Nach Todesurteil gegen Mursi

Ägyptische Regime vollstreckt sechs Todesurteile durch Erhängen

Das ägyptische Regime unter General Abdel Fattah al-Sisi vollstreckte am Sonntag sechs Todesurteile an Personen, die in einem abgekarteten Verfahren von einem Militärgericht unter der Anklage des Terrorismus schuldig gesprochen worden waren. Die Serie von Hinrichtungen erfolgte einen Tag, nachdem der gestürzte frühere Präsident Mohamed Mursi zusammen mit 105 weiteren Angeklagten ebenfalls in einem politisch motivierten und manipulierten Verfahren zum Tod verurteilt worden waren.

Diese Ereignisse sind Ausdruck des Polizeistaatscharakters des Kairoer Regimes, das für amerikanische und westliche imperialistische Interessen im Nahen Osten von größter Bedeutung ist. Die den sechs Todesurteilen der gehängten Männer vorangegangenen Gerichtsverfahren waren eine grausame Farce.

Den Sechs wurde vorgeworfen, neun Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte bei einem bewaffneten Angriff getötet zu haben. Die auf der Sinai-Halbinsel operierende islamische militante Gruppe Ansar Beit al-Maqdis hatte im März 2014 die Verantwortung für die Anschläge übernommen.

Die Anklage in diesem Fall, der nach dem Dorf Arab Sharkas nördlich von Kairo benannt war, wo die Angeklagten angeblich bei einer Polizeirazzia in einem Kaufhaus festgenommen worden waren, stützte sich von Beginn bis Ende des Verfahrens auf Lügen und Konstrukte.

Die an der Razzia beteiligten Sicherheitskräfte berichteten, sie hätten dabei sechs Männer getötet, und es habe keine Überlebenden gegeben. Die Anwälte sowie Familienmitglieder der Angeklagten berichteten gegenüber Amnesty International, drei der verhafteten Männer seien zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Delikte bereits insgeheim inhaftiert gewesen, während die anderen drei festgenommen worden waren und vor der Razzia in Arab Sharkas in einem Gefängnis der Armee an einem unbekannten Ort in Isolierhaft gewesen seien.

Nach Angaben von Amnesty, das den Prozess als „in höchstem Maße unfair“ bezeichnete, stützte sich das Gericht auf Geständnisse, die nach Aussagen der Angeklagten durch Folter erzwungen wurden.

Im Prozess gegen Mursi und die 105 Mitangeklagten wurden dieselben Methoden angewandt. Die Anklagen gegen sie bezogen sich auf einen Massenausbruch aus einem Gefängnis, der sie aus ungerechtfertigter Haft befreite. Der frühere Diktator Hosni Mubarak hatte sie während eines Ausnahmezustandes verhaften lassen, mit dem die Revolution vom 25. Januar 2011, die ihn schließlich zum Rücktritt zwang, erstickt werden sollte.

Das Verfahren gegen Mursi und seine Mitangeklagten stützte sich auf den Vorwurf, bei dem Ausbruch aus dem Wadi al-Natroun-Gefängnis in Kairo habe es sich um eine Verschwörung gehandelt, die von der Muslimbruderschaft, der Hamas, der libanesischen schiitischen Hisbollah-Bewegung und „diversen Kriminellen“ geplant worden sei. Sie hätten an dem Gefängnis Sachschaden angerichtet und es in Brand gesteckt, wobei Wachen zu Tode gekommen und Waffen gestohlen worden seien.

Doch die Gefangenen hatten seinerzeit bezeugt, dass sie von Bewaffneten in Zivil aus dem Gefängnis herausgezerrt worden seien und ihnen der Tod angedroht wurde, falls sie sich nicht entfernten. Ein Zeuge berichtete, die Männer hätten ihnen versichert, dass sie nichts zu befürchten hätten, weil „wir die Straßen nicht mehr kontrollieren“. Sie schlossen daraus, dass es sich um Männer der Sicherheitskräfte Mubaraks handelte.

Zur behaupteten Verbindung mit Hamas gab Hamas-Sprecher Sami Abu-Zuhri bekannt, dass einige der als Mitangeklagte Aufgeführten bereits vor dem Aufstand 2011 verstorben waren, und andere zum Zeitpunkt der Vergehen langjährige Gefängnisstrafen in israelischen Gefängnissen verbüßten.

Das zivile Femegericht verhängte auch Todesurteile gegen 16 weitere Angeklagte, darunter zwei Führer der Muslimbruderschaft, Mohamed El Beltagy und Khairat El Shater, wegen Spionage und „Verschwörung mit ausländischen Mächten“ – Hamas, Hisbollah und Irans Revolutionäre Garden –, um Ägypten zu destabilisieren.

Mursi war auch in diesem zweiten Verfahren angeklagt, jedoch wurde am Samstag nichts über Urteile gegen ihn und weitere 18 Angeklagte bekannt. Die Urteilsverkündung wurde auf den 2. Juni verlegt, was zu Spekulationen führte, er werde kein zweites Mal zum Tode, sondern wahrscheinlich zu lebenslanger Haft verurteilt.

Zu den zum Tode Verurteilten in diesem zweiten Verschwörungs-Prozess gehört die 28jährige Sondos Asem, die Mitglied von Mursis Freiheits- und Gerechtigkeitspartei ist, dem politischen Arm der Muslimbruderschaft. Sie diente der Regierung Mursi als internationale Medienkoordinatorin, war Herausgeberin der englischsprachigen Webseite der Bewegung und gehörte ihrem Büro für Auswärtige Beziehungen an. Sie wurde in Abwesenheit verurteilt.

Ebenfalls in diesem zweiten Prozess zum Tode verurteilt wurde Emad Shahin, Professor an der Georgetown University und Gastwissenschaftler an der Columbia University in den USA. Auch er wurde in Abwesenheit verurteilt.

In einer Erklärung zu den Urteilen sagte Shahin: „Seit über zwei Jahren betreiben die Armee und die Sicherheitskräfte eine Konterrevolution gegen alle, die mit der Revolution vom 25. Januar in Verbindung stehen. Sie bekämpfen die Bestrebungen der Ägypter, eine freie und demokratische Gesellschaft aufzubauen. Institutionen, die angeblich dem Volk dienen, unterdrücken es in Wirklichkeit.“

Die Todesurteile gegen Mursi und seine Mitangeklagten sind in der Tat nur die jüngste Unterdrückungsmaßnahme einer Welle der Repression. Nach dem Putsch vom Juli 2013 und dem Sturz Mursis entfesselte die Sisi-Junta ein Blutbad, bei dem sie über 1.000 Demonstranten auf Kairos Rabaa-Platz tötete. Über 40.000 Ägypter wurden aus politischen Gründen inhaftiert.

Die gewaltsame staatliche Repression richtet sich in erster Linie gegen die ägyptische Arbeiterklasse, die bei dem Massenaufstand, der Mubarak stürzte, der wichtigste gesellschaftliche Akteur war. Die Kriminalisierung aller Formen sozialer Opposition und des Protests und die Stigmatisierung jeder Opposition gegen das Regime als „Terrorismus“ soll die Bewegung der ägyptischen Arbeiter ersticken, die sich vor, während und nach den Ereignissen im Januar und Februar 2011 zu einer massiven Streikwelle entwickelte.

Letzten Monat entschied ein Gericht, dass jeder Streik von Arbeitern im staatlichen Sektor gegen das „öffentliche Interesse“ verstoße, und dass Teilnehmer an einem Walk-out oder Sit-in sofort entlassen würden. Das Urteil bestimmte auch, dass Streiks gegen das islamische Recht der Sharia verstoßen würden. Beschäftigte im öffentlichen Sektor waren empört über dieses Urteil, und es wurden Warnungen laut, dass sein Geltungsbereich bald auf die Privatwirtschaft ausgedehnt werden könnte.

Die Vereinigten Staaten seien „tief besorgt“ über das Todesurteil gegen Mursi, sagte ein Beamter des Außenministeriums am Sonntag, der anonym bleiben wollte. Rituelle Bekundungen der „Sorge“ über die Verbrechen des Sisi-Regimes können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Washington die brutale Unterdrückung voll unterstützt.

Das US-Außenministerium sprach sich offiziell weder gegen die absurden Vorwürfe gegen Mursi und seine Mitangeklagten aus, noch wandte es sich gegen die Verhältnismäßigkeit der Todesurteile. Sein zahnloser Protest beschränkte sich auf Kritik an der brachialen Machtausübung des Gerichts. „Massenprozesse und Massenurteile“ seien nicht rechtens, war der Tenor.

Der Vertreter der US-Regierung betonte, dass die Urteile „vorläufig“ seien, und gab damit die Reaktion der Sisi-Regierung auf die internationale Empörung über die Urteile wider.

Im Zivilrecht Ägyptens unterliegen Urteile der nicht bindenden Überprüfung des obersten muslimischen Geistlichen des Landes, des Großen Mufti, und es können Rechtsmittel eingelegt werden. Die staatlich kontrollierten Medien haben beklagt, dass die Kritik an dem Massen-Todesurteil „ungerecht“ sei, weil es nur vorläufigen Charakter habe. Die Medien hoben hervor, dass bei dem letzten Massenurteil im April, als 683 Personen zum Tod durch Erhängen verurteilt worden waren, Einwendungen des Mufti dazu geführt hätten, dass „nur“ 183 Todesurteile bestätigt wurden.

Entgegen ihrer Bekenntnisse zu den Menschenrechten hat die Regierung Obama ihre wirkliche Position deutlich gemacht, indem sie ihre Militärhilfe für das Land – etwa 1,3 Milliarden US-Dollar jährlich – in voller Höhe wieder aufgenommen hat. Obama stützt sich auf Sisis Polizeistaat, um die revolutionären Bestrebungen der ägyptischen Arbeiterklasse niederzuhalten und dem Regime lokale Kräfte zur Seite zu stellen, damit sie in Nachbarländern, z. B. Libyen und Jemen, zum Vorteil des Imperialismus eingreifen.

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