Perspektive

Die politischen Fragen in der Ebola Krise

Die Ansteckung einer Krankenpflegerin mit Ebola in Dallas, Texas, die das Ebola-Opfer Thomas Eric Duncan vor seinem Tod gepflegt hatte, ist ein wichtiges und beunruhigendes Ereignis. Dr. Thomas Frieden, der Direktor der amerikanischen Gesundheitszentren für „Disease Control and Prevention“ gab in einem Interview am Sonntag zu: „Diese Ansteckung ist ein sehr beunruhigendes Zeichen.“

Frieden behauptete, die gültigen Vorschriften für die Behandlung von Ebola Patienten verhinderten wirksam die Ausbreitung der Krankheit. Es müsse daher zu einer Verletzung der Vorschriften gekommen sein. Er konnte allerdings keine faktische Begründung dafür geben, wie die Pflegerin sich tatsächlich angesteckt hat. Sie gehörte nicht zu den 48 erstrangigen Kontakten Duncans, die ständig wegen möglicher Ansteckung überwacht wurden, sondern arbeitete mehr am Rande des Teams. Ihre Infektion wurde erst entdeckt, als sie Fieber bekam, und das meldete.

Es gibt inzwischen eine wachsende Anzahl solcher Fälle, darunter Ärzte und Pflegepersonal in den betroffenen Regionen von Liberia, Sierra Leone und Guinea, denen diese Vorschriften geläufig waren. Die Infektion eines Fotoreporters führte dazu, dass sein ganzes Reportageteam unter Führung von Dr. Nancy Snyderman, der medizinischen Chefkorrespondentin des Senders, unter Quarantäne gestellt wurde. Diese Fälle lassen befürchten, dass Vieles über die Übertragungswege des Virus noch nicht bekannt ist.

Ganz sicher ist allerdings, dass der Ausbruch von Ebola in Westafrika eine Katastrophe für die Menschen in dieser Region ist. Mehr als 8.000 Menschen haben sich bereits angesteckt und mehr als 4.000 sind gestorben. Es gibt noch kein Anzeichen, dass die Epidemie unter Kontrolle gebracht wäre. Die heroischen Bemühungen von Ärzten, Krankenpflegern und Hilfsorganisationen werden durch den Zusammenbruch der Gesundheitssysteme dieser Länder sabotiert, die zu den ärmsten der Welt gehören. Nur zwanzig Prozent der betroffenen Bevölkerung in Westafrika hat Zugang zu einem Behandlungszentrum.

Es ist kaum möglich, die Dimensionen der Katastrophe zu übertreiben. Bis zu diesem Jahr war Ebola eine Krankheit in abgelegenen ländlichen Gebieten. In vierzig Jahren gab es bisher zwanzig Ausbrüche, denen nur 1.500 Menschen zum Opfer gefallen waren. Jetzt hat sie städtische Zentren mit einer Millionenbevölkerung, wie die liberianische Hauptstadt Monrovia erreicht. Mit dem Virus infizierte Personen sind diesmal aus der Region weitergereist und sind in den Vereinigten Staaten, Brasilien und Spanien erkrankt. Es besteht die begründete Befürchtung, dass Ebola eine globale Plage werden könnte, besonders, wenn der Erreger dicht besiedelte Länder wie Nigeria oder in Süd- und Ostasien verarmte Regionen mit ihrer Milliarden-Bevölkerung erreichen sollte.

Die kraftlose globale Reaktion auf die ungeheure Tragödie in Westafrika muss als ernsthafte Warnung verstanden werden. Die Ebola-Krise erweist sich als Test für die Fähigkeit des Kapitalismus als Weltsystem, mit einer akuten tödlichen Krise fertig zu werden. Das Profitsystem versagt. Eine Gesellschaft, die auf der Grundlage der Produktion für privaten Gewinn organisiert und in antagonistische Nationalstaaten gespalten ist, die von einer Handvoll imperialistischer Mächte dominiert werden, ist unfähig zu der systematischen, energischen und menschenwürdigen Reaktion, die diese Krise verlangt.

Es ist kein Zufall, dass Ebola in ehemaligen Kolonien imperialistischer Mächte ausbricht. Guinea war früher eine französischen Kolonie, Sierra Leone eine britische Kolonie und Liberia faktisch eine amerikanische Kolonie, seit es von freigelassenen amerikanischen Sklaven gegründet wurde. Trotz ihrer nominellen Unabhängigkeit sind diese Länder immer noch von Konzernen und Banken der imperialistischen Länder beherrscht, die riesige Gewinne aus der Ausbeutung ihrer Bodenschätze und anderen Reichtümer ziehen. Guinea ist der weltgrößte Bauxit-Exporteur, Sierra Leone hängt vom Export von Diamanten ab und Liberia ist schon seit langem praktisch Eigentum des Konzerns Firestone Rubber (heute Bridgestone).

Diese Länder sind nicht in der Lage, ihrer Bevölkerung auch nur ein rudimentäres Gesundheitssystem zu bieten. Nicht, weil sie die Mittel nicht hätten, sondern weil sie von einem globalen Wirtschaftssystem ausgebeutet und unterdrückt werden, das von der Wall Street und anderen Finanz- und Warenmärkten kontrolliert wird. Dieses Wirtschaftssystem schafft eine solche Ungleichheit, dass die 85 reichsten Menschen der Welt so viel Reichtum besitzen, wie die ärmsten drei Milliarden Menschen, d.h. fast die Hälfte der Menschheit.

Die Wirtschaftsentwicklung besonders der letzten vierzig Jahre hat eine eng miteinander verflochtene und globalisierte Welt geschaffen. Tausende Menschen reisen jeden Tag von und nach Westafrika. Die Revolution im Verkehrs- und Kommunikationswesen bedeutet, dass das, was heute in Westafrika passiert, sich morgen auf Dallas, Boston, Madrid und Rio de Janeiro auswirken kann. Dadurch wird Ebola aus einem regionalen zu einem Weltereignis

Die Reaktion auf die Ebola Krise geht jedoch von nationalen Regierungen aus, die sie nach ihren konkurrierenden nationalen Interessen organisieren. Sie interessieren sich nicht für die Gefahr, die das Virus für die Weltbevölkerung bedeutet, sondern dafür, wie es die Interessen der herrschenden Klassen in jedem Land beeinträchtigen könnte. In den Vereinigten Staaten und Europa gibt es Forderungen, ein Embargo für Reisende aus Liberia, Sierra Leone und Guinea zu verhängen. Gesundheitsexperten warnen allerdings davor, weil ein solches Vorgehen zu einem Wirtschaftszusammenbruch dieser Länder führen würde. Das würde die Epidemie nur noch sehr verschlimmern und ihre globale Ausbreitung eher wahrscheinlicher als weniger wahrscheinlich machen.

Genauso reaktionär ist die Entsendung der Obama-Regierung von 4.000 amerikanischen Soldaten nach Liberia, um angeblich Gesundheitszentren aufzubauen. Warum wurden für eine solche Mission schwerbewaffnete Soldaten ausgewählt? Sie sind weder Bauarbeiter noch medizinisches Personal. Wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Krankenpfleger und Journalisten infiziert wurden, dann können erst recht nicht dafür ausgebildete Soldaten sich anstecken und den Virus mit nach Hause bringen. Was Washingtons wirklich vorhat, ist es, die Bedingungen für einen Stützpunkt für sein Africa Command (AFRICOM) zu schaffen, wozu es bisher aufgrund der Opposition vor Ort nicht in der Lage war. So sollen die imperialistischen Interessen Amerikas gegenüber seinen Rivalen, insbesondere China, gestärkt werden.

Die potentiellen Gefahren der Ausbreitung einer Krankheit wie Ebola vom ländlichen Afrika in die Welt sind Epidemiologen und anderen Wissenschaftlern seit langem bewusst. Es gibt zu dem Thema schon spezialisierte Studien und sogar Bestseller-Sachbücher. Es hat sogar schon durch Filme wie Andromeda Strain, Outbreakund 28 Days Eingang in die populäre Kultur gefunden. Aber das Profitsystem hat sich als unfähig erwiesen, die Menschheit für eine völlig vorhersehbare Krise zu wappnen.

Die Entdeckung von Ebola Mitte der 1970er Jahre hätte zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Virus führen müssen. Seine Verbreitungsweise hätte studiert und Gegenmittel und Impfstoffe hätten entwickelt werden müssen. Das ist nicht geschehen, und zwar vor allem nicht, wie ein jüngst erschienener Bericht nahelegt, weil die riesigen Pharmakonzerne, die die medizinische Forschung kontrollieren, sich wenig Profit davon versprachen, das Leben von ein paar ärmlichen Dorfbewohnern im ländlichen Afrika zu retten

Das Wenige an Forschung, das nach möglichen Heilmitteln bzw. Impfstoffen geleistet wurde, wurde aus dubiosen Gründen vom Pentagon finanziert: Im besten Fall, um amerikanische Soldanten bei einem möglichen Einsatz als imperialistische Interventionstruppe in den Dschungeln Zentralafrikas zu schützen, oder schlimmstenfalls, um herauszufinden, ob der Virus als Waffe gegen potentielle Feinde eingesetzt werden könne.

Wie müsste eine ernstzunehmende Reaktion auf die Ebola Krise aussehen? Sie würde eine umfangreiche international abgestimmte Reaktion beinhalten. Dafür müssten umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sowohl so viele akut bedrohte Opfer wie möglich zu retten, als auch um eine globale Ausbreitung der Seuche zu verhindern.

Das würde die Mobilisierung von Ärzten, Pflegepersonal und Wissenschaftlern aus Amerika, Europa, Russland, China und der übrigen Welt bedeuten, um diese tödliche Bedrohung für die gesamte Menschheit zurückzuschlagen. Und es würde bedeuten, diese Bemühungen den nationalen militärischen Interessen, besonders dem Pentagon sowie den riesigen Pharmakonzernen aus der Hand zu nehmen, die zu den korruptesten und gierigsten Teilen der Großkonzerne zählen.

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