Osram streicht weitere 7800 Arbeitsplätze weltweit

Osram hat letzte Woche einen weiteren radikalen Stellenabbau verkündet. Der Münchener Osram-Vorstand will in einer zweiten Sparrunde bis 2017 insgesamt 7.800 von weltweit 34.000 Arbeitsplätzen vernichten. 1.700 Stellen sollen allein in Deutschland wegfallen, davon betroffen sind die Standorte München, Berlin, Eichstätt und Augsburg. Derzeit hat Osram im Inland noch 9.500 Beschäftigte.

Als vor einem Jahr der Mutterkonzern Siemens die Lichtsparte Osram an die Börse brachte, war dies bereits mit dem Abbau von 8.700 Arbeitsplätzen verbunden. Seit 2011 führt die Münchner Konzernleitung ein Restrukturierungsprogramm durch, das eigentlich 2015 enden sollte. Sieben Werke wurden inzwischen schon geschlossen oder verkauft. Osram ist neben Philips der zweitgrößte Leuchtmittelhersteller der Welt und hat derzeit noch 36 Fabriken, darunter auch Zweigwerke in der Ukraine, Russland, Polen und Tschechien sowie mehrere Werke in China.

Das zweite Sparprogramm wird zynisch „Push II“ genannt. Es soll bis 2017 laufen und 260 Millionen Euro Kostenersparnis einbringen. Das Osram-Management begründet die Einschnitte mit dem Wandel in der Branche hin zu moderner Leuchtdioden-Technik (LED). Herkömmliche Halogen- und Energielampen werden zunehmend durch LED-Lampen ersetzt. Die Angriffe auf die Osram-Arbeiter werden daher auch mit der zweiten Entlassungswelle nicht beendet sein, wie bereits jetzt Osramchef Wolfgang Dehen zu verstehen gibt: „Wir werden weitere Anpassungen über die zweite Welle hinaus haben, können die Dimension aber noch nicht absehen.“ An die Aktionäre gerichtet, versicherte Osram-Chef Wolfgang Dehen, die Gewinnmarge von aktuell gut acht Prozent solle unter allen Umständen gehalten werden.

Auf Forderungen unter anderem seitens der Gewerkschaft IG Metall, mehr in die Produktion von LED-Lampen zu investieren, antwortete Dehen nach einem Zitat im Handelsblatt: „Es ist noch nicht nachgewiesen, dass LED an deutschen Standorten wettbewerbsfähig produziert werden können“. Das Unternehmen hat gerade ein neues Werk in China eröffnet.

Nach und nach wurden in den vergangenen Tagen konkrete Zahlen über den Stellenabbau der einzelnen Werke bekannt. In den beiden größeren Werken Berlin und Augsburg, wo noch jeweils über tausend Arbeiter beschäftigt sind, sollen rund 300 bzw. 400 Arbeitsplätze gestrichen werden, in den kleineren Werken in München und Eichstätt ebenfalls jeweils 300. Für Eichstätt bedeutet dies fast die Hälfte der Belegschaft. Die Produktion von Halogenlampen, auf die das Werk in Eichstätt, aber auch Teile des Augsburger Standorts konzentriert sind, soll nach Vorgaben der EU bis 2016 vollständig eingestellt werden.

WSWS-Reporter beim Osram-Schichtwechsel in Berlin im Mai 2014

In Berlin erhielten die noch 1300 Arbeiter des traditionsreichen Spandauer Werks am vergangenen Montag die Hiobsbotschaft, dass weitere 283 Stellen gestrichen werden sollen. In den letzten zwei Jahren waren gerade erst über 400 Arbeiter entlassen worden.

Der Betriebsratsvorsitzende Andreas Felgendreher zeigte sich empört. "Seit 2009 haben wir circa 1.100 Kolleginnen und Kollegen verloren", stellte er gegenüber der Presse fest. "Worin liegt bei diesem Stellenabbau die Nachhaltigkeit? Warum wird nicht in unseren leistungsstarken Standort investiert?" Die Forderung nach "Nachhaltigkeit" ist die Position der IG Metall, die nicht die Verteidigung der Arbeitsplätze in allen Werken und international organisiert, sondern sich als Co-Management des Konzerns versteht.

So beklagt sich das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall, Irene Schulz, die als Osram-Aufsichtsratsmitglied bestens und lange vor der Belegschaft über jeden Stellenabbau informiert wird, dass der Vorstand nur „eine kurzfristige Kostensenkung durch Personalabbau“ erzielen wolle, statt „eine nachhaltige Lösung“. Sie hält also eine „langfristige Kostensenkung“ und tiefere Einschnitte für notwendig. Oder wieder in ihren Worten: "Vor dem Hintergrund des bestehende Technologiewandels muss endlich eine Strategie für die einzelnen deutschen Standorte entwickelt und umgesetzt werden."

Der bisherige Arbeitsplatzabbau trägt die Unterschrift der IG Metall und der Betriebsräte, und auch bei der neuen Entlassungswelle geht das Unternehmen davon aus, mit der IG Metall zusammenzuarbeiten. Im Aufsichtsrat von Osram sitzen neben Betriebsrat Thomas Wetzel aus dem Berliner Werk der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Willi Sattler, Betriebsrat Hubert Roßkopf aus dem Werk Eichstätt, der bayrische IG-Metall-Pressesprecher Michael Knuth, und das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall, Irene Schulz. Im Geschäftsjahr 2013 erhalten sie pro Person, ohne die Sitzungsgelder von je 1.000 Euro, 40.000 bis 100.000 Euro jährliche Vergütung allein für die Aufsichtsratstätigkeit.

"Die Gewerkschaft sagte uns nie die Wahrheit"

Beim Schichtwechsel am Donnerstag sprachen Reporter der WSWS mit zahlreichen Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich wütend über die erneuten Entlassungen äußerten.

Ein 58-jähriger Arbeiter, ebenfalls der schon lange bei Osram arbeitet, sagte: "Seit Osram Mitte 2013 von Siemens abgespalten und als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht wurde, ist es bergab gegangen." Die Arbeiter würden immer wieder getäuscht. "Schon als Siemens-Chef Löscher im November 2010 eine einmalige Bonuszahlung von 1000 Euro an alle Siemens-Beschäftigte weltweit verkündete, war das eine Täuschung der Arbeiter, denn nachher mussten wir das alles durch Kürzungen und Sonderleistungen wieder reinholen.” Eine ganze Reihe von Beschäftigten hielt eine Komplettschließung des Berliner Werks für nicht ausgeschlossen.

Großen Unmut gab es auch über die Gewerkschaft und den Betriebsrat. "Vom Betriebsrat und der IG-Metall ist nichts erwarten, die stecken alle unter einer Decke", meinte ein älterer Arbeiter.

Auch Senguel, ein 48-jähriger türkischer Arbeiter, der seit 30 Jahren bei Osram beschäftigt ist, äußerte im Vorbeigehen sein Misstrauen in die IG Metall: "Die macht doch nichts".

Ljubica Pupovac, 63 Jahre alt

Ljubica Pupovac, 63 Jahre alt, arbeitet seit dem Alter von 17 Jahren, als sie aus Jugoslawien kam, bei Osram. Sie sagte uns, Osram habe in den letzten zehn Jahren mehrmals versucht, sie wegen ihres kritischen Verhaltens zu entlassen. Vor zwei Jahren sei ihr im Zuge des Sparprogramms zum zweiten Mal eine Abfindung angeboten worden. "Ganze 30.000 Euro! Das ist lächerlich, habe ich denen von der Personalabteilung gesagt, wollen Sie mich beleidigen. Ich musste mir dann anhören: Sie gehen doch sowieso bald in Rente. Eine Frechheit, ich habe mir die Rente über 45 Jahre hart erarbeitet."

Ljubica Pupovac fügte hinzu: "Jetzt sprechen sie wieder von mehr Gewinnen, die sie erzielen wollen, aber uns wollen sie nichts davon abgeben." Und obwohl sie noch Gewerkschaftsmitglied ist, kritisiert sie die IG Metall heftig: "Sie sagte uns nie die Wahrheit, es ist wie draußen in der Politik. Sie verheimlichen alles, um für Ruhe zu sorgen, weil sie Angst vor uns haben."

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