RWE streicht weitere 6.700 Arbeitsplätze

RWE-Chef Peter Terium nutzte die Vorstellung der Quartalszahlen am letzten Donnerstag, um eine Verschärfung des bereits laufenden Sparprogramms anzukündigen. Zusätzlich zu den in den letzten zwei Jahren abgebauten 6.200 Stellen sollen bis 2016 konzernweit weitere 6.700 Arbeitsplätze wegfallen, 4.700 davon in Deutschland.

Damit würde jeder zehnte der derzeit 67.400 Arbeitsplätze bei Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern gestrichen. 2011 hatte RWE noch knapp 74.000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Werden die Pläne umgesetzt, entspricht das einem Abbau von 13.000 Stellen innerhalb von fünf Jahren.

Der angekündigte Stellenabbau betrifft die Kraftwerkssparte mit 2.300, den Verwaltungsbereich mit über 2.000 und RWE Innogy, das Tochterunternehmen für erneuerbare Energien, mit 250 Arbeitsplätzen. Weitere 1.400 Stellen sollen durch den seit längerem geplanten Verkauf der Ölfördertochter Dea entfallen.

Weitere Kosteneinsparungen sind durch die Verlagerung eines Teils der Personal-Verwaltung ins polnische Krakau geplant. Rund 100 Mitarbeiter erledigen hier bereits Aufgaben des Rechnungswesens und der Reisekosten-Abrechnung. Laut einem Bericht der Rheinischen Post prüft RWE zur Zeit, die Zahl der ausgelagerten Arbeitsplätze bis auf 700 zu erhöhen. Vertreter von Betriebsrat und Gewerkschaft haben diese Zahl bereits als Maximum vereinbart.

Das RWE-Management schließt bei der Umsetzung des angekündigten Arbeitsplatzabbaus zumindest ab 2015 auch direkte Entlassungen nicht aus. Ein Vertrag mit den Gewerkschaften Verdi und IG BCE, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, läuft 2014 aus und soll nicht verlängert werden.

RWE-Personalchef Uwe Tigges hat auch schon mit dem Abbau weiterer Arbeitsplätze über 2016 hinaus gedroht. Eine weitere Reduzierung auf nur noch 55.000 bis 50.000 Arbeitsplätze werde bereits diskutiert. Außerdem verlangt das Unternehmen Änderungen bei der Lohn- und Gehaltsstruktur. Für die kommenden Tarifverhandlungen fordert der Unternehmensvorstand eine Nullrunde bei den Einkommen, was auf eine Reallohnsenkung bei steigender Arbeitsbelastung hinausläuft.

Das Management rechtfertigt die verschärften Angriffe auf Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen mit dem Rückgang der Gewinne aus dem Betrieb von Kohle- und Gaskraftwerken als Folge der Energiewende.

Der Betriebsgewinn sei bei der konventionellen Stromerzeugung in den ersten neun Monaten dieses Jahres um zwei Drittel eingebrochen, auf 841 Millionen Euro. Verantwortlich seien die gefallenen Stromgroßhandelspreise durch den Ausbau des Ökostroms (Sonnen- und Windenergie) sowie das Überangebot an Kraftwerken in Europa. Der Preis für eine Megawattstunde Strom sei von über 60 Euro im Jahr 2010 auf 38 Euro gefallen.

Der Konzern hat bereits die Stilllegung mehrerer Kraftwerke in Deutschland und den Niederlanden beschlossen. Über die Stilllegung weiterer Kraftwerke soll in den nächsten Monaten entschieden werden.

RWE-Chef Terium erklärte bei der Vorstellung der Quartalszahlen: „Wir gehen durch ein Tal der Tränen… Unser traditionelles Geschäftsmodell bricht uns unter den Füßen weg. Wir richten alle unsere Anstrengungen darauf aus, diese Krise durch drastische Kosteneinsparungen zu überwinden.“

RWE erzeugt mehr als die Hälfte seines Stroms durch Kohlekraftwerke. Da diese und die von RWE ebenfalls betriebenen Gaskraftwerke als Reserve für die Stromerzeugung dienen sollen, wenn Sonnen- und Windenergie nicht ausreichend Strom produzieren, fordern RWE und Eon (der größte deutsche Energiekonzern, der ebenfalls über 11.000 Arbeitsplätze abbaut) von der neuen Bundesregierung staatliche Subventionen.

Dies obwohl RWE in diesem Jahr einen Gewinn von etwa 9 Milliarden Euro erzielt. Darin enthalten ist eine Milliarde Euro, die das russische Unternehmen Gazprom für überhöhte Gaspreise in den vergangenen Jahren zurückzahlt. Der Umsatz von RWE ist sogar um vier Prozent auf 39,9 Milliarden Euro gestiegen. Während das Geschäft mit Strom um vier Prozent sank, hat RWE den Gasabsatz vor allem aufgrund des langen Winters um 16 Prozent erhöht.

Den verschärften Sparkurs begründet RWE mit der Erwartung auf sinkende Gewinne im nächsten Jahr. Der Überschuss vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen werde auf 7,6 bis 8,1 Milliarden Euro und das Nettoergebnis von 2,4 Milliarden in diesem auf 1,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr schrumpfen.

Der RWE-Konzern versucht also seine lukrativen Profite zu verteidigen und zu steigern, indem er die Folgen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Auswirkungen der nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschleunigten Energiewende auf die Beschäftigten abwälzt. Dasselbe geschieht bei anderen Konzernen wie Eon, Opel, Siemens und ThyssenKrupp, die ebenfalls massiv Personal abbauen.

RWE hat dabei die volle Unterstützung der Gewerkschaften Verdi und IG BCE, die beide im Konzern vertreten sind. Wie in ähnlichen Fällen zuvor zeigen sich ihre Vertreter zwar überrascht und empört. Doch das dient lediglich dazu, ihre eigene Verantwortung beim Abbau der Arbeitsplätze zu verschleiern.

So berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger vom 15. November: „Betriebsräte und Gewerkschafter sind von den jetzt angekündigten Zahlen zum Stellenabbau nicht wirklich überrascht worden: Schon seit Monaten wisse man von den Sparplänen bei RWE und setze sich damit auseinander, sagt Peter Lafos, der beim Verdi-Landesbezirk NRW für den Energiebereich zuständig ist.“

Die Zeitung zitiert Manfred Holz, den Betriebsratsvorsitzenden des RWE-Kraftwerks Neurath und stellvertretenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von RWE Power, der schildert, wie der Betriebsrat die Abbaupläne des Konzerns umsetzen und Mitarbeiter zum „freiwilligen“ Ausscheiden zwingen will.

Holz gehe „davon aus, dass der angekündigte Stellenabbau komplett sozialverträglich erfolgen kann“, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger. So gebe es spezielle Abfindungsangebote für die Jahrgänge 1955 bis 1966. „Alleine im Kraftwerksbereich haben wir hier ein Potenzial von 800 Mitarbeitern.“ Der Betriebsrat „werde sich anschauen, auf wen man verzichten könne und diesen dann im Laufe der nächsten Jahre ein Abfindungsangebot machen, damit sie freiwillig auf ihren Arbeitsplatz verzichten.“

Arbeiter, mit denen Reporter der Zeitung beim Schichtwechsel im Braunkohlekraftwerk Niederaußen sprachen, zeigten sich dagegen besorgt. Viele wollten gar nichts sagen, andere schimpften über die Entscheidungen in der Konzernzentrale.

Ein Arbeiter sagte, er sei mit Ende 40 zu jung für eine Abfindung und zu alt, um etwas Neues zu lernen. Er befürchtete, spätestens von der nächsten Entlassungswelle betroffen zu sein. Ein älterer Arbeiter, der bereits einen Altersteilzeitvertrag unterschrieben hat, beklagte sich über die hohe Arbeitsbelastung, die durch den Arbeitsplatzabbau der vergangenen Jahre entstanden sei. Er arbeite jetzt schon für vier Leute.

Während Tausende Arbeiter und Angestellte bei RWE um ihre Arbeitsplätze und ihre Zukunft bangen, besteht die Sorge der Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter darin, weiterhin aufs engste in die Entscheidungen des Unternehmensvorstands einbezogen zu werden und ihre gut bezahlten Posten im Betriebsrat und im Aufsichtsrat nicht zu verlieren.

Daher rührt ihre Forderung nach Verlängerung des Vertrags, der betriebsbedingte Kündigungen auch über 2014 hinaus ausschließt, obwohl mit der bisherigen Vereinbarung und der Zustimmung der Gewerkschaftsfunktionäre allein in den Jahren von 2011 bis 2016 über 13.000 Arbeitsplätze vernichtet werden.

Als weitere Konsequenz aus dem Gewinnrückgang kündigte RWE eine Halbierung der Dividende von 2 auf 1 Euro pro Aktie an. Diese Maßnahme wird einige Kommunen, die in den vergangenen Jahren in RWE-Aktien investiert haben, hart treffen. So hat die Stadt Essen, die mehr als 18,6 Millionen RWE-Aktien besitzt, die bisherige jährliche Dividende von 2 Euro fest in ihren Haushalt eingeplant.

Essen wird auch schwer von dem Arbeitsplatzabbau in der zentralen Verwaltung von RWE sowie anderer RWE-Töchter betroffen sein. Auch die ebenfalls in Essen ansässige Zentrale von ThyssenKrupp sowie eine Reihe weiterer Unternehmen wie Evonik und das Bauunternehmen Hochtief haben massive Stellenstreichungen angekündigt.

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