Lokführer streiken zum siebten Mal in einem Jahr

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat das Zugpersonal der Deutschen Bahn (DB) zum siebten Mal zu einem bundesweiten Streik aufgerufen. Der Ausstand begann im Personenverkehr am Mittwoch um 2 Uhr früh und endet am heutigen Donnerstag um 21 Uhr. Der Güterverkehr wird bereits seit Dienstag 15 Uhr bestreikt. Hier nehmen die Lokführer erst am Freitagmorgen um 9 Uhr die Arbeit wieder auf.

Der Grund für die erneuten Streiks ist das Vorgehen der Bahn, die Verhandlungen solange zu verzögern, bis das Gesetz zur Tarifeinheit im Sommer in Kraft tritt. Gestützt auf dieses Gesetz will der DB-Vorstand Tarifverhandlungen und damit Streiks der GDL unmöglich machen.

Die Bundesregierung hat angekündigt, das Gesetz schon im Mai zu verabschieden. Danach werden Tarifkämpfe kleinerer Gewerkschaften, wie der der Lokführer, der Piloten (Vereinigung Cockpit), der Fluglotsen (UFO) oder der Ärzte (Marburger Bund), faktisch unmöglich. Denn wenn mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb bestehen und keine Einigung darüber erzielen, wer für welche Berufsgruppe verhandelt, soll nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im gesamten Betrieb gelten.

Bei der Bahn wäre das nicht die GDL, sondern die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Die EVG, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angehört, hat schon klar gemacht, dass sie auf der Seite des DB-Konzerns steht und ebenfalls nur darauf wartet, die GDL mithilfe des Gesetzes auszuschalten.

Der Arbeitskampf der GDL zieht sich nun schon über fast ein Jahr hin. Auch nach 16 Tarifrunden verweigert die Bahn eine verbindliche Tarifvereinbarung. Einzige Ausnahme war eine Einmalzahlung von 510 Euro für das zweite Halbjahr 2014.

Bei den letzten Verhandlungen am 17. April in Frankfurt wurde der GDL nach eigenen Angaben ein Dokument mit einem Passus vorgelegt, der die DB dazu berechtigt, alle bisher gemachten Vereinbarungen wieder zurückzunehmen. Weil die GDL das nicht unterschrieb, wirft ihr nun der Bahnvorstand vor, sie blockiere die Verhandlungen.

Ohne den genauen Sachverhalt darzustellen, wiederholen die Medien diesen Vorwurf und hetzen gegen die streikenden Lokführer.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Spaltung der Lokomotivführer in den unterschiedlichen Bereichen, die der Bahnvorstand unter allen Umständen aufrechterhalten will. Nach Angaben der GDL verlagert die DB seit Jahren Arbeitsplätze von Lokomotivführern auf Lokrangierführer, die zwar die gleiche Arbeit verrichten, aber deutlich schlechter bezahlt werden und viel schlechtere Arbeitszeitregelungen haben. GDL-Chef Weselsky spricht von „unternehmensinterner Lohndrückerei“.

Gleichzeitig genehmigen sich die DB-Vorstände Boni in Millionenhöhe. Nach Informationen des Handelsblatts kassierten sie für 2014 Erfolgsprämien von 7,28 Millionen Euro. Obwohl weder Umsatz- noch Gewinnziele erreicht wurden, ist das mehr als doppelt so viel wie die 3,42 Millionen Euro im Vorjahr. Das Finanzblatt berichtet, dass insbesondere die kurzfristigen, sofort auszahlbaren Boni anstiegen, von 1,9 auf 5,2 Millionen Euro. Das bedeute einen Zuwachs von 174 Prozent.

Die Lokführergewerkschaft verweist auf diese „Selbstbedienungsmentalität“ an der Spitze des Unternehmens und bezeichnet in diesem Zusammenhang die Klagen des Vorstands über die Kosten der Streiks als scheinheilig und verlogen. „Ein Tarifabschluss, selbst wenn die GDL-Forderungen zu 100 Prozent erfüllt würden, wäre wesentlich billiger“, heißt es in einer GDL-Pressemitteilung.

Unterstützt wird die Bahn von der Industrie. So kritisierte Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Industrieverband BDI, die Streiks der GDL vehement und warnte vor Schäden in Millionenhöhe: „Streikbedingte Schäden können von einstelligen Millionenbeträgen schnell auf bis zu hundert Millionen Euro Schaden pro Tag wachsen.“ Besonders hart betroffen seien Branchen wie die Chemie-, Stahl und Autoindustrie. Laut Schweer handelt die GDL verantwortungslos und hat „jedes Augenmaß verloren“.

Unternehmerverbände, Politiker und ein Großteil der Medien versuchen die GDL für den erneuten Streik verantwortlich zu machen. Immer wieder wird der Personalchef der Bahn mit den Worten zitiert: „Die GDL hätte ihr gewünschtes Zwischenergebnis in den Verhandlungen in nahezu allen Punkten haben können.“

Der Haken besteht aber gerade in Webers Betonung von „nahezu“. Denn Weber und der Bahnvorstand bestehen weiterhin darauf, dass sich die GDL beim Zugpersonal, zu dem die Bahn die Zugbegleiter, die Bordgastronomen, die Disponenten und auch die Lokrangierführer zählt, der EVG unterzuordnet. Beide sollen „gemeinsam“ einen identischen Tarifvertrag für das gesamte Zugpersonal abschließen. Die GDL verlangt dagegen eigene Tarifverträge für ihre Mitglieder.

Die GDL betont zwar hartnäckig ihr Grundrecht, für all ihre Mitglieder einen Tarifvertrag abzuschließen, hat aber kein Konzept, die Blockadehaltung des Bahnvorstands zu durchbrechen. Sie fordert immer wieder ernsthafte Verhandlungen und versucht den DB-Vorstand zu Kompromissen zu bewegen, indem sie eigene Zugeständnisse anbietet. So teilt sie in einer Presseerklärung mit, sie habe „ihre Forderung zur Arbeitszeitsenkung auf eine Wochenstunde halbiert und eine Entgeltstufe gestrichen“.

Doch diese Kompromissbereitschaft ermutigt den Bahnvorstand zu immer heftigeren Attacken auf die Lokführer.

Die Auseinandersetzung der GDL mit der Bahn – genauso wie die der Pilotenvereinigung Cockpit mit der Lufthansa – macht deutlich, dass die Beschäftigten und letztlich die gesamte Arbeiterklasse vor politischen Aufgaben stehen.

Die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plant, die Kürzungen, die sie gerade gegen die griechische Bevölkerung durchsetzt, auch in Deutschland anzugehen. Ihre Wiederbelebung des Militarismus verlangt Milliarden für die Aufrüstung, für die die arbeitende Bevölkerung zahlen soll. Organisierte Proteste gegen kommende Kriege wie soziale Kürzungen sollen schon im Keim erstickt werden. Dazu soll als ein erster Schritt das Tarifeinheitsgesetz dienen. Es soll den DGB-Gewerkschaften uneingeschränkte Kontrolle über die Arbeiter in Betrieben und Verwaltungen geben.

Ein Interview des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, Michael Fuchs, mit der Süddeutschen Zeitung macht die Zielrichtung des Tarifeinheitsgesetzes deutlich. Für den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge müsse ein faktisches Streikverbot gelten, erklärte Fuchs. Neben dem „Bahn- und Luftverkehr“ nannte er „die Versorgung mit Energie und Wasser oder die medizinische Versorgung“ sowie die „Kinderbetreuung“ und die „Telekommunikation“.

Auf den Hinweis der SZ, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern kaum gestreikt werde, antwortete Fuchs, mit den Piloten- und Lokführerstreiks werde eine Tendenz deutlich. „Da liegt das Problem. Ich kann nur sagen, wehret den Anfängen.“ Wenn es erst einmal „eine besondere Streikanfälligkeit“ gebe, lasse sich das Rad kaum zurückdrehen.

An der GDL soll ein Exempel statuiert werden, um jegliche Opposition in den Betrieben einzuschüchtern. Um gegen die gemeinsame Front aus Unternehmensvorstand, Regierung, und DGB zu kämpfen, müssen sich die Lokführer und auch alle anderen Arbeiter einer neuen politischen Perspektive zuwenden.

In einem Artikel im November letzten Jahres schrieben wir: „Die Hoffnung, es sei möglich, der Diktatur des DGB mit einer weniger korrupten und militanteren Spartengewerkschaft entgegenzutreten, hat sich als falsch erwiesen. Die Probleme, mit denen die Lokführer konfrontiert sind, können nicht durch gewerkschaftliche Militanz gelöst werden.“ Es sei notwendig, sich der kapitalistischen Profitlogik zu wiedersetzen, ein sozialistisches Programm zu vertreten und eine internationale Strategie zu verfolgen.

Um eine politische Führung aufzubauen, die die den kommenden Kämpfen den Weg weisen kann, veranstaltet das IKVI die internationale Online-Kundgebung zum Maifeiertag. Macht mit am 3. Mai! Setzt euch ein für die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen imperialistischen Krieg und Kapitalismus!

Weitere Informationen und Anmeldung unter internationalmayday.org/de

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