Schottland:

Die Rolle der Radical Independence Campaign

RIC erledigt Drecksarbeit für Scottish National Party

Die jährliche Versammlung der Radical Independence Campaign (RIC) wurde von den diversen pseudolinken Gruppen in Schottland als Chance gesehen, der Scottish National Party (SNP) ihre Dienste als Anwerber anzudienen.

Den größten Teil der 3.000 Teilnehmer stellte die International Socialist Group (ISG), eine Abspaltung von der Socialist Workers Party (SWP). Anwesend waren außerdem die Führer der Scottish Socialist Party (SSP), von Solidarity Scotland und ähnlichen Gruppierungen, die sich an SNP-Politiker oder an die Grünen anbiedern.

Es gab das übliche Gerede über den Aufbau einer "linken" nationalistischen Alternative zur SNP und geschwollene Phrasen darüber, den Erfolg von Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien zu kopieren. Beide Parteien haben sich aus den ehemals stalinistischen Parteien entwickelt und Fraktionen der diversen pseudolinken Gruppen um sich versammelt.

Dank der zunehmenden Feindschaft gegen alle großen Parteien und der Wut über die brutalen Sparprogramme haben diese Parteien schnell an Bedeutung gewonnen. Beide Parteien, Syriza wie Podemos, sind prokapitalistisch. Ihre soziale Basis bilden kleinbürgerliche Schichten vergleichbar denen, die sich zur RIC-Konferenz im Clyde Auditorium, dem Glasgow Science Centre und dem Crowne Plaza Hotel versammelt haben.

Allerdings grauste den meisten Teilnehmern der RIC vor der Aussicht, unabhängig von der – geschweige denn gegen die – SNP anzutreten. Stattdessen wurde über Wahlbündnisse mit der SNP geredet, um ihr zu helfen, die Kandidaten der Labour Party zu besiegen, und gleichzeitig "größtmöglichen Druck" auszuüben, um die SNP nach links zu drängen.

Die RIC übernimmt im Wesentlichen die Rolle, die Feindschaft gegenüber der rechten, wirtschaftsfreundlichen und arbeiterfeindlichen Politik der Labour Party vor den Karren einer Sektion der schottischen Bourgeoisie und ihrer Partei, der SNP, zu spannen. Daher lehnt sie jedes gemeinsame Vorgehen der Arbeiterklasse nördlich und südlich der Grenze ab, propagiert stattdessen die nationale Einheit der Schotten und stellt den schottischen Nationalismus und Separatismus als den einzigen Ausweg aus der Austerität und für die Durchsetzung von Sozialreformen dar.

Vor dem RIC-Treffen präsentierten deren diverse Anhängsel der SNP, was sie zu bieten hatten. SSP-Führer Colin Fox schlug in einem Brief an die neugewählte SNP-Führerin Nicola Sturgeon und den Parteichef der schottischen Grünen, Patrick Harvie, ein Bündnis mit der SNP und den Grünen vor. Er rief dazu auf, die Kandidaten der Independence Alliance, die sich beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum für ein „Ja“ eingesetzt hatten, bei der Parlamentswahl 2015 zu unterstützen. Die SSP werde "unsere Eigeninteressen zurückzustellen", um " die schottische Politik aus dem historischen Würgegriff der Labour Party zu befreien".

Was die RIC selbst betrifft, so haben ihre Vertreter das Scottish Left Project (SLP) innerhalb der International Socialist Group gegründet und sich die Unterstützung des gealterten ehemaligen stellvertretenden SNP-Chefs Jim Sillars gesichert. Jonathan Shafi und Cat Boyd betonten, sie seien keine neue Partei, und auch sie würden aus der Hoffnung auf ein Wahlbündnis heraus weitermachen und sich auf die schottische Parlamentswahl 2016 konzentrieren.

Sillars hat an die SNP appelliert, im Mai nächsten Jahres neben ihren eigenen Kandidaten auch andere Pro-Unabhängigkeits-Aktivisten antreten zu lassen, "um das Stimmgewicht zu maximieren, das wir für Schottland in Westminster einbringen".

"Wenn wir in die Stadtzentren vordringen und gewinnen wollen, dann müssen wir den Einfluss der Labour Party zurückdrängen", erklärte er. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Labour Party eine ordentliche Wahlschlappe erleidet. Die SNP muss sich die Frage stellen, wie das am besten geht."

Der ehemalige SSP-Chef Tommy Sheridan, der mittlerweile Solidarity Scotland anführt, brachte seine Unterstützer in der Socialist Workers Party und der Socialist Party in eine peinliche Situation, als er dazu aufrief, einfach die SNP zu wählen. Seine Organisation sah sich daraufhin gezwungen, ihr Gesicht zu wahren, indem sie eine Liste von möglichen Alternativen aufzählte, die "gleichzeitig die Einigkeit der Ja-Kampagne maximiert und den reaktionären Nein-Parteien weh tut", darunter ein "Ja-Bündnis", um zur Wahl von SNP-Kandidaten und einer "gemeinsamen linken Wahlinitiative" aufzurufen.

Allerdings betont Sheridan dennoch: "Ehrlich gesagt, glaube ich, die produktivste Taktik ist die, die Befürworter der Unabhängigkeit hinter der SNP zu vereinen."

Da die SNP am gleichen Abend im nahegelegenen SSE Hydro ihre eigene Veranstaltung mit 12.000 Gästen organisierte, um Sturgeon als neue Parteichefin einzusetzen, verkam die RIC-Veranstaltung zu einem langen, armseligen Bettelbrief an die SNP.

Die erste Rednerin war Suki Sanga, die höflich vorschlug, die Reichen könnten doch eigentlich "etwas mehr Steuern zahlen".

Sanga, die Mitglied des Scottish Trades Union Council und der International Socialist Group ist, erhielt mehr Applaus, als sie erklärte, die Gewerkschaften müssten aufhören, die Labour Party zu finanzieren. Angesichts der Tatsache, dass die Trade Union Group der SNP mittlerweile behauptet, mehr als 12.000 Mitglieder zu haben, ist es nicht schwer vorherzusehen, wer der größte Profiteur einer solchen Veränderung sein wird.

Colin Fox sprach sich für ein Ja-Bündnis bei der Wahl aus, doch sein vermeintlicher Partner, der Grünen-Abgeordnete im schottischen Parlament Patrick Harvie, rief die RIC stattdessen dazu auf, die SNP zur Verantwortung zu ziehen, da sie "in eine Periode der Dominanz einer Partei eintrete, von der die Labour Party nur träumen konnte".

Die Konferenz endete mit der wichtigtuerischen Verlesung eines "Volksschwures", den der Autor und Stückeschreiber Alan Bissett und Cat Boyd "im Namen der Enttäuschten, der Unzufriedenen, der Verarmten und der Verängstigten" verfasst hatten, und der "ewig währen und so lange eingehalten werden wird, wie wir und die Generation, die auf uns folgt, und die darauffolgende Generation den Atem dazu in unsern Lungen haben".

In Wirklichkeit vertritt auch die SNP heute formal schon viele der programmatischen Aussagen zu den Themen Fracking, Atomwaffen, Gleichberechtigung der Geschlechter in den Parteigremien und Ähnliches. Gleichzeitig begnügt sich ihr „Volkshaushalt“, wie Boyd ihn nennt, mit dem Versprechen, „die öffentlichen Leistungen vor den schlimmsten Kürzungen zu bewahren“.

Austeritätspolitik wird natürlich als "das Credo der Londoner Elite" dargestellt, nicht als einen Standpunkt, den auch die SNP teilt.

Iain Macwhirter bezeichnete den Schwur in einer vernichtenden, aber akkuraten Kritik im Herald als "mehr von Umweltschutz als vom Marxismus motiviert. Kapitalismus, oder gar Klassenkampf, die Zerschlagung des Staates oder die Inbesitznahme der Produktionsmittel wurden nicht einmal erwähnt..."

Hinsichtlich der RIC kam er zu dem Schluss: "Die Idee eines pan-nationalistischen Ja-Bündnisses bei der Parlamentswahl 2015 wurde ebenso aufgegeben wie Gespräche über eine neue linke Partei nach dem Vorbild von Syriza in Griechenland oder Podemos in Spanien. Die Führer von Radical Independence scheinen es für das Beste zu halten, wenn die SNP die Schlacht gegen das Establishment von Westminster anführt, was natürlich die Frage aufwirft, wofür die Kampagne eigentlich eintritt.“

George Kerevan, ein führendes SNP-Mitglied und damit kein unparteiischer Kommentator, stellte im Scotsman eine ähnliche Frage: "Ist es zu spät für neue Radikale?" Er wies darauf hin, dass die SNP "sage und schreibe 60.000 neue Mitglieder gewonnen hat" und schrieb: „Pech für eine schottische Version von Podemos, dass sich diese revolutionäre Welle direkt in die SNP ergossen hat und damit die äußerste Linke einfach ignoriert".

Die RIC und ihre Anhängsel entpuppen sich vor aller Augen als bloßer Wurmfortsatz der SNP. Sturgeon selbst sagte dem New Statesman: "Ich stimme nicht mit allem überein, was Radical Independence von sich gibt, aber ihr Beitrag zum Referendum, sowohl ihre Ideen als auch ihr konkreter organisatorischer Beitrag – ihr persönlicher Einsatz im ganzen Land, um Stimmen zu werben – war äußerst positiv."

Nicola Sturgeon könnte der RIC und mit ihr verbündeten Gruppen die Beteiligung an einem formellen Wahlbündnis mit der SNP zugestehen oder auch nicht, um Labour ein paar Schläge zu versetzen: "Ich habe mich nicht festgelegt, aber auch nichts ausgeschlossen", sagte sie dem New Statesman.

Jedenfalls findet die neue SNP-Führerin durchaus Gefallen daran, die Lügen der RIC auszunutzen, um die fadenscheinige Behauptung der SNP zu stärken, sie sei eine linke Alternative zu Labour, den Konservativen und den Liberaldemokraten. Umso mehr, als die SNP gerade jetzt Kürzungen durchsetzt und vor den Bankern und Unternehmern in die Knie geht. Die SNP hat zugestimmt, einzelnen Aktivisten, die keine Mitglieder sind, zu erlauben, für die SNP statt für ihre eigene Organisation anzutreten, und in der RIC gibt es gewiss Kräfte, die das Angebot nur zu gerne annehmen.

Loading