Israel warnt vor bevorstehender Invasion mit Bodentruppen

Israels Aufforderung vom Donnerstag an etwa 100.000 Einwohner von Städten im Gazastreifen nahe der israelischen Grenze, sofort ihre Häuser zu verlassen, ist eine deutliche Warnung vor einer bevorstehenden Invasion mit Bodentruppen in der dicht besiedelten Enklave, in der fast zwei Millionen Palästinenser leben.

Laut israelischen Medienberichten meldeten sich die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) am Donnerstag telefonisch bei den Bewohnern von mehreren Städten im Gazastreifen, unter anderem von Beit Lahia, Beit Hanun und Absan al-Saghira, und forderten sie auf, ihre Häuser zu verlassen, und sich nach Westen oder Süden zu begeben.

Da das Militärregime in Ägypten unter Führung von Abdel Fattah al-Sisi, das von den USA unterstützt wird, den einzigen möglichen Grenzübergang bei Rafah geschlossen hat und nur für Verwundete, die in einem Krankenhaus behandelt werden müssen, kurzfristig öffnet, haben die meisten Einwohner keine Möglichkeit, das Gebiet zu verlassen.

Nach viertägigen unablässigen Luftangriffen, denen bereits 89 Einwohner von Gaza zum Opfer gefallen sind, hat die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu die Einberufung von 40.000 Reservisten angeordnet. Etwa 20.000 wurden als Vorbereitung auf einen möglichen Bodenangriff bereits an der Grenze zum Gazastreifen mobilisiert.

Netanjahu erklärte nach einem Treffen mit seinem Sicherheitskabinett im Fernsehen: "Bisher verläuft die Schlacht wie geplant, aber wir können mit weiteren Stadien rechnen."

Verteidigungsminister Mosche Jaalon fügte hinzu: "Wir haben lange Tage des Kämpfens vor uns."

Israel verschärft seine Offensive mit eindeutiger Unterstützung der USA. Präsident Barack Obama bot in einem Telefonat mit Netanjahu am Donnerstagabend mehrfach an, einen Waffenstillstand auszuhandeln, betonte dabei jedoch seine Unterstützung für die Ansicht, dass Israel das Recht habe, gegen Gaza überwältigende militärische Gewalt einzusetzen, um sich angeblich zu verteidigen.

Netanjahu hat einen Waffenstillstand bereits eindeutig abgelehnt, obwohl die Führung der Hamas, der islamistischen palästinensischen Partei, die den Gazastreifen seit 2006 regiert, angeblich einen Waffenstillstand vorgeschlagen hat. Netanjahu erklärte vor dem Außen- und Verteidigungspolitischen Ausschuss der Knesset nur wenige Stunden vor seinem Gespräch mit dem US-Präsidenten, ein Waffenstillstand sei "nicht einmal geplant."

IDF-Stabschef Generalleutnant Benny Gantz billigte am Mittwoch laut IDF-Sprecher Brigadegeneral Moti Almoz alle Pläne für die Bodenoffensive.

Geheimdienstminister Juval Steinitz erklärte am Donnerstag im israelischen Rundfunk, das Militär müsse Gaza "kurzfristig, für ein paar Wochen übernehmen".

Auch die tödlichen israelischen Bombenangriffe auf die Bevölkerung von Gaza verschärften sich am Donnerstag dramatisch. IDF-Sprecher Oberstleutnant Peter Lerner erklärte stolz, die Luftangriffe hätten mehr als 320 Ziele getroffen. "Wir haben in der Nacht 322 Ziele in Gaza angeflogen, damit hat das Militär seit Beginn von Operation Protective Edge insgesamt 750 Ziele zerstört“, erklärte er vor Reportern.

Laut Vertretern des Gesundheitswesens wurden am Donnerstag in Gaza mehr als zweiundzwanzig Menschen getötet. Damit beträgt die Zahl der toten Palästinenser mindestens 89, die der Verletzten über 600. Die israelische Regierung behauptet zwar, sie würde nur Vergeltung für die Raketenangriffe der Hamas üben, allerdings sind durch diese noch keine Israelis getötet, und nur wenige leicht verletzt worden.

Laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium wurden mindestens sechzehn Menschen, darunter fünf Kinder, bei Luftangriffen getötet, die zwei nebeneinander stehende Häuser, die von der gleichen Familie bewohnt wurden, und ein Strandcafé bei Khan Junis im Süden des Gazastreifens nahe der ägyptischen Grenze zerstörten. Der 45-jährige Taxifahrer Khaled Ali sagte Reuters: "Die Juden behaupten, sie kämpfen gegen die Hamas und gegen Aufständische, aber alle Leichen, die wir im Fernsehen gesehen haben, waren von Frauen und Kindern."

Behauptungen Israels, seine Bevölkerung würde von der Hamas pausenlos mit Raketen beschossen, sind stark übertrieben. Zwei Raketen gingen in der Region um Tel Aviv auf offenem Gelände nieder, allerdings wurden keine Verletzten gemeldet. Eine weitere Rakete explodierte in der Nähe eines Hauses in Netivot, eine Frau erlitt angeblich einen Schock.

Aufgrund der rasant ansteigenden Anzahl von zivilen Todesopfern unter den Palästinensern beeilten sich wichtige Persönlichkeiten Israels, die Angriffe auf Häuser in zivilen Vierteln, die einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, zu verteidigen. Die IDF behaupten, alle zerstörten Häuser hätten Hamas-Mitgliedern gehört, die an militärischen Aktivitäten beteiligt waren. Netanjahu erklärte am Donnerstag, wenn Unschuldige getötet wurden, dann "weil sich die Hamas hinterhältig hinter palästinensischen Zivilisten versteckt."

Das Ziel einer Invasion mit Bodentruppen wäre es, hunderte von mutmaßlichen Hamas-Unterstützern zu ermorden, einen Großteil der Infrastruktur von Gaza zu zerstören und die ganze palästinensische Bevölkerung zu terrorisieren. Mustafa Berghuti, ein Mitglied der palästinensischen Regierung im Westjordanland, warnte, ein Bodenangriff könnte zu "dem blutigsten Massaker in dieser Region aller Zeiten" führen und "tausende das Leben" kosten.

Die Regierung Netanjahu setzt ihre Vorbereitung fort, im Wissen, dass die USA sie bei einer Invasion unterstützen werden. Nach Obamas Telefongespräch mit dem israelischen Premierminister deutete das Weiße Haus an, der Präsident habe Israels Bombenangriffe verteidigt und "alle Seiten" dazu aufgefordert, "alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen und die Ruhe wiederzustellen."

Auf die Frage nach der Haltung der USA zu einem Einmarsch Israels im Gazastreifen, schloss die Sprecherin des Außenministeriums, Jen Psaki einen Bodenangriff nicht aus und antwortete stattdessen, niemand würde das begrüßen. Sie erklärte: "Ich möchte Sie daran erinnern, wer hierfür verantwortlich wäre: und das ist die Hamas."

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gab im Grunde der Hamas die Schuld an einem israelischen Einmarsch. Auf einer Krisensitzung des Sicherheitsrates am Donnerstag erklärte er, eine Bodenoffensive und eine vollständige Eskalation seien nur zu verhindern, wenn die Hamas ihren Raketenbeschuss einstelle.

Während die US-Regierung in den beiden Ländern, die sie nach 2001 besetzt hatten, nämlich Afghanistan und den Irak, mit Niederlagen und dem daraus resultierenden Aufruhr in anderen Staaten des Nahen Ostens konfrontiert ist, verfolgt die israelische Regierung aggressiv ihre eigenen Interessen. Sie ist außerdem darauf erpicht, das Abkommen über eine Einheitsregierung zu sabotieren, das die Hamas im April mit ihrem Rivalen, der Fatah, im Westjordanland geschlossen hat.

Als im Juni drei israelische Jugendliche im Westjordanland verschwanden, behauptete Israel sofort, die Hamas habe sie entführt, was diese abstritt. Daraufhin begann die israelische Regierung ein militärisches Vorgehen im besetzten Gebiet, bei dem mehr als 500 Palästinenser verhaftet wurden, darunter viele Hamas-Mitglieder, und mindestens sechs Demonstranten bei Zusammenstößen wegen der gewaltsamen Razzien getötet wurden. Letzte Woche wurde ein palästinensischer Jugendlicher entführt und in Jerusalem ermordet aufgefunden. Dies führte zu weiteren Protesten der Palästinenser.

"Operation Protective Edge" ist der dritte Großangriff Israels auf den Gazastreifen seit Israel 2005 aus dem Gebiet "abgezogen" war und alle Siedlungen, die völkerrechtlich illegal waren, aufgelöst hatte. Die letzte Invasion mit Bodentruppen der IDF war Anfang 2009. Im Jahr 2012 wurde die Enklave acht Tage lang mit Raketen beschossen.

Laut Defense for Children International-Palestine wurden seit dem Jahr 2000 mehr als eintausend Kinder durch wiederholte israelische Offensiven in Gaza getötet. Außerdem kontrolliert das israelische Militär die Grenzen, den Luftraum und den Seezugang des Gazastreifens - und übt damit eine strenge Blockade des Gebiets aus, die zu immensem Elend und Armut führt.

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