Bundeswehr eröffnet neues „Karrierecenter“ im Herzen Berlins

Wer am Mittwochvormittag aus dem Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße heraustrat, stolperte unverhofft und ungewollt in die Arme der deutschen Bundeswehr. Umringt von einigen Offizieren, Soldaten und Journalisten eröffnete die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) das neue „Karrierecenter der Bundeswehr“. Künftig wird jeder Student, Arbeiter, Angestellter oder Tourist, der den Seitenausgang der Friedrichstraße nimmt, an dem eisernen Kreuz vorbeigehen, das neben dem blau leuchtenden Titel „Bundeswehr: Wir. Dienen. Deutschland“ am Karrierecenter prangt.

Von der Leyen vor dem Karrierecenter

Dieses Rekrutierungszentrum ist der vorläufige Höhepunkt einer umfangreichen Werbekampagne der Bundeswehr, die in den letzten Monaten stattfand und die die militärischen Interessen der deutschen Regierung in der Gesellschaft verankern soll. In der Pressemappe wird man über Sinn und Zweck der Einrichtung aufgeklärt: „Das Hauptstadtstudio und der Showroom der Bundeswehr Berlin verfolgen das Ziel, eine moderne, offene und ortsfeste Plattform zu sein, auf der zukünftig ein kontinuierlicher Dialog zwischen Bundeswehr und Öffentlichkeit stattfindet.“

Hinter dem obskuren Begriff „Showroom“ versteckt sich ein kleiner Empfangsraum, in dem sich junge Menschen über sogenannte attraktive Karrieremöglichkeiten bei der „Arbeitergebermarke Bundeswehr“ informieren können. Der Ort sei „eine gut erreichbare Anlaufstelle für Beratung, ein Treffpunkt für verschiedene Formate, Veranstaltungen und Aktivitäten – ein Aushängeschild in zentraler Lage in Berlin“.

Zwischen Bildschirm mit Werbevideo, Infobroschüren und einer uniformierten Soldatenpuppe sitzen einige Schüler, die der Eröffnung des Karrierecenters einen „bürgernahen“ Anstrich geben sollen. Im Gespräch mit der Verteidigungsministerin und danach in einer Fragerunde mit einem Offizier des Wachbataillons werden ihnen aufregende Karrierechancen vorgegaukelt.

Die Rekrutierungskampagne der Bundeswehr ist ein zentraler Bestandteil der neuen deutschen Außenpolitik. Anfang des Jahres verkündeten Ursula von der Leyen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundespräsident Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Ende der militärischen Zurückhaltung. Deutschland müsse gemäß seiner wirtschaftlichen Größe international „mehr Verantwortung“ übernehmen, notfalls auch militärisch intervenieren.

Die angestrebte Rückkehr zu einer aggressiven Großmachtpolitik erfordert wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg die Militarisierung der Gesellschaft. Bereits 2012 hatte Gauck in einer Rede an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg für mehr Anerkennung der deutschen Soldaten geworben, die er „Mut-Bürger in Uniform“ nannte.

„Die Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika, im Einsatz gegen Terror und Piraten – wer hätte so etwas vor zwanzig Jahren für möglich gehalten?“, fragte Gauck. „Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, werden heute ausgebildet mit der klaren Perspektive, in solche Einsätze geschickt zu werden - mit allen Gefahren für Leib, Seele und Leben. Sie haben einen Anspruch darauf, dass wir uns bewusst machen, was Ihnen abverlangt wird und welche Aufgaben wir von Ihnen in Zukunft erwarten. All das darf nicht allein in Führungsstäben und auch nicht allein im Parlament debattiert werden. Es muss da debattiert werden, wo unsere Streitkräfte ihren Ort haben: in der Mitte unserer Gesellschaft.“

Gauck klagte, dass sein Plädoyer für deutsche Militäreinsätze auf wenig Gegenliebe in der Bevölkerung stoße. Ein Problem sei die „räumliche Distanz“, erklärte er seinem Publikum. „Viele Standorte der Bundeswehr mussten geschlossen werden. Sie sind als Soldatinnen und Soldaten im Alltag unserer Städte und Gemeinden weniger präsent.“

Das Berliner Karrierecenter soll jetzt die „räumliche Distanz“ der Bundeswehr zur Bevölkerung überbrücken und den Militarismus wieder zu einem sichtbaren Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens machen. Parallel zur Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht 2011 und dem Umbau in eine effiziente Berufsarmee hat die Bundeswehr ihre Werbeoffensive massiv ausgeweitet.

Ein eigens gegründetes Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr leitet insgesamt 16 Karrierecenter und 110 Karriereberatungsbüros. Der Berliner „Showroom“ ist das erste Karrierecenter, das mit neuen Werbemethoden im Zentrum der Hauptstadt arbeitet und offen zugänglich ist.

Ende Oktober dieses Jahres beschloss die Bundesregierung das „Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“. Es billigt dem Verteidigungsministerium weitere rund 120 Millionen Euro für das kommende Jahr zu, um Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Ausstattung der Bundeswehr zu verbessern. 2016 soll der Etat auf 300 Millionen erhöht werden. In öffentlichen Verkehrsmitteln, im Fernsehen, in Schulen und Universitäten wirbt die Bundeswehr für Personal. Die Kampagnen sprechen gezielt Jugendliche an, die für die künftigen deutschen Kriege ihr Leben opfern sollen. In Videos werden ihnen Auslandseinsätze als spannende Abenteuer verkauft.

Der Leiter des neuen Karrierecenters und des „Zentrums für Nachwuchsgewinnung OST“, Ulrich Karsch, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Rekrutierung junger Kräfte und den zunehmenden Auslandseinsätzen. Auf Zeit Online erklärte er bereits im Jahr 2013: „Wir sind eine Armee im Einsatz. Es nützt nichts, wenn wir einen jungen Menschen generieren, der nicht bereit ist, ins Ausland zu gehen.“

Trotz des großen Wirbels und der breiten Medienunterstützung für die Wiederaufrüstung der Bundeswehr stoßen die Pläne selbst unter jungen Soldaten auf Skepsis. Viele Rekruten, die den Freiwilligen Wehrdienst antreten, brechen innerhalb der sechsmonatigen Probezeit ab. Anfang 2013 waren es über 30 Prozent.

Die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt die aggressive neue Außenpolitik ab. Die Medien und Militärs verstärken die „Attraktivitätskampagnen“ der Bundeswehr, um den Widerstand gegen Krieg zu brechen und das Leben junger Menschen wieder für die imperialistischen Interessen Deutschlands zu opfern.

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