Das Ukrainische Parlament billigt die Stationierung ausländischer Streitkräfte an der Absturzstelle

Nachdem vier Tage lang alle Versuche fehlgeschlagen waren, erreichte ein Kontingent von niederländischen und australischen Absturz-Ermittlern und Forensik-Experten, zusammen mit Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Absturzstelle des Flugs 17 der Malaysian Airlines in der Ost-Ukraine.

Am Donnerstag kam das Untersuchungsteam über einen Checkpoint der Rebellen auf einer Route, die in den letzten Tagen von den ukrainischen Streitkräften zurückerobert worden war, zu der Absturzstelle. Das internationale Forscherteam hat den Auftrag, die schätzungsweise achtzig restlichen Leichen der Passagiere zu bergen und darüber hinaus Beweise aus dem Wrack der Boeing 777 zu sichern, mit denen die Ursache für den Absturz der MH17 ermittelt werden kann.

Die Bemühungen des niederländischen und australischen Untersuchungsteams, zur Absturzstelle vorzudringen, waren durch heftige Kämpfe zwischen ukrainischen Streitkräften und pro-russischen Separatisten in den um das Trümmerfeld herum gelegenen Städten der Umgebung vereitelt worden. Trotz einer UN-Resolution vom 21. Juli, die die Einstellung der militärischen Aktivitäten in der Region forderte, um eine internationale Untersuchung zu ermöglichen, hatten die von den USA unterstützte ukrainische Regierung und ihre Streitkräfte den Zugang zu der Absturzstelle blockiert, indem sie eine Offensive starteten, um die Kontrolle über das rund um die Absturzstelle von den Rebellen kontrollierte Gebiet zu übernehmen.

Das Untersuchungsteam fungiert als Expeditionskorps mit bis zu 950 bewaffneten Männern aus Australien und den Niederlanden inmitten von anhaltenden Kämpfen zwischen ukrainischen Streitkräften und pro-russischen Separatisten. Das ukrainische Parlament genehmigte am Donnerstag einen provokativen Plan für den Einsatz von 250 Australiern und 700 Niederländern, angeblich, um die Absturzstelle zu bewachen.

Die Vereinbarung ermöglicht den Einsatz von sowohl nicht-militärischem als auch militärischem, ausländischem Personal, das berechtigt ist, seine Waffen zur Selbstverteidigung zu benutzen. Australischen und niederländischen Streitkräften steht es frei, sich im Zusammenhang mit der Untersuchung in den Gebieten rund um die Absturzstelle zu bewegen. Sie müssen aber eine Erlaubnis der ukrainischen Regierung bekommen, wenn sie sich außerhalb dieser Gebiete bewegen möchten.

Ein Team von 68 malaysischen Polizeibeamten kam am Donnerstag nach Kiew, um die australischen und niederländischen Streitkräfte bei ihrer Mission zu unterstützen, die Kontrolle über die Absturzstelle zu übernehmen. Die Russische Luftfahrtbehörde schickte am Donnerstag ein Untersuchungsteam nach Kiew in der Hoffnung, dass es auch an der Absturz-Untersuchung teilnehmen kann.

In einer außerordentlichen Sitzung in Kiew, ebenfalls am Donnerstag, stimmte das ukrainische Parlament unter dem Druck von Präsident Petro Poroschenko gegen den Rücktritt von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk. Außerdem wurde vom Parlament eine Kriegssteuer verhängt, um weiterhin Mittel in den Feldzug im Osten fließen zu lassen, der Militärhaushalt wurde erhöht und Wirtschaftsreformen beschlossen, die nötig sind, um Rettungsgelder für den Staatshaushalt vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erhalten.

Die Abstimmung im Parlament ging mit 16 für und 109 Stimmen gegen Jazenjuk Rücktritt aus, sowie 335 Enthaltungen. In einem anderen Vertrauensvotum für Jazenjuk stimmte das Parlament für ein 17 Milliarden US-Dollar schweres IWF Rettungspaket für die ukrainische Wirtschaft, das an Einschnitte in Höhe von mehreren Milliarden Dollar bei Treibstoffsubventionen, Sozialprogrammen und Löhnen im öffentlichen Sektor geknüpft ist. “Ich sagte, ich werde nicht ohne Kampf gehen, und ich tat es. Die Ukraine ist nicht zahlungsunfähig und wird niemals zahlungsunfähig werden”, sagte Jazenjuk in seiner Antwort auf die Abstimmung.

Das ukrainische Parlament genehmigte außerdem eine 1,5-prozentige Kriegssteuer auf Einkommen, die zum 1. Januar 2015 voraussichtlich bis 2,9 Mrd. Griwna (ca. 170 Millionen Euro) einbringen wird. Poroschenko erklärte gegenüber dem Parlament, dass die ukrainische Regierung täglich 70 Millionen Griwna (4,2 Millionen Euro) für die Militäroperationen in der Region Donbass ausgibt.

Nach der Genehmigung des Kriegssteuer kündigte Jazenjuk eine erneute Erhöhung der Verteidigungsausgaben um neun Milliarden Griwna (540 Millionen Euro) an, um Waffen zu kaufen und die Gehälter der ukrainischen Streitkräfte, der Nationalgarde und anderer Kämpfer gegen die pro-russischen Separatisten zu bezahlen.

Die neue Finanzierung für militärische Operationen steht einem Fonds von dürftigen zwei Milliarden Griwna (120 Millionen Euro) gegenüber, der in der gleichen Zeit für den Wiederaufbau der Donbass-Region, die von den ukrainischen Militäroperationen gegen die pro-russischen Rebellen verwüstet wurde, angekündigt wurde.

Obwohl die ukrainische Regierung einen “Ruhetag” ankündigte, um den Zugang zu der MH17 Absturzstelle zu erleichtern, gingen die Kämpfe rund um die Absturzstelle und im gesamten von den Rebellen kontrollierten Gebiet weiter. Der Stadtrat von Donezk berichtete, dass in der Nähe des Dorfes Zhovtneve gekämpft wurde. Ein AP-Korrespondent berichtete von einem Mörserangriff in der Nähe von Hrabové, der Stadt, wo ein Großteil der Trümmer der MH17 niederging.

Bei Kämpfen rund um die Stadt Lugansk wurden strategische Stromleitungen gekappt, die die komplette Stromversorgung der Stadt mit über 400.000 Einwohnern lahmlegten. Pumpen, die die Bewohner mit Wasser versorgten, konnten nicht weiterbetrieben werden und der Betrieb in den Krankenhäusern läuft mithilfe von Generatoren mit gefährlich niedrigen Brennstoffreserven.

Der US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, erklärte am 29. Juli in einem Interview mit Voice of America, dass er von den Erfolgen des Kiewer Regimes bei den “Anti-Terror”-Operationen im Osten beeindruckt sei. Pyatt beklagte, dass die Situation im Osten sich zu einer “humanitären Katastrophe” entwickle und gab die Schuld dafür der russischen Intervention im Osten.

Nach Schätzungen der UNO haben die vom US-und dem europäischen Militär unterstützten Operationen im Osten der Ukraine seit Mitte April zu mehr als 1.100 zivilen Toten und weiteren 3.400 Verletzten geführt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow deutete am Mittwoch an, dass Russland bei den Vereinten Nationen, der OSZE, und dem Roten Kreuz die Entsendung einer humanitären Mission in die Ost-Ukraine fordern werde.

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