Traditionsunternehmen Loewe meldet Insolvenz an

Am 1. Oktober meldete der deutsche Hersteller von Unterhaltungs- und Kommunikationstechnik Loewe AG beim Amtsgericht Coburg Insolvenz an.

Zwei Wochen zuvor hatte das Traditionsunternehmen aus Kronach in Oberfranken angekündigt, 150 seiner rund 800 Mitarbeiter zu entlassen, um im Zuge eines Restrukturierungsprozesses „Maßnahmen zur Anpassung der Kostenstruktur“ zu ergreifen. Mit der Entlassung von Mitarbeitern versuchte das angeschlagene Unternehmen, Investoren anzulocken. Sie sei „wesentliche Voraussetzung für den Einstieg eines Investors und damit für den Erhalt des gesamten Unternehmens“, sagte Matthias Harsch, der Vorstandsvorsitzende der Loewe AG.

Schon im Juli dieses Jahres hatte Loewe einen Antrag auf ein „Schutzschirmverfahren“ gestellt. Dabei handelt es sich um eine Form der Insolvenz in Eigenverwaltung, bei der ein Insolvenzplan erstellt und von einem gerichtlich bestellten Sachwalter überwacht wird. Das Unternehmen genoss damit drei Monate lang Gläubigerschutz und leitete Sanierungsmaßnahmen ein. Nach Ablauf dieser Zeitspanne mündet das Schutzschirmverfahren nun in das eigentliche Insolvenzverfahren.

Im August, mitten im bayerischen Landtagswahlkampf, hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) staatliche Bürgschaften für den Fall in Aussicht gestellt, dass sich ein Investor einfinde.

Im September hatte Loewe dann eine Partnerschaft mit dem chinesischen TV- und Küchengerätehersteller Hisense (viertgrößter Fernsehgeräteproduzent der Welt mit Sitz im ostchinesischen Qingdao) angekündigt, der als möglicher Investor gilt. Laut Spiegel Online haben beide Unternehmen kürzlich in Österreich, das als Testmarkt betrachtet wird, einen gemeinsamen Vertrieb begonnen.

Allerdings habe Hisense keine finanziellen Hilfen zugesagt, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Wie die FAZ weiter ausführt, gebe es auch „eine Gruppe britischer Finanzinvestoren, die Loewe strategisch neu ausrichten wollen“. Findet Loewe bis Ende Oktober keinen Investor, wird das Unternehmen zerschlagen.

Nach dem dritten verlustreichen Jahr in Folge meldete Loewe im August 2013 einen Verlust von knapp 15 Millionen Euro. Die liquiden Mittel gingen von 27 auf 8 Millionen Euro zurück, das Eigenkapital schrumpfte um 48 auf 25 Millionen Euro. Die Nachricht von der Insolvenz Anfang Oktober ließ den Aktienkurs von Loewe sofort um 50 Prozent einbrechen.

Loewe war über Jahrzehnte auf Luxusfernseher und hochpreisige Unterhaltungselektronik spezialisiert. Nun hat es seine Verkaufsstrategie geändert und will sich den „Massenmarkt“ der preiswerten Fernseher und Lautsprecher erschließen, da „der Fachhandel nur noch für 25 Prozent steht“, wie Loewe-Chef Harsch dem Spiegel in einem Interview sagte.

Um künftig bei Saturn und Media Markt günstig verkaufen zu können, soll die Produktion nach Asien verlagert werden. In Kronach soll es weiterhin eine „Manufaktur für High-End-Geräte“ geben. Entscheidend werde in Zukunft aber nicht mehr die Produktion in Deutschland, sondern das Label „Engineered and Designed in Germany“ sein. „Wir sind kein Gerätehersteller mehr, das versuche ich der Firma auch auszureden“, sagte Harsch im selben Interview.

Das Traditionsunternehmen wurde im Januar 1923 in Berlin von dem Physiker und Elektrotechniker Siegmund Loewe und seinem Bruder Ludwig David Loewe als Radiofrequenz GmbH gegründet. Das Unternehmen war eines der ersten in Deutschland, das Elektronenröhren, Lautsprecher und Widerstände produzierte. Der bekannte Physiker Manfred von Ardenne war an der von Loewe seit 1929 betriebenen Fernsehentwicklung beteiligt, die 1931 bei der Berliner Funkausstellung zur weltweit ersten elektronischen Fernsehübertragung führte.

Nach der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 wurden die Loewe-Brüder, weil sie Juden waren, ins Exil gezwungen. Ludwig Daniel emigrierte 1934, Siegmund 1938 in die Vereinigten Staaten. Das Unternehmen wurde anschließend „arisiert“ und ab 1939 auf Kriegsproduktion für die deutsche Luftwaffe umgestellt. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs, im März 1945, folgte die Verlagerung nach Köps bei Kronach, wobei das Stammwerk in Berlin-Steglitz noch bis 1979 bestehen blieb.

Siegmund Loewe kehrte 1946 nach Deutschland zurück, übernahm erneut die Leitung und entwickelte in den 1950er Jahren den ersten Kassettenrekorder sowie 1961 den ersten europäischen Videorekorder. 1963 produzierte Loewe den ersten tragbaren Fernseher.

Loewe leitete sein Unternehmen bis zu seinem Tod im Jahr 1962. Die Aktienmehrheit ging daraufhin an verschleierte Tochterunternehmen der Philips-Gruppe, die 1985 alle ihre Anteile wieder verkauften. Seit 1999 wird die Loewe AG an der Börse notiert.

Die Orientierung an zahlungskräftigen Kunden bestimmte über Jahrzehnte die Produktion des Unternehmens. 1998 entwickelte Loewe den ersten Fernseher mit Internetzugang. 2005 produzierte das Unternehmen seinen ersten Flachbildschirm.

Eine Krise im Jahr 2004 (als das auf Röhrenfernseher spezialisierte Unternehmen nicht rechtzeitig auf Flachbildschirme reagiert hatte), wurde durch eine Kapitalaufstockung des japanischen Unternehmens Sharp, das als Großaktionär eintrat, sowie durch ein hartes Sparprogramm überbrückt, das IG Metall und Betriebsrat mit der Unternehmensspitze ausarbeiteten.

300 der 1.250 Beschäftigten wurden entlassen, die Verbleibenden arbeiteten länger ohne Lohnausgleich. Zudem mussten sie auf ein ganzes oder halbes Monatsgehalt verzichten. Die Kosten wurden so um 25 Prozent gesenkt. 2007 verbuchte das Unternehmen dann einen Jahresüberschuss von 6,5 Millionen Euro. Die Mitarbeiter bekamen eine Sonderprämie von 3.000 Euro.

„Das war natürlich toll für die Menschen dort“, sagte Christopher Schmitz von der Gewerkschaft Verdi vor drei Jahren, als Verdi einen Lohnverzicht der Karstadt-Beschäftigten vereinbarte. „Aber Loewe ist ein absoluter Einzelfall.“ Normalerweise würden Beschäftigte ihr Geld nicht wieder sehen.

Die Krise, in der die Loewe AG seit fünf Jahren steckt (in diesem Zeitraum ist der Umsatz von 374 Millionen Euro auf 250 Millionen Euro eingebrochen), ist eine Auswirkung der 2008 ausgebrochenen internationalen Wirtschaftskrise. Die Zielgruppe, auf die Loewe sich lange orientiert hatte – Facharbeiter und Angestellte, die es sich leisten konnten, auf Qualität zu achten –, wird vom Sog der Krise mitgerissen, verliert ihre Arbeitsplätze, Löhne und Gehälter oder ist zumindest ständig davon bedroht.

Ende 2012 waren noch rund 1.000 Mitarbeiter im Kronacher Loewe-Werk beschäftigt. Im April 2013 wurden nach „konstruktiven Gesprächen mit Betriebsrat und IG Metall“ 180 Stellen gestrichen, davon 130 in der Fertigung. Mit den 150 im September ankündigten weiteren Stellenstreichungen hat Loewe mit Hilfe von Gewerkschaften und Betriebsrat innerhalb von weniger als einem halben Jahr etwa 35 Prozent seiner Belegschaft entlassen.

Auch Loewes Konkurrenten im qualitativ hochwertigen Segment leiden unter der Krise. Der dänische Unterhaltungselektronikkonzern Bang & Olufsen vermeldete ebenfalls hohe Verluste. Das dänische Unternehmen, der zweitgrößte europäische Unterhaltungselektronikkonzern, hat im vergangenen Quartal einen Fehlbetrag von neun Millionen Euro erwirtschaftet.

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