Die Ukraine und die pro-imperialistischen Intellektuellen

Der offene Brief "zur Zukunft der Ukraine," den eine Gruppe von westlichen Akademikern und außenpolitischen Verantwortlichen veröffentlicht hat, ist eine üble Verteidigung der andauernden extrem rechten Proteste, die von Washington und der Europäischen Union unterstützt werden. Er verbreitet die alte Lüge, die Politik der USA und der EU sei nur von selbstloser Liebe für Demokratie und Menschenrechte bestimmt. Diese Lüge wird seit der Auflösung der UdSSR vor fast einem Vierteljahrhundert in imperialistischen Kriegen und Interventionen in Osteuropa verbreitet.

Darin heißt es: "Die Zukunft der Ukraine hängt vor allem von den Ukrainern selbst ab. Während der Orangenen Revolution vor zehn Jahren ist die ukrainische Gesellschaft für Demokratie eingetreten und hat den Kampf um eine würdige Zukunft aufgenommen. Heute verteidigt sie die gleichen Werte. Während die Europäer von der Idee eines gemeinsamen Europas zunehmend enttäuscht sind, kämpfen die Ukrainer für die europäischen Ideen und die eigene Zukunft in Europa. Die Ukraine vor den autoritären Ambitionen ihrer korrumpierten Anführer zu schützen, ist im Interesse der demokratischen Welt."

Die Identität der lokalen Stellvertreter der imperialistischen Mächte widerlegt die Behauptungen des offenen Briefes, die imperialistischen Mächte kämpften für Demokratie. Sie stützen sich auf eine Kerntruppe von ein paar tausend faschistischen Schlägern der Organisation Rechter Sektor und der Partei Swoboda; diese sollen durch Straßenproteste das ukrainische Regime stürzen und es durch eine Pro-EU-Regierung ersetzen, die Moskau gegenüber feindlich eingestellt ist und brutale Sparmaßnahmen durchsetzen würde.

Im November rückte der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch von Plänen ab, die Ukraine in die EU zu integrieren und Sozialkürzungen in zweistelliger Milliardenhöhe gegen die Arbeiter durchzusetzen, um die Schulden der Ukraine bei den großen Banken zahlen zu können. Angesichts drohender Massenproteste akzeptierte er stattdessen ein Rettungspaket Russlands. Die rechte Opposition verdoppelte ihre Anstrengungen, während im ukrainisch- und im russischsprachigen Teil des Landes jeweils Proteste gegen die Regierung bzw. gegen die Opposition zunahmen.

Während der Ukraine durch die Intervention der EU ein gesellschaftlicher Zusammenbruch und ein Bürgerkrieg droht, stellt der offene Brief die Realität auf den Kopf und stellt die Entwicklungen in der Ukraine als Bedrohung für die EU dar: "Es ist noch nicht zu spät, um die politischen Prozesse in der Ukraine positiv zu beeinflussen und zu verhindern, dass das Land zu einer Diktatur wird. Unsere Passivität angesichts des Versuchs, in der Ukraine eine autoritäre Herrschaft einzuführen und sie wieder in den Bannkreis der imperialen Interessen Russlands geraten zu lassen, bedroht die Europäische Union. Dies bedeutet eine Bedrohung nicht nur für ihre moralische, sondern wahrscheinlich auch für ihre innere, institutionelle Integrität.“

Tatsächlich drohen weder die Ukraine noch Russland, die EU anzugreifen. Es ist die Ukraine mit ihrem Netzwerk von Energiepipelines, strategisch wichtigen Militärbasen und ihrer Schwerindustrie, die dem amerikanischen und europäischen Imperialismus als Belohnung für ein aggressives Vorgehen bei der Plünderung der Region und der Konfrontation mit Russland winkt. Während der amerikanische und europäische Imperialismus damit droht, Moskaus wichtigste Verbündete im Nahen Osten, Syrien und den Iran, anzugreifen, drohen sie Russlands wichtigstem osteuropäischem Verbündeten, der Ukraine, mit Regimewechsel oder Teilung.

Die Bestrebungen, die unangefochtene imperialistische Vorherrschaft über Osteuropa aufzubauen, die nach der Wiedereinführung des Kapitalismus mit den Nato-Interventionen und Kriegen in Jugoslawien in den 1990ern begannen, sind in einem fortgeschrittenen Stadium. Die nächste Kampagne für Regimewechsel und ethnische Teilung in Russland wird schon vorbereitet. Washington studiert eine ganze Reihe von ethnischen Gruppen - unter anderem Tschetschenen, Tataren und Kirkasier -, deren Unzufriedenheit mit Moskau ausgenutzt werden kann.

In führenden westlichen Presseorganen wird dieses Thema direkt angesprochen. Die Londoner Financial Times schrieb am Sonntag: "Janukowitsch und Putin sind Herrscher von ähnlichem Typus und mit einem ähnlichen Regierungsmodell. Wenn die Ukrainer den Mann in Kiew entmachten, werden sich die Russen fragen, warum sie nicht das gleiche mit dem Mann im Kreml machen sollten."

Die Unterzeichner unterstützen durch ihre Parteinahme die Versuche der USA und der EU, Osteuropa zu dominieren. Dieses Ziel hat in der Geschichte der deutsche Imperialismus verfolgt. Berlin ist im zwanzigsten Jahrhundert zweimal in der Ukraine eingefallen, 1918 und 1941. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, dass die Handlanger des Imperialismus in der Ukraine die politischen Nachkommen der ukrainischen Faschisten sind, die als Verbündete der Nazis an der Durchführung des Holocaust in der Ukraine beteiligt waren. Ihre Politik war es, die Ukraine zu entvölkern und ihre Kolonisierung durch deutsche Siedler mittels Massenmorden vorzubereiten.

Auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz haben hohe deutsche Regierungsvertreter erklärt, Berlin plane die Beschränkungen des Einsatzes von militärischer Gewalt aufzuheben, an die sich Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehalten hat.

Die verheerenden Folgen der selbstzerstörerischen Politik der Sowjetbürokratie und der leichtfertigen Herangehensweise von Michail Gorbatschow an die Auflösung der UdSSR treten in vollem Umfang zutage. Er hielt das Konzept des Imperialismus für eine Erfindung des Marxismus.

Trotzki warnte davor, dass durch die Auflösung der UdSSR nicht nur der Kapitalismus wiederhergestellt würde, sondern dass Russland auch in ein halbkoloniales Lehen der imperialistischen Mächte verwandelt würde. Er schrieb 1929, ein kapitalistisches Russland könne nicht einmal die drittklassige Position besetzen, für die das zaristische Russland im Ersten Weltkrieg vorgesehen war. Der russische Kapitalismus wäre ein abhängiger, halbkolonialer Kapitalismus ohne Zukunftsperspektiven. Das neue Russland würde eine Position irgendwo zwischen dem alten Russland und Indien einnehmen. Das Sowjetsystem mit seiner verstaatlichten Industrie und dem Außenhandelsmonopol sei trotz aller Widersprüche und Schwierigkeiten ein System, das die wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit des Landes schütze.

Das ist die Agenda, der Imperialisten und ihrer faschistoiden Stellvertreter: Russland und die Ukraine sollen durch innere Subversion, Bürgerkrieg oder Militärinterventionen von außen wieder auf den Status von Halbkolonien herabgedrückt werden. Es werden Prozesse in Gang gesetzt, die Millionen Menschen den Tod zu bringen drohen.

Die wichtigste Aufgabe in Osteuropa ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse für den Kampf gegen imperialistischen Krieg und neokoloniale Ausbeutung. Man muss Warnungen aussprechen. Weil angesichts des Bankrotts und der Unbeliebtheit der oligarchischen Regimes in der Region ein solcher Kampf fehlt, gibt es Grund zu der Annahme, dass entschlossene faschistische Banden mit Unterstützung imperialistischer Regierungen und mit der politischen Deckung durch pro-imperialistische Akademiker und Diplomaten bestehende Regimes stürzen können.

Das zeigt die reaktionäre Rolle der Unterzeichner des offenen Briefes. Einige sind hohe Diplomaten oder "nicht-staatliche" imperialistische Außenpolitiker - wie die ehemaligen Außenminister Ana Palacio (Spanien) und Bernard Kouchner (Frankreich), oder Chris Stone und Aryeh Neier vom Open Society Institute des Milliardärs George Soros, das Beziehungen zum US-Außenministerium unterhält. Die meisten sind jedoch Akademiker und Intellektuelle, die ihren Namen hergeben, um der extrem rechten Reaktion in der Ukraine durch eine üble Kombination aus angelernter Ignoranz und historischer Blindheit Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Um einige der Namen auf der Liste der Unterzeichner kann es einem leid tun - wie dem von Fritz Stern, einem Historiker, der früher in der Lage war, ernsthaft über historische Fragen zu schreiben.

Andere Namen, wie der des postmodernistischen Scharlatans Slavoj Zizek, sind keine Überraschung. Sie bestätigen nur, dass gut gestellte Teile des Kleinbürgertums an der imperialistischen Plünderung beteiligt sind, und demonstrieren die reaktionäre Rolle des pseudolinken Denkens bei der Ausbildung von Sprachrohren des Imperialismus.

Nachdem an Universitäten und in den Medien jahrzehntelang ein intellektueller Krieg gegen den Marxismus geführt wurde, ist das kulturelle Leben in einem desaströsen Zustand. Diese Schichten lehnen das marxistische Konzept des Imperialismus und die Vorstellung, dass materielle Interessen seine Politik antreiben, ab und sind von den Verbrechen des Imperialismus unbeeindruckt: von der Zerstörung Falludschas während der amerikanischen Besetzung des Irak oder den Drohnenmorden in Afghanistan. Allerdings werden ihre Federn aktiv, wenn EU-Politiker sich als moralische Instanzen inszenieren, indem sie Regimes verurteilen, die ins Fadenkreuz imperialistischer Interventionen geraten sind. Sie lassen sich sogar für Faschisten einspannen und verbreiten lediglich etwas nichtssagendes Gerede über Menschenrechte.

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