Bundesregierung liefert Waffen an Kurden im Nordirak

Die Bundesregierung hat entschieden Waffen in die irakischen Kriegsgebiete zu liefern. Sie durchbricht damit das bisher geltende Verbot für die Lieferung von Kriegswaffen in Krisengebiete und vollzieht einen weiteren Schritt in Richtung Militarismus und Kriegsvorbereitung.

Am Rande der gestrigen Kabinettssitzung traf sich eine kleine Spitzenrunde unter Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und entschied, die kurdischen Peshmerga in ihrem Kampf gegen die radikal-islamistischen Milizen des Islamischen Staat (IS) mit Waffenlieferungen zu unterstützen.

Bisher hatte die Bundeswehr lediglich Hilfsgüter in Form von medizinischem Gerät, Decken, Zelten und Nahrungsmitteln nach Erbil im Nordirak geflogen. Doch bereits am vergangenen Wochenende folgte die Ankündigung die deutsche Armee werde erstmals auch „nicht-humanitäre“ Ausrüstung ins irakische Kriegsgebiet bringen. Die Rede war von Fahrzeugen, Schutzwesten, Helmen, Nachtsichtgeräten und Sprengfallendetektoren aus Bundeswehrbeständen.

Nur drei Tage später hat nun die Bundesregierung entschieden, noch einen Schritt weiter zu gehen und Waffen zu liefern.

Die Geschwindigkeit in der die Regierung Standpunkte ändert, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs jahrzehntelang von allen Parteien akzeptiert wurden, macht den grundlegenden Charakter der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Krise deutlich.

Noch vor wenigen Tagen erklärte ein Regierungssprecher vor der Bundespressekonferenz, dass für Rüstungsexporte klare Regeln und sehr enge Grenzen bestünden. Er machte auf ein Richtlinien-Papier aufmerksam, das den Titel trage: „Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern.“ Darin sei festgelegt, dass „Rüstungsexporte in Krisengebiete ausgeschlossen sind, es sei denn, es gibt ein besonders begründetes Sicherheitsinteresse“.

Dieses Tabu wird nun gebrochen.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen drängt seit Tagen auf Waffenlieferungen an die Kurden. In einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit sagte sie, das Argument, dass bereits sehr viele Waffen im Irak seien und die Kurden von den USA und andern Nato-Partnern unterstützt würden, habe natürlich eine gewisse Berechtigung. Es gehe bei der Debatte über Waffenlieferungen aber vorwiegend um eine „Weiterentwicklung der deutschen Sicherheitspolitik“.

Von der Leyen wörtlich: „Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen und offen zu diskutieren. An dieser Stelle sind wir gerade“. Lange Zeit seien deutsche Waffenlieferungen in aktuelle Konfliktregionen nicht vorstellbar gewesen. Das könne in der gegenwärtigen Situation nicht aufrechterhalten werden.

Es gehe nicht mehr um humanitäre Hilfe versus Ausrüstungshilfe, es gehe um beides. „Was längst vorbei ist, ist die Politik allein mit dem Scheckbuch“, sagte die Verteidigungsministerin. „Das löst innenpolitisch oft schmerzhafte und dilemmareiche Debatten aus, aber dem müssen wir uns angesichts der gewachsenen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung unseres Landes stellen.“

In dieser Argumentation kündigt sich bereits der nächste Schritt an. Auf die Entsendung von Waffen in Kriegsgebiete folgt die Entsendung von Soldaten. Der Außenpolitik mit dem Scheckbuch, von der die Ministerin spricht, folgt die Außenpolitik mit Kanonen und Soldaten.

Außenminister Steinmeier argumentiert weniger offen und spricht vor allem über die Gefahr einer humanitären Katastrophe im Irak, die durch den Vormarsch der radikal-islamistischen Milizen drohe. „Wir müssen den Kurden schon auch die Möglichkeit geben, sich zur Wehr zu setzen“, sagte er am Dienstag im ZDF. Steinmeier fügte hinzu: „Es gibt Situationen, in denen kann man sich durch Unterlassen ebenso schuldig machen wie durch Tun.“

Dieses humanitäre Argument ist durch und durch verlogen. Nichts interessiert die Bundesregierung weniger, als das Schicksal von Flüchtlingen. Das zeigt sich überall dort, wo die deutschen Interessen nicht mit „Hurra-Humanismus“ (Handelsblatt) vertreten werden können.

Die israelische Armee bombardierte in den vergangen Wochen Gaza, ein Gebiet, das weit dichter besiedelt ist als Berlin und verursachte ein ungeheures Massaker an der Zivilbevölkerung. Gestern gab die Gesundheitsbehörde in Gaza die Zahl der Toten mit 2.020 an, darunter 543 Kinder und 252 Frauen. Aus dem Kanzleramt kam nicht ein einziges Wort der Kritik an der israelischen Regierung. Im Gegenteil. Die Bundesregierung betont bei jeder Gelegenheit das Recht auf Selbstverteidigung Israels und rechtfertigt damit die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung.

Nicht anders ist es in der Ukraine. Die Bundesregierung arbeitet mit der Regierung in Kiew zusammen die sich auf faschistische Terrorgruppen stützt und die Bevölkerung in großen Industriestädten in der Ostukraine mit Kampfflugzeugen und Panzern angreift.

Von der Behandlung der Flüchtlinge in Deutschland ganz zu schweigen, die oft genug bereits an der Grenze zurückgeschickt werden, oder in Notunterkünften unter völlig unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht werden, um auf ihre Abschiebung zu warten. Weder Steinmeier, noch ein anderer Regierungsvertreter spricht dann von einer humanitären Tragödie und warnt davor, dass man sich durch Nichtstun schuldig mache.

In Wahrheit dienen die Waffenlieferungen in den Irak dazu, die Wiederbelebung des deutschen Militarismus und die damit verbundene militärische Aufrüstung, die Anfang des Jahres auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt wurde, in die Tat umzusetzen.

Vor allem soll der anhaltende Widerstand dagegen in der Bevölkerung bekämpft und zurückgedrängt werden. Jüngste Umfragen belegen, dass 71 Prozent der Befragten Waffenlieferungen in den Irak ablehnen.

Angesicht dieser nach wie vor starken Opposition gegen militärische Aufrüstung spielt die Linkspartei eine Schlüsselrolle, um die Wende in der deutschen Außenpolitik in Richtung Militarismus mit Menschenrechtsargumenten zu verschleiern und durchzusetzen.

Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, war einer der ersten, der Waffenlieferungen an die kurdischen Kampfverbände im Irak forderte. Deutschland und die Nato müssten einschreiten, um Gräueltaten der IS zu stoppen, sagte er Anfang August in einem Gespräch mit der Tageszeitung taz.

„Eigentlich bin ich strikt gegen deutsche Waffenexporte“, sagte Gysi. „Da aber Deutschland ein wichtiges Waffenexportland ist, könnte in diesem Ausnahmefall ein Waffenexport dorthin dann statthaft sein, wenn andere Länder dazu nicht unverzüglich in der Lage sind. Mit Protestbriefen wird man IS nicht stoppen.“

Später relativierte er seine Aussage und erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk er habe sich möglicherweise missverständlich ausgedrückt. Sein Rückzug war rein taktisch und wurde auch so verstanden.

Anfang der Woche veröffentlichte die FAZ auf ihrer Online-Ausgabe einen Artikel unter der Überschrift: „Irak-Konflikt: Waffenlieferungen dank der Linken“. Sie hatte diesen Artikel bereits vorher in der Print-Ausgabe der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) veröffentlicht. Das konservative Blatt betont, dass die Linkspartei eine wichtige Rolle dabei gespielt habe, dass mit der deutschen Intervention im Irak der „außenpolitische Grundkonsens“ Nachkriegsdeutschlands mit „atemberaubender Geschwindigkeit zerfalle.“

Deutschland könne sich nicht länger aus den Kriegen außerhalb Europas raus halten. Dass bei dem „längst fälligen Tabubruch ausgerechnet die Linkspartei mitgewirkt“ hat, sei sehr zu begrüßen.

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