Sieben Tote bei Selbstmordanschlag in Südrussland

Bei einem Selbstmordanschlag in der südrussischen Stadt Wolgograd kamen am Montagnachmittag mindestens sieben Menschen ums Leben. 40 wurden verletzt, viele von ihnen schwer.

Der Anschlag erfolgte um 14.05 Ortszeit in einem Linienbus, in dem Medienberichten zufolge vorwiegend Studenten der Wolgograder Staatsuniversität saßen. Die Bombe wurde offenbar von einer Selbstmordattentäterin gezündet und bestand aus einem Mix des Sprengstoffes TNT, zwei Handgranaten, Nägeln und Schrauben. Die Explosion riss neben der Selbstmordattentäterin sechs weitere Menschen in den Tod.

Von den 40 Verletzten mussten 31 ins Krankenhaus eingeliefert werden. Acht befinden sich noch in einem kritischen Zustand. Unter den Verwundeten befinden sich auch 14 Kinder unter 18 Jahren und ein Kleinkind.

Die russischen Behörden gehen davon aus, dass der Anschlag von der 30-jährigen Naida Asijalowa verübt wurde, die aus der nordkaukasischen Republik Dagestan stammt. Am Anschlagsort wurde ein Busticket auf ihren Namen von Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, nach Wolgograd gefunden. Augenzeugen hatten gesehen, wie sich kurz vor der Explosion eine junge Frau mit Kopftuch in den Bus setzte.

Der Ehemann der mutmaßlichen Attentäterin, Dmitri Sokolow, ist laut Behördenangaben Sprengstoffexperte bei einer islamistischen Rebellengruppe, die in Machatschkala operiert. Er wird verdächtigt, die Sprengstoffvorrichtung für den Anschlag hergestellt zu haben.

Bei dem Anschlag in Wolgograd handelt es sich um den schwersten Terroranschlag in einer nichtkaukasischen Republik Russlands seit Januar 2011, als zwei Selbstmordattentäter am Moskauer Flughafen Domodedowo 36 Menschen in den Tod rissen.

Seit 1999, dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges, kam es zu zahlreichen Terroranschlägen von Angehörigen islamistisch-separatistischer Tendenzen aus dem Nordkaukasus. Die Anschläge und die Kriege in Tschetschenien dienten dem Kreml als Vorwand für eine staatlich getragene Hetze gegen Muslime, weitreichende Angriffe auf demokratische Grundrechte und den Ausbau des Polizeistaats.

Die Einführung des Kapitalismus und mehrere Kriege haben den Nordkaukasus sozial ruiniert und politisch nachhaltig destabilisiert. Die beiden Tschetschenienkriege, 1994-1996 und 1999-2006, kosteten rund 100.000 Menschen in Tschetschenien, einem Zehntel der dortigen Bevölkerung, das Leben, Zehntausende wurden verwundet und vertrieben.

Sowohl in Tschetschenien als auch in den angrenzenden Republiken Inguschetien und Dagestan kommt es weiterhin zu Anschlägen und brutalen Zusammenstößen zwischen Islamisten und russischen Sicherheitskräften. Die Region ist durch ihre geographische Lage an der Grenze zum energiereichen Südkaukasus und nahe dem Schwarzen Meer für Moskau von großer geostrategischer Bedeutung.

Insbesondere Dagestan, eine der ärmsten Republiken des Landes, ist seit Jahren der Schauplatz von Bombenanschlägen und Gefechten zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Aufständischen.

Im vergangenen Jahr kamen durch Terroranschläge und die Razzien russischer Sicherheitskräfte über 400 Menschen ums Leben. Es kommt beinahe täglich zu Bombenanschlägen, zu Attentaten auf Politiker und Polizisten, sowie zur Ermordung und Entführung unschuldiger Zivilisten.

Angesichts der bevorstehenden Olympischen Winterspiele im südrussischen Sotschi 2014 hat der Kreml das Vorgehen gegen islamistische Aufständische, dem auch regelmäßig Unbeteiligte zum Opfer fallen, in den letzten Monaten deutlich verschärft.

Dagestan gehört zu den ärmsten Republiken des Landes. In der vorwiegend muslimischen Republik leben rund 33 verschiedene Volksgruppen mit unterschiedlichen Sprachen nebeneinander. Nur jeder zehnte der fast 3 Mio. Einwohner Dagestans ist russisch. Die soziale Krise, ethnischen Spannungen, die brutalen Kriege des Kremls und politische Perspektivlosigkeit haben dazu geführt, dass islamistische Tendenzen vor allem aus der Jugend anhaltenden Zulauf haben.

Das Attentat in Wolgograd unterstreicht, wie instabil die Region ist. Trotz der enormen Brutalität, mit der der Kreml den sogenannten „Krieg gegen den Terror“ führt, konnte er die islamistisch-separatistische Bewegung im Nordkaukasus nicht unter Kontrolle bringen.

Der Anschlag wurde von Teilen der russischen Presse als Warnung der Islamisten gewertet, die für die Winterspiele in der nahe gelegenen Stadt Sotschi Anschläge angekündigt haben. Es ist allerdings noch nicht klar, von welcher Gruppe der Anschlag organisiert wurde.

Die Terrordrohungen gegen die Winterspiele gingen von Doku Umarow, dem Chef der Gruppe Kaukasus-Emirat aus, die nachweislich Verbindungen zu Al-Quaida unterhält. Umarow hatte auch für die Terroranschläge am Domodedowo-Flughafen 2011 und die Bombenanschläge in der Moskauer Metro 2010 verantwortlich gezeichnet, bei denen insgesamt 76 Menschen ums Leben kamen und hunderte verletzt wurden.

Der Kaukasus-Emirat und andere islamistische Tendenzen im Nordkaukasus unterstützen auch die vom Westen mitfinanzierte islamistische Opposition gegen den syrischen Präsidenten Assad. Laut Angaben russischer Behörden kämpfen in Syrien rund 200 Kämpfer aus Dagestan auf Seiten der Opposition gegen die Regierung; weitere 100 Oppositionelle kommen Medienberichten zufolge aus Tschetschenien.

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