Unbefristeter Streik bei der Postbank

Seit Montag streiken mehre Tausend Beschäftigte der Postbank. In der vergangenen Woche hatten 94,8 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder bei einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik gestimmt.

Das hohe Urabstimmungsergebnis macht deutlich, wie angespannt und gereizt die Stimmung unter den Beschäftigten ist. Seit die Postbank in den Jahren 2008 bis 2010 schrittweise von der Deutschen Bank übernommen wurde, fand eine systematische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen statt. Die Zahl der Beschäftigten, die zur Zeit der Übernahme noch 20.000 betrug, wurde seitdem stark abgebaut.

Der Urlaubsanspruch wurde reduziert, die Arbeitszeit verkürzt und der Arbeitsdruck ständig erhöht, während gleichzeitig die Gehälter sanken. Die Deutsche Bank setzte ein radikales Kostensenkungsprogramm durch. Viele Tätigkeiten wurden ausgegliedert, und Beschäftigte mussten nicht selten Lohneinbußen von 30 Prozent und mehr hinnehmen.

Zusätzlich zu diesen ständigen Verschlechterungen kommt nun noch die Ankündigung des Deutsche Bank-Vorstands, die Postbank wieder abzustoßen. Noch sind die Einzelheiten nicht bekannt. Zur Debatte stehen verschiedene Vorschläge, die der Vorstand um Jürgen Fitschen und Anshu Jain dem Aufsichtsrat am 24. April zur Entscheidung vorlegen will. Alle Vorschläge haben aber eines gemeinsam: Kostensenkung und sogenannte „Effizienzsteigerung“ durch weiteren Arbeitsplatz- und Sozialabbau.

Zeitweise wurde über Pläne berichtet, nicht nur die Postbank, sondern auch den Privatkundenbereich der Deutschen Bank selbst mit 33.000 Beschäftigten abzustoßen. Doch auch wenn die Deutsche Bank das eigene Privatkundengeschäft behält, sollen etwa ein Drittel der 700 Filialen geschlossen und die restlichen „durchrationalisiert“ werden.

Der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, schwärmte gegenüber dem Manager Magazin von „35 Prozent Eigenkapitalrendite“, die man in diesem Marktsegment erzielen könne. Es wird spekuliert, dass die Commerzbank mit ihren 15 Millionen Privatkunden die Postbank kaufen könnte, die einen Stamm von 14 Millionen Privatkunden besitzt. Die Folge wäre ein massiver Personalabbau bei der Zusammenlegung von Filialen. Auch die spanische Bank Santander ist an der Postbank interessiert.

Die Gewerkschaft Verdi hat auf den geplanten Arbeitsplatzabbau keine Antwort. Sie hat zum gegenwärtigen Streik vor allem deshalb aufgerufen, weil sie weiß, wie groß die Wut unter den Beschäftigten ist. Durch Schwerpunktstreiks versucht sie kontrolliert Dampf abzulassen.

Gemeinsam mit den Betriebsräten sind die Verdi-Funktionäre seit langem über die Entwicklung informiert. Verdi-Chef Bsirske sitzt mit neun weiteren Gewerkschaftsvertretern und Betriebsräten im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG und arbeiten dort als Co-Manager. Jeder von ihnen erhält eine jährliche Vergütungen von etwa 200.000 Euro.

Alfred Herling, der Vorsitzende des Gemeinschaftsbetriebsrats Wuppertal/Sauerland, Vorsitzende des Konzernbetriebsrats und Mitglied des Europäischen Betriebsrats, ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und erhielt im vergangenen Jahr sogar 273.000 Euro.

Der Nachrichtensender n-tv berichtete zum Wochenanfang, seinen Informationen nach habe Verdi dem Verkauf der Postbank zugestimmt. Nach Aussagen des Senders hätten die Arbeitnehmervertreter lange Zeit eine Abspaltung des gesamten Privatkundengeschäfts unterstützt, weil mit der Schaffung einer eigenen Privatkundenbank nach Auffassung der Gewerkschaft die wenigsten Arbeitsplätze verloren gingen.

Wörtlich schreibt n-tv: „Doch inzwischen gilt ein Abstoßen nur der Postbank – etwa über einen Börsengang – als das wahrscheinlichste Szenario. Der Vorstand konnte Insidern zufolge Verdi auf den letzten Metern für diese Variante gewinnen – unter der Maßgabe, dass der Rotstift vor allem in den blauen Filialen, also bei der Deutschen Bank selbst, angesetzt wird und die Postbank weitgehend verschont bleibt.“

Auf Nachfrage bei der Verdi-Presseabteilung in Berlin sagte ein Verdi-Sprecher, dieser Bericht sei falsch und entspreche nicht den Tatsachen. Es sei noch keine Entscheidung getroffen worden und Verdi werde nicht die Postbank bevorzugen, nur weil dort ihr Organisationsgrad höher sei.

Auf die Frage, ob Verdi und die Betriebsräte im Aufsichtsrat gegen den Verkauf der Postbank und den damit drohenden Arbeitsplatzabbau stimmen würden, erklärte er, seiner Information nach seien die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat daran interessiert, eine einvernehmliche Entscheidung des gesamten Aufsichtsrats zu erreichen.

Eine solche „einvernehmliche Entscheidung“ im Aufsichtsrat bedeutet nichts anderes als die Durchsetzung der Kapitalinteressen gegen die Beschäftigten.

Ungeachtet radikaler Reden, die gegenwärtig von Verdi-Funktionären auf Streikversammlungen gehalten werden, akzeptiert die Gewerkschaft die kapitalistische Profitwirtschaft und Marktlogik und hat deshalb auch in der Vergangenheit dem schrittweisen Sozialabbau zugestimmt.

Loading