Osteuropäische Staaten fordern schärferes Vorgehen gegen Russland

Die osteuropäischen Regierungen haben den rechten, von den USA und der EU initiierten Putsch in der Ukraine vorbehaltlos unterstützt und fordern nun ein schärferes militärisches Vorgehen gegen Russland. Vor allem die baltischen Staaten und Polen verlangen eine größere Militärpräsenz der Nato und liefern so das Stichwort für eine massive Aufrüstung des westlichen Militärbündnisses an der Grenze zu Russland.

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite hatte schon Anfang März auf einem Sondergipfel der EU geklagt, sie sehe keine rasche Reaktion Europas. „Europa versteht immer noch nicht, was passiert. Wir müssen verstehen, dass Russland gefährlich ist“, sagte sie.

Nach Ausbruch der Krise um die Schwarzmeer-Halbinsel Krim beriefen Lettland, Litauen und Estland ihre Nationalen Sicherheitsräte ein. Sie verurteilten das Vorgehen Moskaus und warfen den Westmächten vor, sie reagierten „zu zögerlich“, „zu feige“ und „zu langsam“.

Lettland hat seine militärische Zusammenarbeit mit Russland beendet und die USA haben auf Bitte aller drei baltischen Staaten auf dem litauischen Militärflugplatz Zokniai zusätzliche Kampfjets zur Sicherung des baltischen Luftraums stationiert.

Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski forderte wegen des russischen Eingreifens in der Ukraine „Konsultationen gemäß Artikel 4 des Nato-Vertrages“. Dieser schreibt Konsultationen vor, wenn nach Auffassung eines Mitglieds „die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist“. Russland habe zweifellos das Völkerrecht gebrochen, sagte Komorowski.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, beschleunigt die Regierung in Warschau die Errichtung des geplanten Raketenabwehrschilds. Der Sprecher des polnischen Verteidigungsministeriums Jacek Sonta kündigte am Donnerstag an, die Vertragsabschlüsse für den Bau des Systems würden bereits in den nächsten Wochen stattfinden, und nicht wie geplant erst im Juni.

Polen ist seit 1999 Nato-Mitglied und verfügt über eine 500 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine. Das Pentagon hat F-16-Kampfflugzeuge und 200 Angehörige ihrer Luftstreitkräfte vom Stützpunkt Aviano in Italien nach Polen verlegt. Das Ziel des Einsatzes besteht nach amerikanischen Angaben unter anderem darin, das Zusammenspiel mit der polnischen Luftwaffe einzuüben.

Auch in Litauen haben die USA ihre Präsenz mit zusätzlichen sechs Kampfflugzeugen des Typs F-15C verstärkt. Sie sollen laut offiziellen Angaben die Sicherung und Überwachung des Luftraums über dem Baltikum verbessern.

Der stellvertretende amerikanische Sicherheitsberater Ben Rhodes hat die europäischen NATO-Mächte aufgefordert, sich stärker am Ausbau der Militärpräsenz in der Region zu beteiligen. Dänemark hat darauf bereits reagiert. Außenminister Martin Lidegaard kündigte vergangene Woche die Verlegung von sechs Kampfflugzeugen vom Typ F-16 nach Lettland, Litauen und Estland an. Vom 1. Mai an sollen sie sich an den Patrouillen beteiligen, sagte er.

Eine Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums kündigte an, sobald eine politische Entscheidung vorliege, „könne sich die Bundeswehr an Flügen zur Luftraumüberwachung mit AWACS-Maschinen über Rumänien und Polen sowie an Trainingsflügen im Rahmen des Air Policing über den baltischen Staaten beteiligen“. Laut einem Bricht des Spiegel ist das Verteidigungsministerium bereit, sechs Bundeswehr-Maschinen für eine verstärkte Luftraum-Überwachung im Baltikum zur Verfügung zu stellen.

Auch andere osteuropäische Länder unterstützen den Konfrontationskurs gegen Russland. Die sozialdemokratisch geführte Regierung in Prag verurteilte die „schleichende Besetzung“ der Krim als einen Akt der Aggression. Regierungsvertreter erklärten, das Vorgehen Russlands erinnere an den Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag 1968. Der russische Botschafter wurde ins Außenamt zitiert, und auch hier trat der nationale Sicherheitsrat zusammen.

Der slowakische Regierungschef Robert Fico kritisierte den russischen „Bruch des Völkerrechts“ und betonte mehrfach, sein Land werde alle Maßnahmen der EU gegen Russland mittragen. Auch an einer OSZE-Inspektionsgruppe in der Ukraine beteiligt sich die Slowakei.

Der bulgarische Staatschef Rossen Plewneliew verurteilte Russland und seine „Anwendung militärischer Gewalt zur Okkupation von fremden Staatsgebieten“.

Die rumänische Regierung erklärte ihre Bereitschaft, alle Sanktionen der EU gegen Russland zu unterstützen. Mit der rechten Übergangsregierung in Kiew unterzeichnete sie einen Vertrag über militärische Zusammenarbeit. Mit ihrer ausdrücklichen Unterstützung führt die Nato von rumänischem Stützpunkten aus regelmäßige Aufklärungsflüge durch.

Rumänien ist direkt in den Konflikt um Transnistrien verwickelt. Dieser schmale, 200 Kilometer lange Landstreifen am östlichen Ufer des Flusses Dnister hatte sich 1990 von Moldawien abgespalten, als dieses unter Führung rechter, chauvinistischer Kräfte die Loslösung von der Sowjetunion beschloss. Vor allem Industriearbeiter im Osten des Landes hatten sich diesem Schritt widersetzt. In Transnistrien befinden sich zwei Drittel der Industrieproduktion Moldawiens. Seine Einwohner sind mehrheitlich russisch.

Bis zum Frühjahr 1992 wuchs sich der Konflikt zu einem regelrechten Krieg aus, bei dem über tausend Menschen ihr Leben verloren. Seither ist Transnistrien faktisch unabhängig, völkerrechtlich allerdings nicht anerkannt. Es steht unter dem Schutz russischer Truppen, während Moldawien enge Beziehungen zu Rumänien unterhält.

Mit der Krim-Krise hat sich auch der Transnistrien-Konflikt wieder zugespitzt. Die Westmächte und die Regierungen der Ukraine und Moldawiens beschuldigen Russland, es wolle Transnistrien annektieren. So behauptete der Vorsitzende des US-Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, Mike Rogers, Putins nächstes Ziel werde die Republik Moldau sein.

Russland seinerseits beschuldigt die Regierungen Moldawiens und der Ukraine, sie hätten eine Blockade über Transnistrien verhängt, das zwischen den beiden Ländern eingeklemmt ist, und würden dabei von den USA und der Europäischen Union unterstützt. „Mit ihren empörenden Handlungen versuchen sie, Tiraspol in eine aussichtslose Situation zu versetzen. Dabei verstoßen sie gegen Verpflichtungen, die den Einwohnern von Transnistrien Freizügigkeit und ungehinderte ökonomische Aktivitäten ermöglichen sollen“ sagte Außenminister Sergej Lawrow im russischen Fernsehen.

Bei seinem offiziellen Besuch in Washington sicherten die USA dem moldawischen Ministerpräsidenten Iurie Leanca ihre Unterstützung zu. Präsident Barack Obama versicherte ihm: „Ich fühle mit Ihnen – Sie haben meine Unterstützung“, und betonte, die USA würden nichts unversucht lassen, um die Lage in der Region zu stabilisieren. Gleichzeitig sicherte US-Außenminister John Kerry der moldawischen Regierung Wirtschaftshilfe zu.

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