Politische Krise in Pakistan

Saudi-Arabien fordert Unterstützung im Krieg gegen Jemen

Saudi-Arabiens Forderungen an den langjährigen Verbündeten Pakistan, sich am Krieg gegen den Jemen zu beteiligen, haben zu einer politischen Krise in Islamabad geführt.

In den zwei Wochen, seit Saudi-Arabien erklärte, Pakistan sei Teil der Kriegskoalition, hat Islamabad hektische diplomatische Aktivitäten entfaltet, und versucht, ein Gleichgewicht zwischen den sunnitischen Monarchien am Golf und dem benachbarten Iran herzustellen. Zur gleichen Zeit fürchtet Pakistans politischer und militärischer Apparat den Ausbruch religiöser Spannungen im eigenen Land.

Luftangriffe der saudischen Luftwaffe und ihrer Verbündeten auf die vom Iran unterstützten Huthi Rebellen und auf Einheiten, die sich dem Ex-Diktator Ali Abdullah Saleh gegenüber loyal verhalten, töten im Jemen täglich weiterhin Dutzende Zivilisten und verwüsten Dörfer und Städte.

Weil Riad sich der Unterstützung Washingtons gewiss ist, weist es nicht nur die Forderung zurück, seinen illegalen Krieg zu beenden, sondern trifft sogar Vorbereitungen für eine Bodenoffensive an der Spitze einer Koalition aus mehreren Staaten, um seinem regionalen Rivalen Iran, der die Huthi-Rebellen unterstützt, einen Schlag zu versetzen.

Der Krieg hat bereits religiöse Spannungen zwischen überwiegend schiitischen bzw. sunnitischen Staaten und Milizen im Nahen Osten verstärkt. Diese Entwicklungen sind besonders für Pakistan beunruhigend, wo jahrzehntelange US-Interventionen und Kriege zu tiefen religiösen Gegensätzen geführt haben.

Als mehrheitlich sunnitisches Land hat Pakistan eine beträchtliche schiitische Minderheit, die 20 Prozent der Bevölkerung und damit ca. 40 Millionen Menschen ausmacht. Die sunnitisch islamistischen Milizen, die aus dem von der CIA unterstützten Stellvertreterkrieg gegen die Sowjetunion in Afghanistan hervorgingen, haben in den letzten Jahren mehrere tausend Schiiten und andere Minderheiten des Landes getötet.

Als Reaktion auf die Nachrichten aus Saudi-Arabien, Pakistan werde sich am Krieg gegen den Jemen beteiligen, veröffentlichte Islamabad zunächst widersprüchliche und mehrdeutige Stellungnahmen. Die Regierung erklärte ihre Unterstützung für Saudi-Arabien, vermied es aber, sich öffentlich zur direkten Beteiligung zu verpflichten.

An dem Tag, an dem die Luftangriffe begannen, erklärte Ministerpräsident Nawaz Sharif: "Jede Bedrohung der territorialen Integrität Saudi-Arabiens würde eine starke Reaktion Pakistans hervorrufen". Doch am nächsten Tag teilte die Regierung dem Parlament mit, sie habe "keinen Entschluss gefasst", sich an dem Krieg zu beteiligen.

Einen Tag später bot Sharif dem saudischen König Salman bin Abdulasis Al Saud in einem Telefongespräch "alle Fähigkeiten der pakistanischen Armee" an.

Danach schickte die Regierung am vergangenen Montag eine Delegation mit Verteidigungsminister Khawaja Asif und dem Nationalen Sicherheitsberater Sartaj Aziz an der Spitze sowie weiteren hohen Generälen nach Riad, um "die Situation zu beurteilen". Nach ihrer Rückkehr reiste Sharif selbst nach Ankara, wo er sowohl den türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu als auch Präsident Recep Tayyip Erdogan traf.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Davutoglu erklärte Sharif: "Uns beschäftigt der Sturz der legitimen Regierung im Jemen durch Gewaltanwendung nichtstaatlicher Akteure" und bezog sich damit auf die Huthi-Rebellen. Er fügte hinzu, Pakistan habe sich verpflichtet "die Souveränität und territoriale Integrität von Saudi-Arabien" zu wahren.

In Wirklichkeit ist der Jemen keine Bedrohung für Saudi-Arabien. Sharifs Äußerungen zielten sowohl darauf ab, Saudi-Arabien zu beschwichtigen, als auch die militärische Unterstützung zu begründen, die Islamabad bereits zur Verfügung gestellt hat oder noch stellen wird. Sharif ging so weit zu behaupten Pakistan sei für eine "friedliche Lösung des Konflikts im Jemen".

Es gibt auch die Befürchtung im politischen Apparat, eine Gegenreaktion des Iran könne das Land weiter destabilisieren. Immerhin hat der Iran mit Pakistan eine 700 Kilometer lange Grenze und verfügt über erheblichen Einfluss in Afghanistan. Iranische Funktionäre trafen sich mit Pakistans Botschafter Noor Mohammad Jadmani, um ihre Besorgnis über die Berichte bezüglich Pakistans Kriegsbeteiligung deutlich zu machen. Sie bestanden auf einer "Politik der Nichteinmischung" und forderten einen "Dialog" mit Islamabad über die Krise. Irans Außenminister Jawed Sarif sollte am Dienstag Pakistan besuchen.

Die Besorgnis in der herrschenden Klasse zeigte sich in Sharifs Forderung vom Montag nach einer gemeinsamen Sitzung des Unter- und Oberhauses des Parlaments. Der Stellvertretende Vorsitzende der Pakistanischen Volkspartei, der größten Oppositionspartei, und ehemalige Präsident Asif Ali Zardari stellte sich in der vergangenen Woche vollkommen hinter die Regierung und erklärte: "Die internationale Gemeinschaft hat die kollektive Verantwortung, Hand in Hand gegen die [Huthi] Miliz vorzugehen, um Saudi Arabien und den Jemen zu schützen.“

Die sich abzeichnende Einigkeit, deutet daraufhin dass Pakistan seine Rolle im Krieg wahrscheinlich ausweiten wird, auch wenn es öffentlich weiterhin behauptet, eine Politik der "Nichteinmischung" zu verfolgen. Zur gleichen Zeit versucht die Politik eine Zunahme der religiösen Spannungen im Land zu verhindern. Letzten Monat erklärte Verteidigungsminister Khawaja Asif im Parlament die Risiken und sagte: "In Syrien, dem Jemen und dem Irak werden Spaltungen angeheizt und müssen eingedämmt werden. Die Krise hat auch ihre Bruchlinien in Pakistan, [wir] wollen keine schlafenden Hunde wecken.“

Das Dilemma wurde am 27. März zusätzlich in einem Leitartikel der englischsprachigen Tageszeitung Dawn zum Ausdruck gebracht. Sie erklärte, Pakistan solle angesichts der strategischen Beziehungen zu Saudi-Arabien einerseits und der geografischen Nähe zum Iran andererseits" nicht Partei für eines der beiden Länder ergreifen."

Bei einem seltenen dreitägigen Besuch in Pakistan im Februar 2014 bewirkte der damalige saudische Verteidigungsminister Prinz Salman eine Meinungsänderung Islamabads in Bezug auf Syrien. Pakistan verwarf seine Politik der "Nichteinmischung" und forderte ein "transnationales Organ mit voller Exekutivgewalt", was mit anderen Worten den Sturz von Präsident Bashar al-Assad bedeutet hätte. Wochen später wurde bekannt, dass Saudi-Arabien einer Hilfe von 1,5 Mrd. US-Dollar für die krisengeschüttelte Wirtschaft Pakistans zugestimmt hatte.

Nach Angaben der amerikanischen Brookings Institution "hat Pakistan seit den 1960er Jahren von Saudi-Arabien mehr Hilfe erhalten, als jedes andere Land außerhalb der arabischen Welt ". Es ist auch eine wichtige Quelle von Auslandsüberweisungen nach Pakistan, die sich allein im vergangenen Monat auf 453 Millionen Dollar beliefen. Laut Al Dschasira, stammt das Geld von "mehr als 1,5 Millionen oft schlecht behandelten Wanderarbeitern".

Saudi-Arabien und Pakistan verfügen mit Unterstützung Washingtons über langjährige militärische Beziehungen. Seit den 1960er Jahren sind pakistanische Truppen in Saudi-Arabien stationiert und stellen wesentliche Streitkräfte für die Verteidigung der reaktionären Monarchie bereit. Saudi-Arabiens enge Beziehung mit Pakistan entwickelte sich in den 1980er Jahren, als es die „Islamisierung“ der pakistanischen Politik unter dem von den USA unterstützten Diktator Zia-ul Haq finanzierte und den Krieg in Afghanistan in Übereinstimmung mit den amerikanischen Zielen unterstützte. In dieser Zeit entwickelte sich Sharif zum Günstling Zias und stellte enge Beziehungen zur saudischen Monarchie her.

Man sagt, Pakistan habe bis zu 60 Prozent der Mittel für sein Atomprojekt von Riad erhalten. Nach jüngsten amerikanischen und britischen Presseberichten wurden diese in der Erwartung zur Verfügung gestellt, Saudi-Arabien könne von Pakistan jederzeit Atomwaffen erhalten, vor allem falls der Iran irgendwann die Bombe entwickeln sollte.

Pakistans Möglichkeiten, Riad im Krieg im Jemen zu unterstützen, sind aber ganz praktisch begrenzt, da es bereits einen Krieg in den zentral verwalteten Stammesgebieten im Nordwesten gegen islamistische Milizen führt. Es unterhält auch starke Truppenverbände im Süden an der Grenze zu seinem Erzrivalen Indien. In der Provinz Belutschistan an der Grenze zum Iran werden nationalistische separatistische Milizen brutal unterdrückt.

Gleichgültig, welche Manöver die herrschende Klasse unternimmt: die Eskalation des Kriegs im Jemen wird zutiefst destabilisierende Auswirkungen auf Pakistan haben und die Gefahr eines regionalen Krieges im gesamten Nahen Osten sowie Zentral- und Südasien vergrößern.

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