Deutsche Bank: Ver.di opfert Arbeitsplätze für Zocker-Geschäft

Die Deutsche Bank, das größte Finanzinstitut Deutschlands, hat am Freitag eine grundlegende strategische Neuausrichtung beschlossen. Sie verabschiedet sich weitgehend vom Kleinkundengeschäft und konzentriert sich auf das internationale Spekulationsgeschäft oder Investmentbanking, wie es in der Fachsprache heißt.

Die Postbank mit 14 Millionen Kunden und 15.000 Beschäftigten, in die die Deutsche Bank erst vor sieben Jahren eingestiegen ist, wird verkauft. Von den 750 Niederlassungen der Deutschen Bank wird ein Drittel stillgelegt, was 5000 bis 7000 Arbeitsplätze kostet. Die Bank will auf diese Weise ihre Rendite von derzeit drei auf 10 Prozent nach Steuern erhöhen.

Alle zehn „Arbeitnehmervertreter“ im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG, allen voran Ver.di-Chef Frank Bsirske, haben diesem Beschluss zugestimmt. Sie übernehmen damit die direkte Verantwortung für die Vernichtung tausender Arbeitsplätze, und dies nicht nur bei der Deutschen Bank.

Ist die Postbank erst einmal verkauft, wird auch dort der Kahlschlag beginnen. Das für den Umbau zuständige Vorstandsmitglied Stefan Krause hat ausdrücklich betont, dass neben einem Börsengang auch der Verkauf an einen Konkurrenten in Frage komme. Die verbliebenen Kleinaktionäre, die noch 3,2 Prozent der Postbankaktien halten, werden zu diesem Zweck durch einen „Squeeze-Out“, eine Zwangsabfindung, verdrängt.

Als Interessenten sind unter anderem die Commerzbank, die spanische Santander Bank und die niederländische ING Gruppe im Gespräch, die alle über eigene Vertriebsnetze in Deutschland verfügen. Steigen sie bei der Postbank ein, würde dies zu einem weiteren Zusammenlegen von Filialen mit entsprechenden Entlassungen führen. Das Filialgeschäft gilt wegen dem Online-Banking und den niedrigen Zinsen für Sparguthaben und andere sichere Anlagen ohnehin als wenig profitabel.

Ver.di hat sich nicht darauf beschränkt, den Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen abzusegnen. Die Gewerkschaft hat eine üble Schmierenkomödie organisiert, um jeden Widerstand dagegen zu sabotieren.

In der ersten Aprilhälfte organisierte Ver.di eine Urabstimmung unter den besorgten Postbankbeschäftigten. Sie ließ über die Forderung nach einem vertraglich garantierten Kündigungsschutz bis 2020 sowie nach einer Lohnerhöhung von 5 Prozent für 12 Monate abstimmen. 95 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder votierten für Streik. Am 20. April rief Ver.di dann einen unbefristeten Streik aus, führte ihn allerdings nur schwerpunktmäßig.

Am Montag, drei Tage nach ihrer Zustimmung zur Vernichtung Tausender Arbeitsplätze, gab Ver.di dann überraschend eine Einigung mit der Postbank bekannt. Sie war offenbar Bestandteils eines Deals, zu dem auch die Zustimmung zu den Massenentlassungen gehörte. Die Postbank akzeptierte den Kündigungsschutz – allerdings nicht bis 2020, sondern nur bis zum 30. Juni 2017.

„Damit erhalten die Beschäftigten der Postbank die nötige Stabilität für den anstehenden Veränderungsprozess“, lobte der Verhandlungsführer der Postbank, Ralf Stemmer, die Einigung. In Wirklichkeit erhalten nicht die Beschäftigten „die nötige Stabilität“, sondern die Deutsche Bank und ihre Aktionäre.

Bis Ende 2016 soll nämlich der Verkauf der Postbank über die Bühne gehen. Die Vereinbarung soll dafür sorgen, dass die delikaten Verkaufsverhandlungen ungestört vonstatten gehen. Hat die Postbank dann einen neuen Besitzer, ist er an kein Abkommen mehr gebunden.

Außerdem soll die Vereinbarung die Beschäftigten der Postbank ruhig halten, während ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Deutschen Bank entlassen werden. Ver.di spielt ganz bewusst die Belegschaften der beiden Banken gegen einander aus, um keinen Widerstand gegen die Entlassungen aufkommen zu lassen.

Das Kündigungsschutzabkommen hindert die Postbank zudem nicht daran, Arbeitsplätze abzubauen. Es untersagt lediglich betriebsbedingte Kündigungen – die Nichtbesetzung frei werdender Arbeitsplätze und „freiwillige“ Kündigungen, zu denen Mitarbeiter gedrängt werden, sind davon nicht betroffen.

Auch die vereinbarte Lohnerhöhung entspricht dem Interesse der Bank. Anstelle von 5 Prozent für 12 Monate erhalten die Postbankbeschäftigten nur 2,1 Prozent ab April und weitere 2 Prozent in einem Jahr, bei einer Gesamtlaufzeit von 27 Monaten. Gewerkschaftssekretärin Christina Förster bezeichnete dies als „erträglichen Kompromiss“.

Hier von einem „Verrat“ der Gewerkschaft zu sprechen, wäre eine Untertreibung. Ver.di ist fester Bestandteil des Managements und hat die Aufgabe übernommen, die Belegschaft zu täuschen, gegeneinander auszuspielen und einzuschüchtern.

Ein Grund dafür ist die alles durchdringende Korruption. Die Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionäre beziehen Gehälter, Sitzungsgelder und sonstige Vergütungen, die das Gehalt eines Bankangestellten um ein Mehrfaches übersteigen. Es ist aber nicht der einzige Grund. Ver.dis Vorgehen zeigt vor allem den Bankrott der nationalen Perspektive, auf die sich alle Gewerkschaften stützen.

Für die herrschenden Eliten Deutschlands, die wieder nach einer führenden Rolle in Europa und der Welt streben, spielt die Deutsche Bank eine wichtige strategische Rolle. Sie ist die einzige deutsche Bank von internationalem Rang.

Die Frankfurter Allgemeine, die Hauspostille des deutschen Finanzsektors, spricht das klar aus: „Die deutschen Unternehmen, die in der Welt eine führende Rolle spielen, brauchen aus strategischen und politischen Gründen eine Partnerbank, die sie überall begleiten kann. Deshalb sollte man das Geschäft an den Kapitalmärkten nicht allein den amerikanischen Banken überlassen.“

Als die gegenwärtige Führungsspitze – der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner und die beiden Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen – vor drei Jahren antrat, verkündete sie das Ziel, die Deutsche Bank zur führenden globalen Universalbank und zu einer der drei größten Banken der Welt zu machen. Damit sind sie gescheitert. Während die Deutsche Bank bei der Spekulation mit Anleihen, Währungen und Derivaten tatsächlich zu den weltweit führenden Banken zählt, schafft sie es gemessen am Börsenwert kaum auf Platz fünfzig.

Ein Grund ist das geringe Eigenkapital. Mit einem Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme von 3,4 Prozent erreicht die Deutsche Bank nicht die Quote von 5 Prozent, die von großen amerikanische Banken und wohl bald auch von europäischen verlangt wird. Deshalb versucht sie das Kundengeschäft abzustoßen. Die Hypotheken- und Wohnungskredite der Postbank und ihrer Bausparkasse BHW blähen die Bilanz auf und binden entsprechendes Eigenkapital, das nicht in das lukrative Investmentgeschäft gesteckt werden kann.

Aufgrund des niedrigen Aktienkurses fällt es der Bank außerdem schwer, an neues Kapital zu kommen. Die 12 Milliarden Euro, die sie in jüngster Zeit in zwei Kapitalerhöhungen aufnahm, sind vollständig für die Folgen der kriminellen Aktivitäten draufgegangen, die 2008 zur globalen Finanzkrise führten und an denen sich die Deutsche Bank massiv beteiligt hatte – für Rechtsstreitigkeiten, Verluste aus toxischen Wertpapieren und Strafen für Betrug oder Manipulation auf der ganzen Welt.

Erst letzte Woche wurde die Deutsche Bank von amerikanischen und britischen Behörden wegen der Manipulation des Libor-Zinssatzes zur Zahlung von 2,5 Milliarden Dollar verurteilt. Verantwortlich fürs Investmentgeschäft war damals Anshu Jain, der heutige Vorstandschef, der dies auch unumwunden zugibt. „Das Verhalten dieser Leute war verwerflich, und ich war ihr Anführer. Da kann man sich nicht herausreden“, sagte er auf einer Pressekonferenz.

Nun müssen die Beschäftigten dafür büßen, und Ver.di sorgt dafür, dass sie nicht aufmucken. Ver.di und alle anderen Gewerkschaften betrachten die Welt völlig aus der Sicht der deutschen Konzerne und Banken. Im Kampf um Profite, Absatzmärkte und Einfluss stehen sie auf ihrer Seite und nicht auf der Seite der Arbeiterklasse, die eine internationale Klasse ist.

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