Oxfam:

Das reichste Prozent wird über mehr Reichtum verfügen als die unteren 99 Prozent der Weltbevölkerung

Im nächsten Jahr wird einem Bericht des Wohlfahrtsverbandes Oxfam zufolge das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr Reichtum angehäuft haben als die restlichen 99 Prozent. Der Bericht zeigt, dass die Geschwindigkeit, mit der die globale Finanzoligarchie den Reichtum der Weltgesellschaft monopolisiert sich keineswegs abschwächt oder umkehrt, sondern zunimmt.

Der Bericht weist nach, dass der Reichtum der 80 reichsten Personen sich zwischen 2009 und 2014 verdoppelt hat, während die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung (3,5 Milliarden Menschen) 2014 über weniger verfügt als 2009.

2010 waren es 388 Milliardäre, die über ebenso viel Vermögen verfügten wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. 2013 hat sich diese Zahl auf nur 92 Milliardäre verringert und 2014 sank sie auf 80.

Oxfam veröffentlichte den Bericht so, dass er zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos vorliegt. In dem Wintersportort und seiner Umgebung wird die Landung von etwa 1.700 Privatjets erwartet, mit denen ungefähr 100 Milliardäre und mehr als 2.000 Konzernvorstände, Prominente, Nationalbanker und Staatschefs eintreffen werden. Zu ihnen gesellt sich eine kleine Armee von Journalisten.

Der Außenminister der USA John Kerry wird sich zu dem Französischen Präsidenten François Hollande, dem italienischen Premierminister Matteo Renzi, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem chinesischen Premier Li Keqiang und weiteren 35 hochrangigen Politikern aus aller Welt gesellen.

Zu den übrigen Teilnehmern gehören Jack Ma, der letztes Jahr mit dem Börsengang von Alibaba 25 Milliarden Dollar verdiente, sowie Bill Gates, der reichste Mann der Welt. Eric Schmidt von Google, der 8 Milliarden Dollar netto hat, ist stellvertretender Vorsitzender des Forums. Die 2.500 Teilnehmer werden von 4.500 Schweizer Soldaten geschützt.

Die in Davos versammelten Millionäre und Milliardäre, an die Oxfam appelliert, gehören genau der Schicht an, deren obszöner Reichtum in dem Bericht des Verbandes angeprangert wird.

Das Anwachsen der sozialen Ungleichheit, das der Bericht dokumentiert, ist die Folge der Politik, die die herrschende Klasse nach der Finanzkrise von 2008 verfolgte. Ein beträchtlicher Teil der diesjährigen Teilnehmer in Davos half diese Politik voranzutreiben. Regierungen reagierten auf den Zusammenbruch von Anlagewerten und der Insolvenz von Großbanken, indem sie im Zuge der Bankenrettung ungefähr 12 Billionen Dollar in die Finanzmärkte pumpten, Zinssätze von Null Prozent festsetzten und die Zentralbanken Geld drucken ließen (quantitative Lockerung).

Dieses buchstäblich kostenlose Geld wurde benutzt, um die Börsen der Welt zu füttern und Unternehmensprofite auf Rekordhöhen zu treiben. Die gleichen Regierungen und Zentralbanken setzten eine brutale Kürzungspolitik gegen die Arbeiterklasse durch und trieben viele Millionen in die Armut.

Am Tag, an dem der Oxfam-Bericht erschien, rieben sich die Banker und Spekulanten überall auf der Welt die Hände in Vorfreude auf die quantitative Lockerung durch die Europäische Zentralbank, die sie diese Woche auf ihrer Sitzung beschließen will.

Der Oxfam-Bericht bemerkt, dass “2010 einen Wendepunkt bei der Verteilung des Reichtums der Welt“ hin zum obersten Prozent markiert. Dies war auch das Jahr, in dem die US-Zentralbank, die Federal Reserve, die zweite Stufe der quantitativen Lockerung zündete und das Drucken von Geld massiv verstärkte.

Oxfam fand außerdem heraus, dass “2014 das reichste Prozent der Weltbevölkerung 48 Prozent des globalen Reichtums besaß, was heißt, dass 99 Prozent der erwachsenen Menschen auf dem Planeten sich die restlichen 52 Prozent teilen mussten“. Weiter heißt es: „Fast die gesamten 52 Prozent gehören davon den reichsten 20 Prozent, während für die restlichen 80 Prozent der Weltbevölkerung – das sind etwa 5,6 Milliarden Menschen – nur 5,5 Prozent übrig bleiben.“

Oxfam zitiert Zahlen von Forbes und stellt fest, dass es 1.645 Milliardäre auf der Welt gibt, von denen fast 30 Prozent (492) in den Vereinigten Staaten leben. „Die Milliardäre aus den USA stellen fast die Hälfte der gesamten Forbes Liste der Milliardäre, die mit dem Finanzsektor verbunden sind“, schreibt der Wohlfahrtsverband.

Es spiegelt das Parasitentum, das dem kapitalistischen Weltsystem heute innewohnt, wieder, dass im Finanz- und Versicherungssektor heute mehr Milliardäre zu Hause sind als in jedem anderen Unternehmensbereich. So heißt es im Bericht: „Seit März 2013, sind aus diesen Bereichen 37 neue Milliardäre hervorgegangen und nur sechs sind aus der Liste verschwunden. Der angehäufte Reichtum der Milliardäre aus diesen Bereichen hat in einem einzigen Jahr von 1,01 Billionen Dollar auf 1,16 Billionen Dollar zugenommen, was einem nominalen Anwachsen von 150 Milliarden oder 15 Prozent entspricht.“

Die Oxfam-Vorsitzende Winnie Byanyima gehört gemeinsam mit dem Präsidenten der Weltbank Jim Yong Kim und Schmidt von Google zu den stellvertretenden Vorsitzenden der Veranstaltung in Davos. Der Wohlfahrtsverband erklärte: „Byanyima wird ihr Amt in Davos nutzen, um dringend zum Handeln aufzurufen, damit diese steigende Flut der Ungleichheit eingedämmt werden kann, angefangen mit einem Durchgreifen gegen die Steuerhinterziehung der Unternehmen.“

Der Versuch, die Versammlung in Davos als ein Forum gegen die soziale Ungleichheit zu benutzen ist geradezu absurd und grotesk. In der Presseverlautbarung zum Bericht zitiert Oxfam Lady Lynn Forester de Rothschild, die Vorsitzende der Koalition für inklusiven Kapitalismus mit den Worten: “All diejenigen, die sich in Davos versammeln und eine stabile und blühende Welt wünschen, sollten dem Thema soziale Ungleichheit oberste Priorität einräumen.“

Lady Rothschild ist mit dem britischen Finanzier Evelyn de Rothschild verheiratet, dessen Nettovermögen auf 30 Milliarden Dollar geschätzt wird. Sie sprach auf der Oxfam-Veranstaltung am Montag. In der Presseerklärung zur Veranstaltung heißt es: „Die Ungleichheit gerät außer Kontrolle, aber dass man etwas gegen diese Frage unserer Zeit unternehmen muss, gewinnt an Zustimmung. Von …Barack Obama bis zu Papst Franziskus, stimmt man deutlich überein, dass die extreme Ungleichheit Gesellschaften, Regierungshandeln und Wirtschaftswachstum zerstört.“

Diese Warnungen über das Anwachsen der Ungleichheit haben ihren Ursprung in den Befürchtungen der Finanzaristokratie, dass die immer offensichtlichere und widerwärtige Kluft zwischen den Superreichen und allen Anderen revolutionäre Konsequenzen haben wird.

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