Faschisten durchsetzten staatlichen Repressionsapparat, mit dem die herrschende Klasse das Spardiktat der EU durchsetzt, das zu Massenarbeitslosigkeit, Armut und nacktem Elend geführt hat.

Allein in diesem Jahr hat die Regierung schon drei Mal Streiks verboten und die streikenden Arbeiter unter Kriegsrecht gestellt. Dass Tsipras diesen Repressionsapparat als „gesunde Demokratie“ bezeichnet, zeigt, dass er das brutale Spardiktat der EU selbst unterstützt.

Mit dieser klaren Stellungnahme bietet sich SYRIZA der herrschenden Klasse als Stabilitätsfaktor an. Immer wieder fordert sie die ND im Kampf gegen die Faschisten zur Zusammenarbeit auf. Ein solches Bündnis wäre die Vorbereitung zu einer SYRIZA-Regierung, die das Spardiktat der EU mit Polizeigewalt gegen die Arbeiter durchsetzt.

SYRIZA kann sich auf die verschiedenen kleineren pseudolinken Strömungen stützen, die zum Teil in ihren Reihen und zum Teil eigenständig agieren, wie die staatskapitalistische Sozialistische Arbeiterpartei (SEK). Die SEK ist Bestandteil des Parteienbündnisses Antarsya, das SYRIZA von außen unterstützt.

In einer Erklärung verteidigt die SEK die Linie von SYRIZA und bejubelt die Polizei. „Die Festnahme der Führer der Chrysi Avgi ist ein Sieg für die großartige antifaschistische Bewegung, die nach dem Mord an Fyssas auf die Straße gegangen ist“, heißt es darin. „Sie durchbricht die provokative Immunität der Neonazi-Mörder und jene, die sie geschützt haben, sind nun gezwungen, sich als verspätete Verfolger darzustellen. Wir feiern diese Entwicklung und wir organisieren die nächsten Schritte.“

Die Kommunistische Partei (KKE) erklärt zwar allgemein, die Polizei sei nicht geeignet, gegen die Faschisten zu kämpfen, versucht die Arbeiter aber stattdessen den Gewerkschaften unterzuordnen, die selbst eng mit dem Staatsapparat verbunden sind und eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung der Sozialkürzungen spielen.

Keine dieser Organisationen hat irgendetwas unternommen, um auch nur die eigenen Mitglieder vor den Angriffen der Faschisten und der Polizei zu schützen. Stattdessen rufen sie nach dem Staatsapparat. Der Grund dafür ist, dass sie für wohlhabende Mittelschichten sprechen, die eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiter weit mehr fürchten als die Faschisten und den Polizeiterror.

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