Europawahl-Kampagne der Partei für Soziale Gleichheit findet Resonanz in Nordrhein-Westfalen

Die Europawahlkampagne der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) stößt in Nordrhein-Westfalen auf große Unterstützung. In den vergangenen Wochen haben dort über 900 Wahlberechtigte die Wahlzulassung der PSG mit ihrer Unterschrift unterstützt.

Mitglieder und Unterstützer der PSG sammelten in Bielefeld, Köln, Dortmund, Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Oberhausen und Duisburg Unterschriften und diskutierten den gemeinsamen Wahlaufruf der PSG und der britischen Socialist Equality Party.

Die PSG und die SEP verfolgen, wie es darin heißt, „das Ziel, die arbeitende Bevölkerung in ganz Europa im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zu vereinen, die auf dem Grundsatz der sozialen Gleichheit statt auf der Bereicherung einiger Weniger auf Kosten der großen Mehrheit beruht.“

Zahlreiche Diskussionen vor den Arbeitsämtern, Jobcentern, in den Innenstädten und Stadtteilen drehten sich um die brutalen Spardiktate, die die EU und die deutsche Regierung erzwingen, und um das Wiederaufleben des deutschen Militarismus. Viele, die den Wahlvorschlag der PSG durch ihre Unterschrift unterstützten, waren selbst von Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Niedriglöhnen und Armut betroffen.

Vor dem Jobcenter in Duisburg Anfang letzter Woche war die angespannte soziale Lage sowie die Wut und teilweise Verzweiflung Betroffener mit Händen zu greifen. Bereits bevor das Jobcenter um 8 Uhr morgens öffnet, warteten viele vor den verschlossenen Türen, um rechtzeitig zu ihrem Termin zu kommen.

Zu spätes Erscheinen oder ein verpasster Termin kann im Rahmen der Hartz-Gesetze mit Sanktionen, das heißt der Kürzung oder sogar Streichung von Unterstützungsleistungen bestraft werden. Rechtzeitig da zu sein, bedeutet aber nicht unbedingt, dass man pünktlich an die Reihe kommt. In den Jobcentern gibt es weitere Warteschlangen, so dass manche erst nach zwei Stunden wieder herauskommen.

Einige eilen auch weg, um kurze Zeit später wieder zu kommen, weil Mitarbeiter des Jobcenters weitere Unterlagen verlangt haben, bevor sie überhaupt einen Antrag für Unterstützungsleistungen bearbeiten, geschweige denn bewilligen.

Viele der Angesprochenen beklagen sich über die Hinhaltetaktik und Schikanen des Jobcenters. Einige haben über Wochen kein Geld erhalten, obwohl sie alle Unterlagen beigebracht haben. Manche Betroffene sind Frauen und Familien, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren oder notwendige Hygieneartikel wie Windeln kaufen sollen. Einer erzählt, er habe sich aus Geldmangel wichtige Medikamente nicht kaufen können. Sein Gesundheitszustand habe sich dadurch weiter verschlechterte.

Einige, die unterzeichnen, haben zwar Arbeit, aber die Bezahlung oder Arbeitszeit reicht nicht aus, um über die Runden zu kommen. Eine Frau erzählt, dass sie seit Jahren nur einen 20-Stunden-Vertrag habe, obwohl sie eigentlich Vollzeit arbeiten wolle. Da das Geld nicht zum Leben reiche, müsse sie mit Hartz IV aufstocken. Um die notwendigen Unterstützungsleistungen zu erhalten, müsse sie jeden Monat mit ihrem Arbeitsvertrag und anderen Unterlagen beim Jobcenter vorbeikommen. Bis vor einigen Jahren habe man diese Unterlagen nur einmal im Jahr vorlegen müssen.

Ein älterer Arbeiter leistet die Unterschrift und fordert auch seinen Sohn und dessen Freund auf, zu unterschreiben, weil es Zeit sei, „etwas gegen die da oben zu unternehmen“. Er berichtete, dass er durch die Stilllegung des TSTG-Schienenwerks in Duisburg Ende letzten Jahres arbeitslos geworden sei.

TSTG hatte ursprünglich zu ThyssenKrupp gehört, war vor einigen Jahren an den österreichischen Stahlkonzern Voestalpine verkauft worden und wird von diesem jetzt geschlossen. Betriebsrat und IG Metall haben zahlreiche fruchtlose Appelle an die Politik gerichtet, um die Werksschließung zu verhindern, sich aber geweigert, Kampfmaßnahmen zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu organisieren oder an die Arbeiter von ThyssenKrupp Steel zu appellieren, die in unmittelbarer Nachbarschaft ebenfalls von scharfen Kürzungs- und Arbeitsplatz-Abbauprogrammen betroffen sind.

Der Arbeiter berichtet, dass ihm nur neun Monate zum Sozialplan gefehlt haben. Jetzt müsse er sich mit der Zeitarbeitsfirma PEAG und dem Jobcenter herumschlagen, obwohl er sein ganzes Leben gearbeitet habe und nie arbeitslos gewesen sei.

Bevor er zu TSTG kam, hatte er im Krupp-Stahlwerk in Duisburg-Rheinhausen gearbeitet, das 1988 geschlossen wurde, nachdem die IG Metall und die SPD-Landesregierung einen wochenlangen Arbeitskampf ausverkauft hatten. Tausende Stahlarbeiter und Arbeiter aus der Zulieferindustrie verloren damals ihren Arbeitsplatz.

Die Stilllegung von Krupp in Duisburg-Rheinhausen und zahlreicher weiterer Betriebe im Ruhrgebiet haben maßgeblich zu der hohen Arbeitslosigkeit und weit verbreiteten Armut in der Region beigetragen.

So lag die Arbeitslosenquote in Dortmund und Duisburg Ende 2013 bei jeweils 12,5 Prozent, in Essen und Oberhausen bei 12,1 Prozent und in Gelsenkirchen sogar bei 15 Prozent.

Laut einer Studie der Universität Duisburg-Essen, die Ende Januar veröffentlicht wurde, waren Ende 2013 zwei Drittel aller Arbeitslosen auf Hartz IV angewiesen. Nur noch jeder dritte Arbeitslose erhielt das reguläre Arbeitslosengeld I.

Bundesweit ist der Anteil der Hartz IV-Bezieher unter den Arbeitslosen seit 2005 von 57 auf 67 Prozent gestiegen. In Nordrhein-Westfalen beträgt dieser Anteil 73 Prozent und in sechs Kommunen sogar über 80 Prozent: Oberhausen (84,2), Gelsenkirchen (83,7), Essen (82,1), Dortmund (81,8), Herne (80,4) und Duisburg (80,3).

„Über das Arbeitslosengeld abgesichert zu sein, ist damit eher zur Ausnahme geworden, obwohl es eine Versicherungsleistung ist, für die man Beiträge gezahlt hat“, erläutert der Soziologe Gerhard Bäcker die Ergebnisse der Studie. Stattdessen sei es die Regel, dass Betroffene das fürsorgeartige, bedürftigkeitsgeprüfte Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhielten und durch die Jobcenter betreut würden.

Auch bei allen anderen Indikatoren über Armut und Arbeitslosigkeit nimmt das Ruhrgebiet einen Spitzenplatz ein. So ergab eine Studie des Unternehmens Creditreform vom Januar dieses Jahres, dass Duisburg unter den Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern vor Dortmund, Berlin, Leipzig, Essen und Bremen einen Spitzenplatz bei der privaten Verschuldung einnimmt. In Duisburg waren zum Jahreswechsel 62.630 Menschen, das sind 15,4 Prozent der Einwohner, überschuldet. In manchen Stadtteilen ist jeder Dritte oder Vierte überschuldet.

Die Lage in den Jobcentern Duisburgs hat sich aufgrund der brutalen Haushaltssanierungspolitik des rot-rot-grünen Stadtrats zusätzlich verschärft. Seit Monaten ist mehr als jede zehnte Stelle von den 740 Vollzeitjobs in den sieben Jobcentern der Stadt unbesetzt. Verkürzte Öffnungszeiten (seit Dezember letzten Jahres nur noch von 8 bis 11 Uhr statt von 8 bis 12 Uhr), Berge an unbearbeiteten Anträgen, ausbleibende Zahlungen an Hartz-IV-Empfänger – wie zahlreiche Betroffene an den Jobcentern berichteten – sind die Folge.

Am 9. Dezember letzten Jahres demonstrierten Beschäftigte des Jobcenters in der Mittagspause vor dem Duisburger Rathaus, um gegen diese unhaltbare Situation zu protestieren. Auch viele Beschäftigte im Jobcenter haben nur befristete Arbeitsverträge. Dazu kommt der Frust im Job. Der Aktenberg von arbeitslosen Duisburgern, die auf Zuschüsse für Miete, Heizung und Nahverkehrstickets warten, wird täglich höher.

„In nur sechs Monaten hat sich die Zahl von Leistungen, mit denen wir im Rückstand sind, verzehnfacht“, sagte Marcus Sopke, Vorsitzender des Personalrats im Jobcenter, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) im Dezember. Die Stadt Duisburg, die für 309 der Planstellen in den Duisburger Jobcentern verantwortlich ist, hat 76 davon einfach nicht besetzt.

Ein weiteres Problem ist die hohe Zahl der befristeten Stellen. Jeder achte Beschäftigte hat nur einen Zeitvertrag. Durch die damit verbundenen Fluktuation und immer neuen Einarbeitungszeiten wächst die Arbeit zusätzlich und die Leistungsempfänger tragen die Folgen in Form längerer Wartezeiten und ständig wechselnder Betreuer. Einige Betroffene bestätigten einen Bericht der WAZ, dass wegen verspäteten Überweisungen des Jobcenters ihre Wohnung gekündigt worden sei oder sie zugesagte Wohnungen wieder verloren hätten, weil die Kaution nicht rechtzeitig überwiesen wurde.

Am Mittwoch letzter Woche wurde bekannt, dass die Stadt Duisburg bei den Jobcentern 32 Vollzeitbeschäftigte und 25 Auszubildende einstellen wolle. Das ist weniger als die Hälfte der unbesetzten Planstellen. Außerdem sollen sie nur auf zwei Jahre befristete Stellen erhalten.

Da der von SPD, Linken und Grünen geführte Duisburger Stadtrat im letzten Jahr beschlossen hat, bis 2021 640 Verwaltungsstellen zu streichen, müssen die zusätzlichen Stellen beim Jobcenter an anderer Stelle eingespart werden. Betroffen sind unter anderem Sozialvereine und Initiativen, die ihre Arbeit mit Unterstützung von Zwei-Euro-Jobbern leisten.

So haben mehrere Sozialvereine vor kurzem die schriftliche Mitteilung erhalten, das Duisburger Jobcenter streiche zum 1. März einen Großteil der Zwei-Euro-Jobs im Stadtgebiet. Rolf Karling vom Verein „Bürger für Bürger“ aus Duisburg-Rheinhausen sagte dazu: „15 Mitarbeiter, allesamt über 50-Jährige, die auch aufgrund von Erkrankungen nicht mehr für den Arbeitsmarkt vermittelbar sind, wurden meinem Verein ersatzlos gestrichen.“

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