Perspektive

Freispruch für Hosni Mubarak

Der gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak wurde am Samstag von den Vorwürfen der Korruption und der staatlichen Morde freigesprochen. Das Regime von General Abdel Fattah al-Sisi zeigt damit, dass es entschlossen ist, eine Konterrevolution durchzuführen, und die dauerhafte Wiedereinführung der Militärdiktatur anstrebt.

Die Beschönigung von Mubaraks Rolle bei der Ermordung von 846 und der Verwundung von 6.000 Menschen durch Scharfschützen der Polizei und Schläger während der revolutionären Aufstände, die seine Herrschaft im Jahr 2011 beendeten, ist Teil der Versuche der Bourgeoisie und ihrer Unterstützer aus dem bessergestellten Kleinbürgertum, den Widerstand der ägyptischen Arbeiterklasse zu brechen. Ein ausländischer Diplomat in Kairo sagte der Zeitung Al-Ahram: "Es kommt nicht selten vor, dass Nachrichtensprecher offen behaupten, der 25. Januar sei eine 'Verschwörung' des Westens gewesen." Ein anderer erklärte, die Funktionäre der ägyptischen Parteien würden mittlerweile glauben, Mubarak sei "ein guter Mann" gewesen, der "ein paar Fehler" gemacht habe.

Außerhalb des Tahrir-Platzes, den die Sicherheitskräfte vor der Urteilsverkündung abgeriegelt hatten, griff die Polizei eine Demonstration von mehreren tausend Menschen mit Wasserwerfern und scharfer Munition an. Dabei wurden zwei Menschen getötet und neun weitere verwundet.

Wie alle großen revolutionären Erhebungen ist auch die ägyptische Revolution durch klare Stadien gegangen. Die Revolution begann mit einer massiven Erhebung der Arbeiterklasse gegen die Diktatur Mubaraks, eines wichtigen Werkzeugs des US-Imperialismus und der israelischen Politik im Nahen Osten. Wie in früheren Revolutionen reagierte die Bourgeoisie auch in Ägypten in den ersten Stadien, indem sie versuchte, sich an die Massenbewegung anzupassen, Zeit zu gewinnen und ihre Kräfte wieder zu sammeln, während sie die Gegenoffensive vorbereitete.

In diesem Stadium dominieren im Allgemeinen demokratische Parolen, und so war es auch in den ersten Tagen nach Beginn des Aufstandes am 25. Januar 2011. Die herrschende Klasse Ägyptens und ihre Geldgeber in Washington versuchten, Mubarak an der Macht zu halten und gaben vage Versprechen ab, demokratische Reformen durchzuführen. Da sich der Massenaufstand auch mit brutaler Gewalt nicht niederschlagen ließ und die Arbeiterklasse als größte soziale Kraft hervorzutreten begann, entfernten der US-Imperialismus und die ägyptische Bourgeoisie Mubarak widerwillig und setzten mit dem Obersten Militärrat ein neues, angeblich "demokratischeres" Militärregime ein.

Die liberale Bourgeoisie, repräsentiert von Persönlichkeiten wie Mohamed El-Baradei, unterstützte das neue Regime. Ihr schlossen sich kleinbürgerliche Organisationen wie die Revolutionären Sozialisten an, die sich hinter die neuen Militärherrscher stellten und sich sogar für ihre "demokratischen" Absichten verbürgten.

Doch diese anfängliche taktische Wende konnte die revolutionäre Erhebung nicht stoppen. Die herrschende Klasse in Washington wandte sich an die Moslembrüder und organisierte die Machtübernahme ihres Kandidaten Mohamed Mursi als Präsident. Die Revolutionären Sozialisten und ähnliche Organisationen des privilegierten Kleinbürgertums unterstützten jetzt die Moslembrüder und erklärten ihre Machtübernahme zum "Sieg" der Revolution.

Die rechte Politik des bürgerlichen islamistischen Regimes steigerte nur die Wut der Arbeiterklasse. Im Jahr 2013 führte das ägyptische Proletariat eine stürmische Offensive gegen Mursi. Während es im Jahr 2011 über 1000 Streiks und Proteste gab - fünfmal soviele wie in den Jahren vor der Revolution - fanden alleine in der ersten Hälfte des Jahres 2013 5.500 Streiks statt.

Die herrschende Klasse reagierte darauf, indem sie die politische Verwirrung der Massen ausnutzte, denen eine revolutionäre marxistische Führung fehlte, um unter dem Deckmantel eines Volksaufstandes gegen Mursi eine konterrevolutionäre Offensive vorzubereiten. Gruppen wie die Revolutionären Sozialisten, die von der wachsenden Welle von Kämpfen der Arbeiterklasse gelähmt waren, spielten eine wichtige Rolle dabei, die vom Militär unterstützte Tamarod ("Rebellion")-Bewegung zu unterstützen, die das Militär aufforderte, Mursi zu entmachten.

Die Revolutionären Sozialisten und andere angeblich "linke" Gruppen, die Mubarak anfangs ablehnten, schlossen sich den Liberalen an und unterstützten den Putsch am 3. Juli 2013, der von al-Sisi angeführt wurde. Danach wurden tausende von Demonstranten gegen den Putsch massakriert, weitere zehntausende verhaftet, und Sisis Regierung zwang der Arbeiterklasse umfassende Erhöhungen der Energiepreise auf.

Mubaraks Freispruch ist das Ergebnis dieser konterrevolutionären Offensive, deren Ziel es ist, die Militärherrschaft unter Einsatz von Methoden wiederherzustellen, die sogar noch brutaler sind als diejenigen unter Mubarak.

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Bourgeoisie in den ehemaligen Kolonien eine genauso konterrevolutionäre Rolle spielt, wie in den imperialistischen Zentren. Es hat sich auch gezeigt, dass es unmöglich ist, die demokratischen Forderungen der Massen anders zu verwirklichen als durch einen revolutionären Kampf unter Führung der Arbeiterklasse gegen alle Fraktionen der Bourgeoisie. Dieser Kampf muss auf der Grundlage eines Programms für die Arbeitermacht und den Sozialismus und mit einer internationalen Strategie geführt werden, die die Revolution in jedem Land mit der sozialistischen Weltrevolution verbindet.

Im Laufe einer Revolution treten trotz der anfänglichen demokratischen Selbstdarstellung der Bourgeoisie die Probleme in den Vordergrund, die die Massen in den Kampf getrieben haben. Sie versuchen, etwas aus den Kämpfen zu gewinnen, die sie geführt haben, woraufhin der Widerstand der herrschenden Eliten gegen alle derartigen Forderungen immer brutalere Formen annimmt. Sofern die Massen die politischen Aufgaben, vor denen die Revolution steht, noch nicht verstanden haben, gewinnt die soziale Reaktion an Stärke und erobert die Positionen zurück, die sie verloren hat.

Die bisherigen bitteren Erfahrungen der ägyptischen Revolution haben das größte Problem offengelegt, mit dem die Arbeiterklasse nicht nur in Ägypten, sondern auf der ganzen Welt konfrontiert ist: die Krise der revolutionären Führung.

Selbst die größten Erhebungen der unterdrückten Massen können nicht alleine die grundlegenden Forderungen und Interessen der Arbeiterklasse sichern. Die herrschende Klasse und ihre Agenten, wie die pseudolinken Organisationen des privilegierten Kleinbürgertum, können die politische Verwirrung der Arbeiterklasse ausnutzen, deren Ursache die historischen Verrätereien ihrer alten bürokratischen Führungen sind - der Stalinisten, Sozialdemokraten und der Gewerkschaften.

Es muss eine revolutionäre Partei mit tiefen Wurzeln in der Arbeiterklasse aufgebaut werden, um die Massenkämpfe zur Eroberung der Macht und der Enteignung der Bourgeoisie zu führen.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale wusste das sehr gut und mahnte seit Beginn der ägyptischen Revolution die Notwendigkeit einer unabhängigen Perspektive und Organisation der Arbeiterklasse an. In einer Perspektivkolumne am 11. Februar 2011 schrieb die World Socialist Web Site:

"Die revolutionären Marxisten müssen die Arbeiter vor allen Illusionen warnen, dass ihre demokratischen Hoffnungen unter der Ägide bürgerlicher Parteien verwirklicht werden können. Sie müssen die falschen Versprechen der Vertreter der kapitalistischen Klasse schonungslos entlarven. Sie müssen die Schaffung unabhängiger Organe der Arbeitermacht ermutigen, die bei der Verschärfung des Kampfes zur Grundlage des Machtübergangs an die Arbeiterklasse werden können. Sie müssen erklären, dass die Verwirklichung der wesentlichen demokratischen Rechte der Arbeiter untrennbar mit der Durchsetzung sozialistischer Politik verbunden ist.

"Vor allem aber müssen revolutionäre Marxisten den politischen Horizont aller ägyptischen Arbeiter über die Grenzen ihres eigenen Landes hinaus erweitern. Sie müssen ihnen erklären, dass die sich jetzt entfaltenden Kämpfe in Ägypten unauflösbar mit dem beginnenden Prozess der sozialistischen Weltrevolution verbunden sind und dass der Sieg der Revolution in Ägypten keine nationale, sondern eine internationale Strategie erfordert... In diesem globalen Kampf ist der stärkste und unverzichtbare Verbündete der ägyptischen Massen die internationale Arbeiterklasse."

Diese Zeilen haben sich vollkommen bewahrheitet. Die bitteren Erfahrungen der ägyptischen Revolution müssen zum Anlass genommen werden, den Kampf für den Aufbau der notwendigen revolutionären Führung in der Arbeiterklasse zu führen. Die entscheidende Aufgabe, mit der die Arbeiterklasse in Ägypten und allen Ländern konfrontiert ist, ist der Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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