Perspektive

Europäische Mächte und die Folterpraxis der CIA

Die zahlreichen redaktionellen Änderungen an der Kurzfassung des CIA-Berichts können nicht verbergen, dass die europäischen Großmächte bei den grauenvollen Verbrechen des US-Imperialismus die Komplizenrolle spielten. Anfang Dezember hat der Geheimdienstausschuss des US-Senats den 525-seitigen Bericht über die Folterpraxis der CIA der Öffentlichkeit übergeben.

Vorletzte Woche wurde bekannt, dass Großbritannien darum ersucht hatte, in dem Bericht nicht erwähnt zu werden. Es ist ohnehin nur eine Kurzfassung eines Dokuments, das eigentlich 6.700 Seiten Umfang hat und weiterhin unter Verschluss gehalten wird. Zuvor hatten schon die CIA und Obama selbst durchgesetzt, dass jede Erwähnung der Beteiligung anderer Regierungen an den unvorstellbar brutalen Praktiken unterbleiben müsse.

Die CIA hatte gefordert, dass die Namen von Ländern, die Haftorte bereitstellten, „oder mit denen die CIA die Bereitstellung solcher Orte vereinbart hatte, sowie Informationen, die direkt oder indirekt auf die Identität dieser Länder hinweisen, in der als vertraulich eingestuften Version, die den Mitgliedern des Senate Intelligence Committee ausgehändigt wurde, zu schwärzen“ seien.

Doch die hohe Zahl an Schwärzungen, die sich von Anfang bis Ende des Dokuments durchziehen, deutet an, dass auch andere Länder, vor allem europäische, tief verstrickt sind.

Zu den elf Ländern, die als Statthalter der CIA entsprechende Einrichtungen unterhielten, gehörten auch Syrien und Libyen, die später ausschieden, weil die USA dort einen Regimewechsel herbeiführen wollten. Auf der kleineren Liste der sechs Länder, die direkt von der CIA kontrollierte Geheimgefängnisse unterhielten, stehen auch Polen, Litauen, Bosnien-Herzegowina und Rumänien.

Diese Liste sagt sehr viel darüber aus, wie „demokratisch“ jene Regime sind, die aus den „demokratischen Revolutionen“ hervorgingen, die der Westen zum Sturz der stalinistischen Regime in Osteuropa schürte, wie auch aus dem von den USA und Deutschland angeheizten Bürgerkrieg in Jugoslawien, der zur Aufspaltung des Landes führte.

Die CIA-Gefängnisse im Ausland werden im Bericht nur farblich gekennzeichnet – zum Beispiel Haftort Schwarz oder Blau. Polen, eines der wichtigsten Länder in dieser Sache, hatte die Farbe Blau.

Die Personen wurden zu den Haftorten, wo sie gefoltert werden sollten, im Rahmen des Programms der „außerordentlichen Überstellungen“ transportiert. Direkt involviert in dieses gigantische kriminelle Unternehmen waren 54 Regierungen (ein Viertel aller Staaten der Welt, darunter über zwanzig europäische).

Um diese Zusammenarbeit herzustellen, zu der auch mindestens tausend CIA-Flüge gehörten, flossen viele Millionen Dollar an Blutgeld. „CIA-Zentralen hielten CIA-Dienststellen an, ‚Wunschlisten‘ zu erstellen, auf denen die Höhe der finanziellen Belohnung für ausgewählte Regierungen vorgeschlagen wurde, und sich bei den Zahlungen ‚großzügig’ zu verhalten“, heißt es im Bericht. Für Einrichtung und Unterhalt des Haftzentrums Violett zahlte Washington an Litauen eine Million Dollar.

Hauptrollen spielten Großbritannien, Italien, Deutschland, Portugal und Spanien. Dabei gab es Überstellungen von Bürgern ihrer Länder und, im Fall von Großbritannien, direkte Mitwirkung an Folterungen.

Die SPD-Grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder spielte eine Rolle bei der Überstellung von Khalid El-Masri, einem Deutsch-Libanesen, den die CIA illegal festhielt.

Italien war 2003 an der Verschleppung des Klerikers Abu Omar aus Mailand beteiligt, der in sein Herkunftsland Ägypten überstellt wurde, wo man ihn folterte. 23 Amerikaner (kein Italiener) wurden später schuldig gesprochen und in einem dreieinhalbjährigen Prozess zu sieben bis neun Jahren Haft verurteilt. Doch keiner der Angeklagten wurde jemals in Untersuchungshaft genommen, geschweige denn inhaftiert.

Großbritannien war an Überstellungsflügen beteiligt und verhörte Verdächtige, von denen man wusste, dass sie gefoltert worden waren. Binyam Mohamed, ein britischer Staatsbürger, wurde gefoltert und anschließend nach Guantanamo gebracht. 2010 gab das britische Berufungsgericht ein früheres Urteil bekannt, wonach der Inlandsgeheimdienst MI5 an der Folterung Mohameds beteiligt war.

Sami-al-Saadi und Abdel Hakim Belhaj wurden 2004 gemeinschaftlich von den USA und Großbritannien aus Hongkong verschleppt und nach Libyen überstellt, wo sie von der Geheimpolizei des Gaddhafi-Regimes gefoltert wurden. Saadis Kinder im Alter von sechs, neun und elf Jahren sowie seine schwangere Frau wurden in Bangkok gekidnappt und von der CIA überstellt. Belhaj behauptet, in Tripoli von Beamten des Auslandsgeheimdienstes MI6 verhört worden zu sein.

Die Forderung nach einer Untersuchung dieser Verbrechen wurde 2007 im Europäischen Parlament abgelehnt, und überall dort, wo sie erhoben wurde, blockiert.

Die europäischen Mächte haben lediglich Pro-Forma- und eigennützige Erklärungen zu den Ergebnissen des Reports abgegeben. Die Sprecherin der EU, Catherine Ray, sagte, der Bericht „wirft wichtige Fragen über die Verletzung der Menschenrechte auf, begangen durch amerikanische Behörden und Personen im Auftrag der Geheimdienste“. Die Mitgliedsstaaten der EU „erkennen Präsident Obamas Versprechen an, sein Amt zu nutzen, um dafür zu sorgen, dass solche Methoden nie wieder angewandt werden“.

Das sind glatte Lügen. Die europäische politische Elite weiß genau, dass Obama alles in seiner Macht Stehende tat, die Veröffentlichung des Berichts ganz zu verhindern. Sie werden in die Welt gesetzt, während in den USA eine Konteroffensive durch die CIA und führende Persönlichkeiten der Bush-Ära im Gange ist. Diese beharren darauf, die Folterungen seien gerechtfertigt gewesen, und Richter Antonin Scalia vom Obersten Gerichtshof der USA behauptet, sie hätten sich im Einklang mit der amerikanischen Verfassung befunden.

Die Erfahrung zeigt, dass die europäischen Mächte, Kanada, Australien und andere Staaten auch weiterhin mit den USA gemeinsame Sache machen und notfalls ihren Teil zu deren Verbrechen beitragen werden. Der Bericht über CIA-Folter zeigt nicht nur die Verbrechen einer früheren Regierung der USA oder gar nur der CIA als Institution. Das Dokument zeigt, dass die Politik aller Großmächte der Welt im Bereich des Kriminellen angekommen ist.

Aus zwei Gründen versetzt der Bericht die europäischen Staatsführer in Unruhe.

Einmal geht es um das Schicksal Einzelner, etwa um Tony Blair. Manfred Nowak, ein ehemaliger Sonderberichterstatter der UNO, der 1984 an der Ausarbeitung der UN-Konvention gegen Folter beteiligt war, sagte gegenüber Bloomberg News, der Bericht könne zu einer „Flut von Verfahren“ führen.

Zweitens fürchtet die politische Elite, dass selbst eine begrenzte Aufdeckung der begangenen Verbrechen innenpolitisch und international Widerstand gegen künftige Verbrechen der Großmächte hervorrufen werde.

„Diejenigen unter uns, die für eine sicherere Welt eintreten, die diesen Extremismus besiegen wollen ­: Wir werden keinen Erfolg haben, wenn wir unsere moralische Autorität verlieren“, dozierte der britische Premier David Cameron hochtrabend.

„Die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Werte muss die Grundlage unseres gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus sein“, ließ Angela Merkel verkünden. Nur so könne man “glaubwürdig handeln und diesen Kampf gewinnen“.

Das leere und heuchlerische Gerede wird nicht die erhoffte Wirkung erzielen. All jene, die sich lange hinter der Fassade von „humanitärer Intervention“ versteckt haben und jeden Staat, in dem sie einen Regimewechsel herbeiführen wollten, beschuldigt haben, er verletze die Normen der „Zivilisation“ und „Demokratie“, sind jetzt entlarvt.

Ihre Folterpraxis ist keine Verfehlung, ebenso wenig wie die Beschneidung demokratischer Freiheiten in jedem Land im Namen des „Kriegs gegen den Terror“. Sie ergibt sich zwangsläufig aus dem Streben der imperialistischen Mächte, sich die Welt zu unterwerfen und ihre Ressourcen und Märkte unter sich aufzuteilen. Ihr Gesellschaftssystem muss gestürzt, und diese ganze kriminelle Bande wegen Kriegsverbrechen auf die Anklagebank gesetzt werden.

Loading