Perspektive

Unruhen auf Devisenmärkten läuten neue Phase der weltweiten Wirtschaftskrise ein

Egal, welche unmittelbaren Folgen die Turbulenzen auf den Finanzsystemen der Schwellenländer haben, sie stellen einen Wendepunkt in der gesamten Weltwirtschaft dar. Die Wurzeln der Krise liegen in der Politik der "quantitativen Lockerung“ - in deren Rahmen die amerikanische Federal Reserve und andere Zentralbanken Billionen Dollar in die internationalen Finanzsysteme gepumpt haben. Diese Politik war eine Reaktion auf den Zusammenbruch von 2008, der von der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ausgelöst wurde.

Ein Großteil dieses Geldes ist in aufstrebende Märkte geflossen, um höhere Gewinne zu erzielen, da die Aktienkurse in diesen Ländern boomten und die Gewinnraten für andere Wertpapiere stiegen. Aber jetzt hat die Blase begonnen, sich zu verkleinern und das flüchtige Kapital drängt auf die Ausgänge zu, was die Währungskurse nach unten treibt.

Mehrere Zentralbanken, darunter die von Südafrika, Indien, Brasilien und der Türkei, haben die Zinssätze stark erhöht. Aber dies hat die Kapitalflucht bisher nicht gestoppt.

Neil Shearing, der führende Ökonom für Schwellenmärkte bei Capital Economics, sagte der Financial Times: "Die Tatsache, dass Währungen weiterhin auch in Ländern an Wert verlieren, die ihre Zinssätze erhöht haben, birgt die Aussicht auf eine neue, möglicherweise noch besorgniserregendere Phase der aktuellen Unruhe auf den Finanzmärkten der Schwellenländer, deren Entscheidungsträger nicht in der Lage sind, ihre Währungen zu verteidigen.

Die ersten Anzeichen für eine potenzielle Krise zeigten sich im letzten Mai und Juni, als der Vorsitzende der Fed, Ben Bernanke, andeutete, die Zentralbank werde bald beginnen, ihre Aufkäufe von hypothekengestützten Wertpapieren und amerikanischen Staatsanleihen von 85 Milliarden Dollar im Monat zu senken. Seine Kommentare führten zu Angst auf den Schwellenmärkten und das Kapital begann abzufließen.

Die Stabilität kehrte zurück, als die Fed im September wieder zu ihrer vorherigen Politik zurückkehrte. Doch mit der Entscheidung, den Aufkauf von Wertpapieren in den letzten beiden Monaten jeweils um zehn Milliarden Dollar zurückzufahren, hat sich die Kapitalflucht wieder verstärkt.

Einige Kommentatoren versuchten, das Beste aus einer schlechten Lage zu machen und behaupteten, die Unruhen an den Finanzmärkten seien die Folge von länderspezifischen Problemen, die keine globalen Auswirkungen hätten. Laut dem US-Finanzminister Jack Lew ist das Hauptproblem die schlechte Politik in einer Reihe von Ländern. "Ich möchte sagen, wir erleben viel Differenzierung auf den Märkten, und wir sehen Länder, die harte Maßnahmen getroffen haben und denen es gut geht, andere machen jedoch andere Erfahrungen.

Seine Bemerkungen erinnern an die des ehemaligen Fed-Vorsitzenden Alan Greenspan während der Asienkrise von 1997-98. Der betonte damals, die Krise gehe nicht auf die Tätigkeit des kapitalistischen "freien Marktes" zurück, sondern auf "kapitalistische Vetternwirtschaft" in Asien. Aber die Asienkrise führte 1998 zum russischen Staatsbankrott und danach zum Zusammenbruch des amerikanischen Investmentfonds Long Term Capital Management (LTCM), der von der Fed mit staatlichen Hilfsgeldern gerettet wurde. Der Niedergang von LTCM war selbst eine Vorwarnung für das, was zehn Jahre später geschehen sollte, als das gesamte amerikanische Finanzsystem pleite ging.

Die Behauptung, die aktuellen Unruhen seien das Ergebnis von "länderspezifischen" Problemen berücksichtigt nicht, dass der massive Zufluss von Kapital in Schwellenmärkte in den fünf Jahren seit der Krise von 2008 Teil einer viel breiteren Entwicklung ist.

Die weiteren Geldspritzen der Fed - mindestens eine Billion Dollar pro Jahr - in Kombination mit Zinssätzen von fast null Prozent haben eine Situation geschaffen, in der das Weltfinanzsystem an eine umgedrehte Pyramide erinnert: die Finanzanlagen nehmen im Vergleich zur Produktionsbasis der Weltwirtschaft, auf der sie letzten Endes beruhen, rapide zu.

Das bedeutet letzten Endes, dass ein großer Teil dieser Wertpapiere "toxisch" geworden ist - d.h., sie haben keinen realen Wert mehr, genau wie die Wertpapiere im Wert von mehreren hundert Milliarden Dollar, die auf Subprime-Immobiliendarlehen basierten, die sich vor fünf Jahren als wertlos erwiesen. Mit anderen Worten, die aktuelle Unruhe ist ein erstes Warnsignal für eine neue Finanzkrise, die möglicherweise noch verheerender sein wird als die von 2008.

Das lässt sich an Zahlen über das Ausmaß der Bewegungen des flüchtigen Finanzkapitals in der letzten Zeit ablesen. Laut dem Institute for International Finance haben die Schwellenmärkte seit 2005 etwa sieben Billionen Dollar Kapital angezogen, das in eine Mischung aus Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, Fusionen und Aufkäufe, Aktien und Anleihen investiert wurde. JPMorgan Chase rechnet damit, dass die ausstehenden Anleihen von Schwellenmärkten heute zehn Billionen Dollar wert sind, 1993 waren es noch 422 Milliarden.

Abgesehen von der Kapitalflucht, die die Ankündigung der Fed ausgelöst hat, ihre Aufkäufe zu verringern, wird die Krise auch durch die Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums verstärkt. Laut einer Umfrage, die diese Woche veröffentlicht wurde, haben chinesische Produktionsbetriebe so viele Arbeitsplätze abgebaut wie noch nie seit März 2009, dem Tiefpunkt des Abschwungs durch die globale Finanzkrise.

Das chinesische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wird laut Prognosen das niedrigste seit mehr als zwanzig Jahren sein, und die Sorge um die Stabilität des Finanzsystems des Landes wächst. Diese Woche musste der 500 Millionen Dollar schwere China Credit Trust vor einem drohenden Konkurs gerettet werden, nachdem er in ein Finanzprodukt investiert hatte, das mit Darlehen an ein pleite gegangenes Bergbauunternehmen finanziert wurde. Der China Credit Trust ist Teil des Schattenbanksystems, das in China vermutlich ein Drittel aller neuen Kredite an die Wirtschaft vergibt.

Die Krise der Schwellenmärkte hat bereits deutliche Differenzen in der G-20-Gruppe der führenden Wirtschaftsmächte offengelegt, die im Jahr 2009 und 2010 eine Reihe von Krisengipfeln abhielten, um die internationale Politik zu koordinieren. Nach der Entscheidung der Fed am letzten Mittwoch war keine Rede von den Auswirkungen einer weiteren Verringerung der Wertpapieraufkäufe auf den Rest der Welt; der Gouverneur der indischen Zentralbank Raghuram Rajan erklärte jedoch, die Schwellenmärkte hätten geholfen, die Welt aus der Finanzkrise zu holen und sollten jetzt nicht ignoriert werden.

Er sagte: "Die internationale Zusammenarbeit in Finanzfragen ist zusammengebrochen." Die Industrienationen müssten sich daran beteiligen, sie wiederherzustellen und, "das können sie momentan nicht, indem sie sich heraushalten und sagen: 'Wir tun was wir tun müssen, ihr müsst euch danach richten'." Er warnte, wenn die Industrienationen darauf bestünden, dass es die Entwicklungsländer alleine durchstehen, dann "werden ihnen die Schritte nicht gefallen, die wir unternehmen müssen, um uns anzupassen."

Die Bedeutung dieser Bemerkung zeigt sich an der Tatsache, dass in den fünf Jahren seit dem September 2008 die Schwellenmärkte, darunter China, etwa drei Viertel des globalen Wirtschaftswachstums beigesteuert haben. In den Jahren 1997 und 1998 war das Ergebnis der Asienkrise ein Abschwung, dessen Auswirkungen auf die Region so folgenreich waren wie die Große Depression in den kapitalistischen Industrienationen. Eine Wiederholung würde für die ganze Welt eine Verschärfung der Rezession bedeuten.

Für die internationale Arbeiterklasse hat der Ausbruch dieser Krise schwerwiegende Folgen. In allen Schwellenländern werden die Zinserhöhungen und andere Maßnahmen eine verschärfte Offensive bedeuten mit der Zerstörung von Arbeitsplätzen, mit Lohnsenkungen und der Verschlechterung der sozialen Bedingungen.

Die Währungskrise zeigt wieder einmal, wie falsch die Behauptungen der herrschenden Elite und ihrer Sprachrohre sind, es fände ein "Wirtschaftsaufschwung" statt. Das globale kapitalistische System ist gescheitert. Die Politik, die einen Aufschwung herbeiführen sollte, hat nur den Reichtum der Multimillionäre und Milliardäre vergrößert und die Bedingungen für eine neue Finanzkrise geschaffen.

Die internationale Arbeiterklasse muss die Lehren aus dieser Erfahrung ziehen und darauf mit ihrem eigenen Programm reagieren: dem politischen Kampf im internationalen Maßstab für den Sturz der kapitalistischen Eliten als ersten Schritt zur Entwicklung einer sozialistischen Wirtschaft.

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