Südafrika

Lonmins Versuch scheitert, den 16wöchigen Streik der Platinarbeiter zu beenden

70.000 streikende Arbeiter der Platinminen, Mitglieder der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU), setzten sich über das ihnen vom Bergbauunternehmen Lonmin per SMS gestellte Ultimatum hinweg, spätestens am 14. Mai die Arbeit wieder aufzunehmen.

Die Arbeiter der Minen von Anglo American Platinum (Amplats), Impala Platinum (Implats) und Lonmin streiken seit dem 23. Januar für Grundeinstiegsgehälter von 12.500 Rand (870 €).

Am Tag der Deadline brachte Lonmin Streikbrecher unter Polizeischutz mit Bussen zur Arbeit in die Marikana Mine. Die Anzahl der Streikbrecher war trotzdem ausgesprochen gering, was Sue Vey, die Sprecherin von Lonmin, zu der Aussage veranlasste: “Wir werden keine Angaben über die genaue Anzahl derjenigen machen, die zur Arbeit zurückkehren, denn würde zur Gewalt anstacheln”.

Währenddessen lehnten es geschätzte 5.000 Mitglieder der AMCU, die sich im Wonderkop Stadion in Marikana versammelt hatten, ab, zur Arbeit zurückzukehren. Sie hörten Ansprachen vom Präsidenten der AMCU, Joseph Mathunjwa, und von James Nichol, dem Vertreter der AMCU in der in Marikana gebildeten Untersuchungskommission, die den Tod von 44 Menschen in der Bergarbeiterstadt untersuchen soll, von denen 34 von der Polizei erschossen wurden.

Mathunjwa machte sich über die Versuche der Arbeitgeber lustig, die Arbeiter per SMS zum Streikbruch zu veranlassen und erklärte, dass Lonmin und die Regierung “miteinander im Bett” lägen. Indem er sich den Entbehrungen zuwandte, die den Arbeitern und ihren Familien bevorstehen, sagte er: “Ja, es ist schwierig. Aber lasst uns gegenseitig an der Hand nehmen und stark bleiben. Vorwärts!”.

Im Stadion gab Mathunjwa eine ganz andere Figur ab als den Bürokraten der oberen Mittelklasse, der zuvor mit dem Mail & Guardian gesprochen hatte. In seinen Bemerkungen gegenüber der Zeitung in den Tagen vor Erreichen der Deadline warnte er vor einer Wiederholung des Polizeimassakers vom August 2012. “Ich habe [die Mineneigentümer] ermahnt, dass das, was sie jetzt tun, eine Wiederholung von 2012 ist... Ich mache mir große Sorgen”, warnte er. “Man sollte aus der Geschichte lernen”.

In seinen Kommentaren gegenüber der South African Broadcasting Corporation machte Mathunjwa den Eindruck eines Mannes, der sich seiner Überforderung bewusst ist. Er behauptete gereizt, er könne nicht für gewaltsame Vorkommnisse im Rahmen des beispiellosen 16-wöchigen Streiks verantwortlich gemacht werden.

Während er sprach, erhielt die starke Polizeipräsenz bei den Minen in der Nähe von Rustenberg Unterstützung durch private Sicherheitsdienste. Die Verstärkung traf ein, nachdem es am Wochenende vor dem Erreichen der Deadline, die das Management von Lonmin über den Kopf von Mathunjwa hinweg für die Rückkehr der Beschäftigten zur Arbeit gesetzt hatte, zu Todesopfern gekommen war.

Der Business Day zufolge bestätigten Lonmin und die Polizei den Tod eines Streikbrechers, der auf dem Weg zur Arbeit im Schacht des Unternehmens in Saffy am 12. Mai getötet worden war. Bei mehr als 20 Vorfällen, die sich in den Tagen vor Erreichen der von Lonmin gesetzten Deadline zutrugen, wurden weitere sechs Streikbrecher angegriffen, von denen einer zusammen mit seiner Freundin erwürgt und ein weiterer verbrannt wurde.

Die Spannungen wurden durch das Vorgehen der Unternehmer verstärkt, die den Arbeitern unter Umgehung der AMCU-Bürokratie direkte Tarifangebote machen wollten. Die Unternehmen entsandten Teams zu den ländlichen Gegenden, aus denen ihre Arbeiter stammen, und wandten sich zudem per SMS an diese. Lonmin benutzte die SMS-Dienste auch für eine kurze Umfrage, die nach ihren Behauptungen den Wunsch einer Mehrheit der Arbeiter zum Ausdruck brachte, die Arbeit wieder aufzunehmen.

Bergarbeiter und Bewohner der Region Marikana sind über die SMS-Nachrichten erzürnt. Sie sehen die Kampagne als das an, was sie ist: einen ausgeklügelten Versuch, die Arbeiter zu spalten. Im Dorf Bapong forderten Einwohner ihre Führer am 13. Mai dazu auf, dies den Bergbaumanagern in Marikana vorzuhalten.

Die AMCU beantragte am letzten Montag beim Arbeitsgericht in Johannesburg eine einstweilige Verfügung, mit der es den Minenunternehmen untersagt werden soll, den Arbeitern unmittelbar Tarifangebote zu übermitteln. Die Gewerkschaft sieht darin einen Verstoß gegen die Regeln des Arbeitsverfassungsgesetzes.

In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten die Unternehmen, sie würden vor Gericht um eine Billigung ihrer Anstrengungen ersuchen, die Arbeiter direkt zu erreichen, nachdem sich die Verhandlungen in einer Sackgasse befänden. In der Erklärung wird die Ansicht der AMCU zurückgewiesen, man habe das Gesetz, Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung oder die verfassungsmäßigen Rechte der Arbeiter verletzt.

Nachdem sie mit ihren Versuchen, den Streik zu Fall zu bringen, gescheitert sind, erwägen die Arbeitgeber nunmehr die Einleitung gerichtlicher Schritte gegen die AMCU. Das Parlament beriet über eine Ergänzung des Arbeitsverfassungsgesetzes, die den Arbeitgebern die Möglichkeit verschaffen würde, die Weiterführung eines laufenden Streiks im Falle der Ausübung von Gewalt zu untersagen. Nachdem die Gewerkschaften Kritik daran geübt hatten, wurde die Klausel schließlich im Februar durch einen Parlamentsausschuss aus dem Gesetzesvorhaben gestrichen.

Nach dem gegenwärtigen Stand gehen Rechtsexperten einmütig davon aus, dass die Arbeitgeber nichts von einem solchen Vorstoß hätten. Business Day zitierte Halton Cheadle, Juraprofessor an der Universität Kapstadt, mit den Worten: “Es gibt keine Möglichkeit, über das Arbeitsverfassungsgesetz mit der Begründung der Gewaltausübung einen Streik zu untersagen oder seinen [gesetzlichen] Schutz aufzuheben”.

Die ANC-Regierung wird unter zunehmenden Druck seitens des nationalen und des internationalen Kapitals geraten, andere Wege zu finden, den Streik zu beenden, einschließlich eines weiteren gewaltsamen Vorgehens.

Bis jetzt hält sich die Regierung allerdings auf Abstand.

Das Büro von Vizepräsident Kgalema Motlanthe gab über seinen Sprecher Thabo Masebe folgende Stellungahme ab: “Der Streik ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung zwischen Arbeitern ... und den Platinproduzenten. Die Regierung hat nicht die Macht, zugunsten einer Seite und zum Nachteil der anderen zu intervenieren”.

Motlanthe, ein ehemaliger Bürokrat der National Union of Mineworkers, wurde im vergangenen Jahr von Präsident Jacob Zuma zum Vorsitzenden einer Arbeitsgruppe ernannt, die nach dem Massaker von Marikana wieder für Frieden und Stabilität im Bergbausektor sorgen soll.

Der ANC befürchtet, dass eine direkte Intervention von seiner Seite noch größeren und entschlosseneren Widerstand erzeugen könnte.

In dieser Woche schränkte Präsident Jacob Zuma den ohnehin schon begrenzten Aufgabenbereich der zur Untersuchung des Massakers von Marinka eingesetzten Farlam-Kommission weiter ein. Eine im Regierungsblatt am 5. Mai verkündete Gesetzesänderung streicht den Paragraphen 1.5.

Dies führt dazu, das die zweite Vefahrensstufe der Marikana-Kommission entfällt, die seit Anfang April parallel zur ersten Stufe abläuft. Die neue Phase sollte in einer Reihe von öffentlichen Seminaren die Meinung von Wissenschaftlern, Industrieexperten und anderen über die eigentlichen Ursachen der Gewalt berücksichtigen. Damit wäre notwendigerweise ein größeres Augenmerk auf politische Akteure wie den Polizeiminister Nathi Mthethwa, die Ministerin für Bodenschätze Susan Shabangu und den stellvertretenden Vorsitzenden des ANC, Cyril Ramaphosa, gefallen, der als Zumas Vizepräsident in der kommenden Regierung gehandelt wird.

Das Institut für Soziökonomische Rechte Südafrikas hatte im Namen der gestorbenen Bergleute die Sorge zum Ausdruck gebraht, das Trio, das die Schuld für die Massentötung trägt, könne wegen der Entfernung von Paragraph 1.5 von einer Zeugenvernehmung ausgeschlossen sein.

Schon vor der neuen Einschränkung war der Aufgabenbereich der Kommission in einer Weise festgelegt, die sicherstellte, dass sich die Untersuchung so weit wie möglich ausschließlich auf die Polizei und ihre Opfer richten sollte. Damit sollte der politische Ursprung des Massakers übertüncht werden, der innerhalb der ANC-Regierung zu suchen ist. Sie hatte eine paramilitärische Einheit mit der Absicht entsandt, Arbeiter zu töten, die lediglich Stöcke und Speere mit sich führten.

Julius Malema, der Führer der Economic Freedom Fighters (EFF), rief die Arbeiter dazu auf, den Streik zu “intensivieren”. Dies führte zu einer Beschwerde der Polizei in der Provinz Nordwest, die Partei heize die Spannungen in der Platinregion an. “Die Leute sollten sehr vorsichtig mit ihren Erklärungen sein”, sagte der Polizeisprecher Thulane Ngubane. “Dieses Land ist keine Bananenrepublik”.

Die EFF, die aus der jüngsten Wahl als drittgrößte Fraktion im neuen Parlament hervorgegangen sind, beabsichtigen, durch die Einnahme einer militanten Pose breitere Schichten der Arbeiterklasse für sich zu gewinnen. Unter ihren neugewählten Abgeordneten ist Primrose Sonti, die Witwe eines Arbeiters, der 2012 beim Massaker von Marikana sein Leben verlor.

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