Perspektive

Syriza fasst staatliche Repression ins Auge

Die von Syriza geführte Regierung werde unter allen Umständen für „Ruhe und Ordnung“ sorgen. Mit dieser Zusage reagierte Ministerpräsident Tsipras auf die Forderung nach einem harten Durchgreifen der Polizei, die Vize-Innenminister Giannis Panousis angesichts von Protestaktionen in Athen erhoben hat.

Anarchistische Gruppen hatten Universitätsgebäude, die Parteizentrale Syrizas und Teile des Parlaments besetzt. Für diese Aktionen seien „reinrassige Linke“ verantwortlich, erklärte Panousis daraufhin in einer Kolumne auf der Titelseite der Tageszeitung To Vima vom 3. April.

Es sei ein Irrglauben, dass eine „linke Regierung ein schutzloses Land, eine schutzlose Stadt (ohne persönliche, soziale, nationale Sicherheit, ohne Armee und ohne Polizei und vielleicht sogar ohne Richter oder Gefängnisse)“ bedeute, so Panousis. „Die Stunde der Linken in Griechenland ist nicht die Stunde gescheiterter Ideologien und oberflächlicher Parolen, sondern die Zeit institutioneller Konsolidierung, politischer Legitimität und gesellschaftlichen Zusammenhalts.“

Mit dieser Stellungnahme dringt eine bisher interne Debatte über die Regierungspolitik an die Öffentlichkeit.

Panousis ist Kriminologe und war früher Mitglied der Demokratischen Linken (einer rechten Abspaltung von Syriza, die im Rahmen einer Koalitionsregierung ab 2012 an Kürzungsmaßnahmen beteiligt war). Mit seiner Ernennung zum Minister für öffentliche Ordnung sollte der herrschenden Elite in Griechenland und international vor Augen geführt werden, dass die neue Regierung „Ruhe und Ordnung“ aufrechterhalten wolle. Ergänzend berief Syriza im Rahmen ihrer Koalition mit den fremdenfeindlichen „Unabhängigen Griechen“ deren Parteiführer Panos Kammenos zum Verteidigungsminister.

Unmittelbar nach der Wahl vom 25. Januar hatte Panousis erklärt, dass „die Polizei bei Demonstrationen weiterhin Waffen tragen wird“, und damit Syrizas Wahlversprechen, die Bereitschaftspolizei abzuschaffen, über den Haufen geworfen.

In den letzten Wochen forderte er die Wiedereinführung der kommunalen Polizei, die von der vorherigen Regierung abgeschafft worden war, und schlug vor, sie in „Kommunale Mediationsbehörde“ umzubenennen. Im Polizeidirektorat der Region Peloppones sagte er vor einem faschistisch gesonnenen Publikum: „Wir sind bemüht, allen die neue Identität der griechischen Polizei deutlich zu machen. Nicht nur über die Verbrechensbekämpfung, sondern auch über die neue Rolle der Polizei in der Gesellschaft und bei der Prävention streben wir Konsens an.“

„Griechenland kann keine weiteren Zuwanderer verkraften“, betonte er.

Panousis Artikel in To Vima wurde von führenden Politikern unterstützt. Bildungsminister Aristides Baltas äußerte sich zustimmend, und Justizminister Nikos Paraskevopoulos bezeichnete seine Ansichten als „Selbstverständlichkeit“. Der Sprecher von Ministerpräsident Tsipras legte lediglich Wert auf die Klarstellung, dass Panousis nicht „die Politik der Regierung oder ihrer Minister kritisiert und auch nicht die politischen Kräfte, die die Regierung unterstützen“. Syriza sehe sich „weiter in der Pflicht, unser Land als Nation der Gesetzlichkeit, der Rechte und der Ordnung zu verteidigen.“

Diese offene Verteidigung polizeilicher Repression durch die Führungsspitze von Syriza ist ein äußerst ernst zu nehmendes Warnzeichen.

Vor Syrizas Wahlsieg im Januar gab es mehr als dreißig Generalstreiks gegen die Austeritätspolitik, die von der Troika (Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds) diktiert wurde. Sie richteten sich damals noch gegen Regierungen unter der Führung der konservativen „Nea Dimokratia“, mit der die sozialdemokratische PASOK dann 2012 eine Koalition einging.

Immer wieder wurden diese Proteste von der Bereitschaftspolizei niedergeschlagen, die enge Verbindungen zur faschistischen „Goldenen Morgenröte“ unterhält. Eine offizielle Untersuchung dieser Verbindungen führte im Dezember 2013 zur Verhaftung von fünfzig Personen, unter ihnen zehn führende Polizeibeamte. Der Polizeigewalt tat dies keinen Abbruch. Amnesty International spricht in einem Bericht von „einer fest verankerten Kultur von Straflosigkeit, tief verwurzeltem Rassismus, exzessiver Gewaltanwendung gegen Demonstranten und Misshandlung von Einwanderern und Flüchtlingen“.

Proteste gegen die Austeritätspolitik wurden 2013 und 2014 in Athen wiederholt verboten und Demonstranten und Journalisten schwer verprügelt.

Als sich die sozialen Spannungen immer mehr verschärften, wurde Syriza von den Medien als politische Alternative aufgebaut. Angeblich sollte sie gegen die Kürzungspolitik kämpfen und gleichzeitig Griechenland im Euro halten können, ohne die Herrschaft des griechischen Kapitals in Frage zu stellen.

Um solche Behauptungen glaubhaft erscheinen zu lassen, spielten die pseudolinken Gruppen eine Schlüsselrolle: die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) in Frankreich, die britische Socialist Workers Party (SWP) und die International Socialist Organisation (ISO) in den USA. Sie alle priesen Syriza als neues Vorbild und als Beweis dafür, dass der Widerstand gegen Sozialabbau keinen revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus erfordere und eine gemeinsame Offensive der europäischen Arbeiterklasse für ein sozialistisches Europa nicht notwendig sei.

Stattdessen wetterten sie ständig gegen die „sektiererischen“ Kritiker Syrizas, womit sie in erster Linie die World Socialist Web Site und das Internationale Komitee der Vierten Internationale meinten. Während wir den bürgerlichen Klassencharakter und die rechte Politik Syrizas analysierten und entlarvten, rechtfertigten die Pseudolinken das Bündnis Syrizas mit den Unabhängigen Griechen und erhoben es zur unabdingbaren „Realpolitik“.

Obwohl Syriza zugesagt hat, die von der Troika geforderten Kürzungen größtenteils durchzuführen und alle Kredite zurückzuzahlen, konnte sie bisher die Gutmütigkeit der griechischen Arbeiter und die lang hingezogenen Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands ausnutzen, um ihr oppositionelles Image aufrechtzuerhalten. Aber diese Phase geht jetzt zuende.

Syriza hat nur noch zwei Wochen Zeit, um eine Liste mit Kürzungen vorzulegen, die die Gläubiger Griechenlands zufriedenstellt. Ob es ihr gelingt, Griechenland in der Eurozone zu halten, oder ob sie scheitert und Griechenland ausscheidet, es wird in jedem Fall zu weiteren brutalen Angriffen auf Millionen Arbeiter kommen, die schon jetzt kaum noch überleben können.

Während ihre Verteidiger Nebelkerzen werfen, bereitet sich Syriza auf die Zeit vor, in der sie ihre Austeritätspolitik nicht mehr mit hohlen Phrasen vertuschen kann.

In Gesprächen mit dem Verteidigungsministerium und dem Oberkommando der Armee stellte Tsipras bereits im Juni 2012 klar, dass er bereit sei, „die territoriale Integrität des Landes und die nationale Unabhängigkeit zu verteidigen“. Im Oktober 2014 traf er sich mit dem Verteidigungsminister, um die geostrategischen Ziele Griechenlands zu erörtern. Damals lobte er die „selbstlose Opferbereitschaft“ der Soldaten. Vor seiner Amtsübernahme nach dem Wahlsieg im Januar versicherte er dem Generalstabschef der Armee und dem Chef der Polizeikräfte, dass es kein „Machtvakuum“ geben werde.

Syriza ist bereits jetzt zu einem Synonym für Doppeldeutigkeit und Verrat geworden. Die Syriza-Regierung handelt ausnahmslos als loyaler Verteidiger der griechischen Bourgeoisie und als Vehikel für eine privilegierte kleinbürgerliche Schicht, die von ehemaligen Akademikern wie Panousis, Paraskevopoulos und Finanzminister Yannis Varoufakis verkörpert wird. Auf Initiative von Panousis hat Syriza nun zu verstehen gegeben, dass sie durchaus nicht vor staatlicher Gewalt zurückschrecken wird, um den sozialen Widerstand der Arbeiterklasse niederzuschlagen.

In diesem Fall werden sich die pseudolinken Verteidiger Syrizas mit Blut beflecken. Viele sind mit einer eigenen Fraktion in Syriza vertreten. Sie entwaffnen die Arbeiterklasse politisch und ermöglichen es der herrschenden Klasse, den Unterdrückungsapparat des Staates auf die Konterrevolution vorzubereiten.

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