Perspektive

Imperialismus und die Ebola-Katastrophe

"Die derzeitige [Ebola-] Epidemie ist nicht wegen der biologischen Charakteristika des Virus so außergewöhnlich groß, sondern zum Teil wegen des Zustandes der betroffenen Bevölkerungen, der Gesundheitssysteme, und weil die Eindämmungsversuche nicht ausreichend waren, um die Ausbreitung der Infektion aufzuhalten."
Dr. Christopher Dye, Strategiedirektor der Weltgesundheitsorganisation

Diese untertriebenen Worte eines Gesundheitsexperten sind nicht nur eine Diagnose der Ebola-Katastrophe, sondern des Versagens des Kapitalismus als Weltsystem. Tausende sind gestorben, und Millionen sind bedroht, weil die sozialen Bedingungen in den betroffenen Ländern, die lange von den imperialistischen Mächten unterdrückt und ausgebeutet wurden, eine angemessene Behandlung der Krankheit unmöglich machen.

Ebola ist eine gut erforschte Krankheit. Sie breitet sich nur durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten aus und begrenzt sich praktisch selbst auf isolierte ländliche Gebiete, da sie ihre Opfer meist tötet bevor sie den Virus auf andere übertragen können. Die Gesamtzahl der Todesopfer aller früheren Ausbrüche lag bei kaum 2.500 Menschen - eine Zahl, die bei dem derzeitigen Ausbruch schon nach drei Monaten überschritten wurde.

Die Epidemie begann in ländlichen Gebieten in Guinea und breitete sich von dort aus auf die Nachbarstaaten Sierra Leone und Liberia aus. In Liberia trat Ebola zum ersten Mal in größerem Umfang in städtischen Umgebungen auf, die Hauptstadt Monrovia ist die erste Großstadt, in der es mit schrecklichen Folgen zu einem solchen Ausbruch gekommen ist.

In allen drei Ländern ist das Gesundheitssystem angesichts der Auswirkungen der Epidemie zusammengebrochen. In Sierra Leone musste beispielsweise das einzige größere Kinderkrankenhaus schließen, nachdem bei einem Kind Ebola diagnostiziert wurde. In Liberia gibt es nur ein paar hundert Krankenbetten, sodass die meisten Opfer zuhause bleiben und von Familienmitgliedern versorgt werden müssen, die sich dabei infizieren.

Nach den Angaben der Weltbank von 2013 gehören diese drei Länder im Ranking nach dem BIP pro-Kopf zu den ärmsten der Welt. Sierra Leone belegt Platz 161 von insgesamt 185 Ländern, Guinea Platz 176 und Liberia Platz 181. Zusammen geben die drei Länder nur 900 Millionen Dollar für ihre Gesundheitssysteme aus - das entspricht gerade einmal 45 Dollar pro Kopf.

Ihre Bevölkerungen leben in Elend, obwohl die Länder selbst reich an natürlichen Ressourcen sind, die von den Großkonzernen und den imperialistischen Mächten, die ihre Interessen durchsetzen, rücksichtslos ausgebeutet werden.

Liberia (das von freigelassenen amerikanischen Sklaven gegründet wurde und de facto eine Kolonie der USA ist) hat riesige Eisenerz- und Palmölressourcen, Bridgestone (früher Firestone) betreibt in dem Land außerdem seit 1926 die größte Kautschukplantage der Welt. Sierra Leone, eine ehemalige britische Kolonie, ist einer der zehn größten Diamantenproduzenten der Welt und besitzt große Vorkommen von Rutil, einem auf Titan basierenden Erz. Guinea, eine ehemalige französische Kolonie, besitzt Eisenerz, Diamanten, Uran, Gold und die Hälfte der weltweiten Bauxitvorkommen - dem Metall, aus dem Aluminium hergestellt wird. Das australisch-kanadische Unternehmen Rio Tinto Alcan und das deutsche Dadco Alumina dominieren den Bauxitabbau in Guinea.

In den letzten drei Jahrzehnten wurden alle drei Länder von Bürgerkriegen, Putschen und ethnischen Massakern verwüstet, mit denen ihre herrschenden Eliten um die Kontrolle über Rohstoffquellen kämpften, um sie an die riesigen westlichen Konzerne zu verkaufen, während die wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Weltmarkt zunehmend schlechter werden. Die imperialistischen Mächte schritten direkt ein, Großbritannien und UN-Truppen besetzten Sierra Leone, während in Liberia US-Marines landeten.

Die Auswirkungen von jahrzehntelanger imperialistischer Ausbeutung und Interventionen, ergänzt und verstärkt durch die Weltwirtschaftskrise, die 2008 ausbrach, haben die Bedingungen für die aktuelle Katastrophe geschaffen. Als das Ebolavirus seinen Weg aus den isolierten Dschungelgebieten an den gemeinsamen Grenzen der drei Länder fand, war der Widerstand des sozialen Organismus gegen die Epidemie genauso schwach wie derjenige des einzelnen menschlichen Organismus gegen den Angriff des Virus.

Die amerikanische Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention schätzt, dass im schlimmsten Fall bis Ende Januar 1,4 Millionen Menschen betroffen sein könnten. Bei einer Sterblichkeitsrate von 70 Prozent bedeutet das, der Ebola-Ausbruch könnte bis Anfang 2015 fast eine Million Todesopfer fordern. Ein weiterer Bericht, der im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, warnt außerdem, die veränderte Rolle des Ebolavirus bedeutet, er könnte "unter der menschlichen Bevölkerung Westafrikas endemisch werden, eine bisher noch nie erwogene Aussicht." Mit anderen Worten, Ebola könnte in Westafrika Alltag werden, mit unkalkulierbaren Folgen für das soziale und wirtschaftliche Leben in der Region.

Vor diesem Hintergrund war die Sitzung der UN-Vollversammlung am Donnerstag, bei der es um die Ebola-Krise ging, eine weiteres Zeugnis dafür, dass es von den Großmächten keine ernsthafte Reaktion geben wird.

Bisher haben die reichen Länder nur in geringem Umfang Hilfe geschickt und ein paar hundert engagierte freiwillige Ärzte und Pflegekräfte mobilisiert - von denen viele mittlerweile tot sind oder sich aus Angst vor Infektionen zurückgezogen haben - und die Obama-Regierung hat selbstverständlich beschlossen, tausende von Soldaten zu schicken.

Diese Soldaten haben keine Erfahrung mit Ebola und ihr einziger Kontakt zur lokalen Bevölkerung wird wohl daraus bestehen, Opfer und ihre panischen Familien, die behandelt werden wollen, zu erschießen. Washingtons größte Sorge ist, dass die Epidemie ihre politischen Marionetten, wie die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, destabilisieren und die Profitinteressen der Konzerne gefährden könnte.

Präsident Obama gab in seiner dritten Rede innerhalb von drei Tagen vor den Vereinten Nationen zu, dass die Welt bei der Reaktion versagt hat: "Wir gehen nicht schnell genug vor. Wir tun nicht genug... Es werden nicht alle notwendigen Ressourcen eingesetzt, um diese Epidemie aufzuhalten."

Die Gesamtsumme der Hilfsgelder an Liberia, Sierra Leone und Guinea ist kaum höher als eine Milliarde Dollar - und das sind die versprochenen, Güter, Ausrüstungen und medizinisches Personal, nicht die tatsächlich gelieferten. Im Gegensatz dazu konnten die imperialistischen Mächte und ihre Verbündeten unter den Golfmonarchien Milliarden für den neuen Krieg in Syrien und im Irak bereitstellen, ganz zu schweigen von den hunderten Milliarden Dollar, die für die Kriege in Libyen, dem Irak und Afghanistan verschwendet wurden, oder den Billionen, die nach dem Zusammenbruch von 2008 für die Rettung der Banken und Finanzinstitutionen aufgewandt wurden.

Vom Standpunkt des Weltimperialismus ist diese Region wegen ihrer Bodenschätze wertvoll. Das Leben der Menschen, die das Gebiet bewohnen, ist völlig zweitrangig. Wenn sich die Epidemie ausbreitet, wird die Bevölkerung der Region eher als Hindernis denn als mögliche Arbeitskräfte angesehen werden, und ihre Ausrottung wird als notwendige Betriebskosten angesehen werden.

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