Lega Nord unterstützt schottische Unabhängigkeit

In einer Erklärung zum Schottland-Referendum vom 18. September hat die britische Socialist Equality Party die nationale Unabhängigkeit Schottlands als rechtes, nationalistisches Projekt bezeichnet, dessen Opfer die Arbeiter auf beiden Seiten der Grenze sein werden. Diese Einschätzung wird durch den Umstand bestätigt, dass die ultrarechte, italienische Lega Nord die Unabhängigkeitskampagne voll unterstützt.

Auf dem Parteitag der Lega Nord in Padua hat deren Parteichef Matteo Salvini sein Eintreten für die Lostrennung Schottlands von Großbritannien bekräftigt. In einem Interview mit dem italienischsprachigen Moskauer Radiosender La Voce della Russia begründete er am 21. Juli sein Eintreten für die Unabhängigkeit Schottlands, Kataloniens, Irlands und Norditaliens neben ökonomischen auch mit ausländerfeindlichen Argumenten: die Leute wollten sich „gegen die Immigration und den islamischen Extremismus zusammenschließen“, um ihre regionalen Traditionen zu bewahren.

Die Unterstützung der Lega Nord für die schottische Abspaltung diskreditiert den Versuch von Organisationen wie der Socialist Workers Party und der Scottish Socialist Party, die schottische Unabhängigkeit in einem „linken“, sozialreformerischen Licht darzustellen. Die Lega Nord zeichnet sich durch Law-and-Order-Hysterie und Fremdenfeindlichkeit aus. Sie mobilisiert rückständige Teile des bäuerlichen und städtischen Kleinbürgertums, indem sie Einwanderern, dem armen Süden Italiens und der nationalen und europäischen Bürokratie die Schuld an der sozialen Krise zuweist.

Schon vor zwei Jahren hatte die Lega Nord für den schottischen Separatismus Partei ergriffen. Als die britische Regierung im September 2012 das Referendum über Schottlands Loslösung zuließ, schlug die Lega sofort ein gemeinsames Projekt mit der schottischen Regierung vor, sollte Schottland unabhängig werden. Gemeinsam mit dem Obmann der österreichischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, plante der damalige Lega-Nord-Chef Roberto Maroni ein Euro-kritisches Netz aufzubauen, das sich besonders auf die Fragen Zuwanderung und Islamismus konzentriert. Als Partner für dieses Netz waren die deutsche CSU und die katalanische und schottische Unabhängigkeitsbewegung vorgesehen.

In der Tat gibt es auffällige Parallelen zwischen den Zielen der schottischen und der norditalienischen Separatisten. Beide behaupten, den Menschen werde es besser gehen, wenn ihre Regionen autonom über die eigenen Finanzen bestimmen können und nicht mehr von einer Zentralregierung abhängig sind.

Was die Lega Nord angeht, so ist gerade dies ihr Hauptargument. Sie fordert, Schluss mit der finanziellen Unterstützung des ärmeren Süden durch den begüterten Norden Italiens („Padanien“) zu machen. Sie vertritt die Interessen einer schmalen Oberschicht, die ihre Beziehungen zu den transnationalen Banken und Konzernen selbständig und von Rom unabhängig gestalten möchte. Die Arbeiterklasse würde dagegen durch die Trennung von den italienischen und europäischen Kollegen stark geschwächt, wie Erfahrungen wie die Zerstückelung Jugoslawiens gezeigt haben.

In dem bereits zitierten Interview erklärte Salvini: „Heute herrscht Hunger, die Arbeitslosigkeit übersteigt auch in den reicheren Provinzen des Nordens die zwanzig Prozent, einer von drei Jugendlichen sitzt zu Hause. Deshalb denke ich, dass heute, wo die Lombardei, der Veneto und Piemont für den ganzen Rest des Staates ‚bezahlen’, der richtige Moment dafür gekommen ist, dass sich das Volk erhebt.“

Der Separatismus der Lega ist mit Rassismus und übelster Fremdenfeindlichkeit gepaart. So wollten die damaligen Parteichefs Umberto Bossi und Roberto Calderoli schon vor zehn Jahren Flüchtlingsboote „mit Gewalt“ und „durch Kanonenschüsse“ von der italienischen Küste vertreiben. Calderoli musste 2006 wegen islamfeindlicher Hetze als Minister der Regierung Berlusconi zurücktreten, und letztes Jahr sorgte er erneut für einen Skandal, als er die Integrationsministerin Cécile Kyenge, eine im Kongo geborene Augenärztin, mit einem Orang-Utan verglich.

Im Jahr 2000 zündete der Europaabgeordnete der Lega Nord, Mario Borghezio, eigenhändig Zelte von Einwanderern an, die in Turin unter einer Brücke schliefen. In einem Interview mit Radio 24 erklärte sich Borghezio mit den Vorstellungen des Attentäters Anders Behring Breivik einverstanden, der 2011 in Norwegen 77 Menschen, die meisten davon Jugendliche, umgebracht hatte. Viele von Breiviks Ideen, so Borghezio, seien gut und manche ausgezeichnet.

Die zahllosen, Übelkeit erregenden Provokationen der Lega Nord sind seit langem bekannt. Der Grund, warum sie dennoch aufsteigen konnte, ist die rechte Politik der angeblich linken Parteien und der Gewerkschaften. Während seit Jahren jede Regierung, ob mitte-links oder rechts, immer härtere soziale Angriffe auf die Arbeiterklasse führt, gibt es buchstäblich keine Kraft in Italien, welche die Arbeiter dagegen mobilisiert.

Von dem so entstandenen Vakuum konnte die Lega Nord als separatistische Protestpartei profitieren, und ihre demagogischen Parolen fanden teilweise Gehör. Gegründet im Jahr 1989, als Christdemokraten und Sozialisten im Korruptionssumpf von „Tangentopoli“ untergingen, diente sie Silvio Berlusconi über zwanzig Jahre lang in verschiedenen Regierungen als Mehrheitsbeschafferin.

Trotz ihres lauthals verkündeten Kampfs gegen Korruption versank sie im April 2012 selbst in einem tiefen Korruptionsskandal. Dem langjährigen Gründer und Parteiführer Umberto Bossi und dessen Familie wurden nicht nur illegale Parteienfinanzierung, sondern auch Geldwäsche zugunsten der Mafiaorganisation N’drangheta nachgewiesen. Der schwerkranke Bossi musste von allen Ämtern zurücktreten und wurde von Roberto Maroni, einem jahrelangen Minister Berlusconis abgelöst.

Letztes Jahr verlor die Lega vorübergehend einen großen Teil ihrer Anhänger an Beppe Grillo und seine Fünf-Sterne-Bewegung. In diese Zeit fällt der Aufstieg des jetzigen Parteichefs Matteo Salvini, der im Dezember 2013 Maroni ablöste. Er griff das Projekt eines europaweiten Netzwerks wieder auf und versuchte, außer den schottischen Separatisten auch „die Franzosen von Le Pen, die Holländer von Wilders, die Österreicher von Mölzer und die ’Wahren Finnen’“ dafür zu gewinnen.

Salvini veröffentlichte ein ausführliches Dokument (L’altra Europa della Lega, 2012), in dem er erklärte, ein Sieg der schottischen Unabhängigkeit werde die Bestrebungen der Lega Nord in Italien in großem Maße fördern. „Italien ist ein konservatives Land“, schrieb er. Anderswo sei man schon weiter, der britische Premier David Cameron habe dem schottischen Regierungschef Alex Salmond zugesagt, ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands abzuhalten. „Sollte die Unabhängigkeit durchkommen, dann würde dies eine Kettenreaktion auslösen, die in der Lage wäre, die geographische Karte des alten Kontinents grundlegend zu verändern. Eine lange Welle, die auch bei uns ankommen würde.“

Schon jetzt hat die schottische Kampagne den Separatisten neuen Aufschwung verliehen. Im März 2014 organisierte der Unternehmer Gianluca Busato eine private Online-Abstimmung über die Abspaltung Venetiens von Italien. Busato ist ein ehemaliges Lega-Nord-Mitglied, dem die Lega nicht weit genug geht. An der Abstimmung sollen sich knapp die Hälfte der Einwohner Venetiens, etwa zwei Millionen Menschen, beteiligt haben, von denen angeblich fast neunzig Prozent mit Ja stimmten.

Obwohl die Online-Abstimmung weder überprüfbar war, noch rechtliche Gültigkeit hatte, drohte Busato der Regierung in Rom mit einer „unverzüglichen totalen Steuerzurückhaltung“. Die Lega Nord hatte ausgerechnet, dass die Einwohner Venetiens dadurch jährlich mindestens zwanzig Millionen Euro sparen könnten. Busato brüstet sich damit, dass seine eigene Organisation „Staat Venetien“ (Veneto Stato) am 22. September 2012 zu einer Kundgebung für die schottische Unabhängigkeit nach Edinburgh eingeladen worden war.

Die Begeisterung, mit der rechte Separatisten wie die Lega Nord und ihre Ableger die schottische Unabhängigkeit unterstützen, bestätigt alles, was die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site zu diesem Referendum geschrieben haben. In der Erklärung der SEP zum Referendum in Schottland heißt es: „Ein ‚Ja’ zur Unabhängigkeit Schottlands würde in Europa ähnliche Auflösungsprozesse in Spanien, Italien und Belgien beschleunigen helfen, mit katastrophalen Folgen.“ Als entschiedene Gegnerin von jeder Form von Nationalismus ruft die SEP dazu auf, bei dem Referendum am 18. September mit „Nein“ zu stimmen.

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