Ägypten: Junta geht schärfer gegen Muslimbrüder vor

Die ägyptische Militärjunta nutzt den Anschlag in Mansura im Nildelta als Vorwand, um die Muslimbruderschaft (MB) noch schärfer zu unterdrücken und letzten Endes jeden Widerstand gegen ihr diktatorisches Regime im Keim zu ersticken. In Mansura waren am 24. Dezember bei einem Bombenanschlag auf das Polizeihauptquartier der Provinz Dakahlija mindestens sechzehn Menschen getötet und 134 verwundet worden.

Vergangenen Freitag verhafteten die Sicherheitskräfte 265 Muslimbrüder und schlugen in Kairo, Port Said, Sohag, Fayum, Beni Suef, Damietta, Behaira und anderen Teilen des Landes Proteste nieder, zu denen das Nationale Bündnis für Verfassungsmäßigkeit, das von der Muslimbruderschaft geführt wird, aufgerufen hatte. Mindestens drei Menschen wurden bei der Polizeiaktion getötet.

Im oberägyptischen Luxor trieb die Polizei Demonstranten mit Tränengas auseinander. Im Kairoer Stadtteil Zeitum hinderten Sicherheitskräfte Demonstranten daran, zum Präsidentenpalast Al-Qoba zu marschieren. Auf dem Campus der Azhar-Universität in Nasr City ging die Polizei auf Studenten los, die vor ihren Wohnheimen eine Solidaritätsaktion für einen Kommilitonen veranstalteten, der einen Tag zuvor getötet worden war.

Am Donnerstag wurden zahlreiche Muslimbrüder verhaftet. Fünfzehn wurden in Alexandria eingesperrt, sechzehn in der Provinz Al-Sharkija im Nildelta, elf in Zagazig, alle wegen des Vorwurfs, sie gehörten einer "Terrororganisation" an und hätten "zur Gewalt gegen Militär und Polizei" aufgerufen. Am selben Tag hinderte die Junta die Partei Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbruderschaft an der Veröffentlichung ihrer Zeitung. Sie fror außerdem die Gelder der Muslimbrüder und mehrerer sozialer und wohltätiger Organisationen ein, denen sie Beziehungen zur MB vorwarf.

Unmittelbar nach dem Bombenanschlag gaben das Regime und die Medien der MB die Schuld. Innenminister Mohamed Ibrahim besuchte den Ort des Geschehens und erklärte, die Muslimbrüder übten Vergeltung für die Massaker in zwei Protestlagern von demonstrierenden Islamisten am 14. August. Damals erschossen die Sicherheitskräfte hunderte islamistische Gegner des Militärputschs vom 3. Juli, bei dem MB-Präsident Mohammed Mursi gestürzt worden war.

Seit dem Putsch haben die Sicherheitskräfte tausende Mitglieder der Muslimbrüder getötet und ihre oberste Führung verhaftet. Doch die Muslimbruderschaft, die größte islamistische Organisation Ägyptens, dementierte jede Verantwortung für den Anschlag vom vergangenen Dienstag. In einer Stellungnahme an ihrem Sitz in London verurteilte die MB den Anschlag als "direkten Angriff auf die Einheit des ägyptischen Volkes". Sie forderte eine Untersuchung, damit "die Verantwortlichen für dieses Verbrechen ihrer gerechten Strafe zugeführt“ würden.

Eine militante islamistische Gruppe aus Ägypten namens Ansar Beit Al-Maqdis übernahm die Verantwortung für die Anschläge. Am Mittwoch erklärte sie in einer Stellungnahme, ein Selbstmordattentäter namens Abu Maryam habe den Anschlag ausgeführt.

Die Junta versucht, unter dem Deckmantel des "Kampfs gegen den Terror" die Muslimbruderschaft zu vernichten und den Militär- und Polizeistaat wieder in der Form herzustellen, wie er vor den Massenaufständen von Anfang 2011, unter dem später gestürzten Diktator Hosni Mubarak, existiert hatte. In den letzten Wochen verkündete die Junta ein Gesetz, das Proteste verbietet, und gab einen neuen Verfassungsentwurf bekannt, der die Militärdiktatur praktisch festigt.

Am Mittwoch verkündete der stellvertretende Premierminister und Minister für höhere Bildung Hossam Eisa bei einer Pressekonferenz: "Das ägyptische Parlament hat beschlossen, die Muslimbruderschaft zur Terrororganisation zu erklären und Artikel 86 des Strafgesetzbuches auf sie anzuwenden."

Eisa erklärte: "Nach dem Gesetz macht sich jeder strafbar, der an den Aktivitäten der Muslimbruderschaft oder Organisationen teilnimmt, die sie durch Reden oder Schriften oder finanziell unterstützen. Strafbar machen sich ferner all jene, die sich der Muslimbruderschaft anschließen oder Mitglied bleiben, nachdem sie zur Terrororganisation erklärt worden ist.“

Der Sprecher des Innenministeriums Hani Abdel Latif erklärte im staatlichen Fernsehen, von nun an werde jeder, der an Protesten der MB teilnehme, zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Haftstrafen für erwiesene Mitglieder einer Terrororganisation können möglicherweise auf lebenslange Haft ausgedehnt werden. "Für Führungsmitglieder dieser Organisation ist auch die Todesstrafe möglich", fügte Latif hinzu.

Der Führer des Putschs und de facto-Diktator General Abdel Fattah Al-Sisi versprach bei einer Rede anlässlich einer militärischen Zeremonie am Donnerstag, er werde künftig noch schärfer vorgehen. Freiheit und Stabilität seien nicht einfach zu erringen. Er forderte die Ägypter auf, "ihr Vertrauen in Gott, das Militär und die Polizei“ zu setzen, und drohte: "Das Militär ist bereit, sich für Ägypten und die Ägypter aufzuopfern. Jene, die euch Schaden zufügen, werden vom Angesicht der Erde getilgt werden."

Die Junta versucht, ein Klima der Angst und des Terrors zu schaffen, um einen neuen Ausbruch von Massenprotesten der Arbeiterklasse zu verhindern, der treibenden Kraft hinter der Revolution.

In den letzten Monaten kam es wieder zu größeren Arbeitskämpfen: Im Oktober traten die Textilarbeiter bei Mahalla in Streik, und im Dezember demonstrierten befristet eingestellte Bergarbeiter der Goldmine bei Sukhari für feste Arbeitsverträge. Am 15. Dezember griff die Polizei diese Bergarbeiter an und trieb ihre Versammlung auseinander.

Die Junta geht auf üble Weise gegen Studenten und Jugendliche vor und greift nun auch pseudolinke Parteien an, zum Beispiel die Jugend des 6. April und die Revolutionären Sozialisten (RS), sowie mehrere NGOs und Menschenrechtsorganisationen, die mit ihnen verbunden sind.

Am Freitag untersagte der Oberste Universitätsrat alle Studentenproteste während der Semesterprüfungen und gab bekannt, die Polizei werde in den Universitäten präsent sein, um das Verbot durchzusetzen. Im Laufe des Semesters kam es an zahlreichen ägyptischen Universitäten zu Protesten gegen die Regierung, die oft von MB-Anhängern organisiert wurden. Die Polizei hat schon zahlreiche Studenten getötet.

Am 22. Dezember wurden die Gründer der Jugendbewegung des 6. April, Ahmed Maher, Mohammed Adel und Ahmed Duma, von einem Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie gegen das Anti-Protest-Gesetz verstoßen und angeblich Polizeibeamte angegriffen hatten. Am 18. Dezember stürmten schwerbewaffnete Sicherheitskräfte die Büros des Zentrums für wirtschaftliche und soziale Rechte und verhafteten Mohammed Adel, ein weiteres führendes Mitglied der Bewegung des 6. April.

Anfang Dezember wurden angeblich auch Haftbefehle für die RS-Mitglieder Haitham Mohamadein und Sharif al-Roubi ausgestellt, einen Führer der Demokratischen Front des 6. April.

Diese Verhaftungen belegen die Untauglichkeit und den Bankrott der Politik, die die Bewegung des 6. April und die RS betrieben haben. Sie haben das Tamarod ("Rebellion")-Bündnis unterstützt und in ihm mitgearbeitet, das den Putsch vom 3. Juli mitgetragen hat. Indem sie dazu beitrugen, die Wut der Arbeitermassen auf Mursi und die MB in das Fahrwasser des Militärs zu lenken, haben sie die Machtübernahme derselben Junta mit zu verantworten, die heute gegen sie vorgeht.

Heute versuchen sie zusammen mit der islamistischen Partei für ein Starkes Ägypten eine "Front des Revolutionären Pfades" aufzubauen, die die reaktionäre Perspektive der Versöhnung zwischen der Junta und der MB propagieren. Dieses Manöver dient nur dazu, den Apparat zu stärken, der jede unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse unterdrücken soll.

Der Sprecher der Partei für ein Starkes Ägypten, Ahmed Imam, warnte davor, dass die Einstufung der MB als Terroristen "ihr und ihren Anhängern keine andere Wahl lässt, als Gewalt anzuwenden". Er beklagte, beide Seiten legten "viel Dummheit" an den Tag. Während er der MB vorwarf, sich nicht stark genug von Gewalt zu distanzieren, kritisierte er die Regierung dafür, dass sie jede Versöhnung abblocke.

Der reaktionäre Charakter des wohlbestallten Kleinbürger-Milieus zeigt sich in Ägypten am offensten an den liberalen und "linken" Organisationen, die die Junta dafür preisen, dass sie ihren Griff um das Land verstärkt. Die Tamarod-Bewegung lobte die Einstufung der MB als Terrororganisation mit den Worten: "Besser spät als nie."

Die liberale Partei freier Ägypter, die von dem milliardenschweren Unternehmer Naguib Sawiris gegründet wurde, begrüßte die "historische Entscheidung", die einer der "übelsten faschistoiden und rassistischen Gruppen" ein Ende setze.

Der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Nasseristenführer Hamdin Sabahi erklärte zynisch, "das Blut der Märtyrer von Mansura" müsse dazu auffordern, sich "auf eine gemeinsame Strategie zur Entwurzelung des Terrorismus" zu einigen.

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