„Es wäre fatal, wenn sich das StuPa heute nicht ausdrücklich hinter die Verteidigung der Meinungsfreiheit stellen würde“

Mit diesem Beitrag begründete Sven Wurm, der Vertreter der International Youth and Students for Social Equality im Studierendenparlament der Berliner Humboldt-Universität, auf der Sitzung am 11. Juni den Antrag der IYSSE zur Verteidigung der Meinungsfreiheit.

Sven Wurm stellt die Resolution der IYSSE vor

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

erinnert Euch an die letzte StuPa-Sitzung: wir haben unsere damals eingebrachte Resolution verschoben, weil die Frage von Münkler-Watch gerade aufkam. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, wie bedeutsam diese Entwicklung tatsächlich war.

Ich will vorab eins betonen: es geht heute um eine sehr grundlegende Frage. Es geht um das Recht auf Meinungsfreiheit an der HU und darüber hinaus.

Wir beginnen unsere Resolution damit, dass wir die heftigen Angriffe von Medien und von Lehrenden unserer Universität auf Münkler-Watch scharf zurückweisen. Dabei stellt sich die Frage: Was ist eigentlich genau passiert? Was hat Münkler-Watch getan?

In der Resolution erklären wir dazu: „Die Studierenden haben nichts anderes getan, als die politischen und akademischen Standpunkte eines Professors zu dokumentieren und zu kritisieren.“ Mit anderen Worten: sie haben Gebrauch gemacht von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit!

Daraufhin hat es in den letzten Wochen eine heftige Debatte gegeben – in den Medien, an der Uni, auch geführt von Professoren und durch die Uni-Leitung selbst. Ich werde einige Beispiele für die Kampagne geben, die in den Medien gegen die Studierenden gefahren worden ist:

- Friederike Haupt hat die Studierenden in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Zusammenhang mit Terroristen und Bombenlegern gebracht – ein Punkt, den bereits die Fachschaften für Geschichte, Erziehungswissenschaften und Gender Studies in ihrem Statement zur Verteidigung studentischer Kritik scharf zurückgewiesen haben.

- Münkler selbst hat in der Zeit ähnlich argumentiert: er hat den Studierenden vorgeworfen, dass sie „asymmetrische Kriegsführung“ betreiben, und die Kritik an ihm mit „antisemitischen Strukturen“ verglichen.

- HU-Präsident Olbertz hat in seiner Kolumne in der Berliner Zeitung gesagt, die Bedrohung der Meinungsfreiheit gehe heute nicht mehr von einem autoritären Staat aus, sondern von den Studierenden.

- Jörg Baberowski, Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte, meinte im Tagesspiegel, man müsse solchen „Spinnern“ Hausverbot erteilen und Strafanzeige stellen.

Wir haben also eine Situation, in der Studierende, die ihre Professoren für deren militaristische Standpunkte kritisieren, als Terroristen bezeichnet und mit Antisemiten verglichen werden. Sie sollen der Uni verwiesen und polizeilich verfolgt werden. Das ist die Situation!

Münkler-Watch ist auch für seine Anonymität angegriffen worden. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu betonen, dass das Recht auf Meinungsfreiheit das Recht auf Anonymität einschließt. Das ist sogar höchstrichterlich bestätigt. Wir schreiben dazu in der Resolution:

Der Bundesgerichtshof entschied 2009, „dass ,die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen‘, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Dies würde ,die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern‘.“

Wenn man sich die Erfahrungen ansieht, die vor allem wir als IYSSE in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Professoren gemacht haben, weiß man, dass die Anonymität von Münkler-Watch sehr gut begründet ist.

Die Uni-Leitung hat versucht, uns Räume für öffentliche Veranstaltungen zu verweigern. Es gab zwei Statements – eines vom Institut für Geschichtswissenschaften, das andere auf der Website der Exzellenzinitiative –, die beide dazu aufriefen, Kritik der IYSSE in den Räumen der HU nicht mehr zu dulden und der IYSSE entgegenzutreten. Das Statement der Exzellenzinitiative hat von einer „Rufmordkampagne“ gesprochen, die wir angeblich fahren – ohne irgendeinen Beleg zu liefern.

Schließlich ist eine Kommilitonin, die für die IYSSE bei den StuPa-Wahlen angetreten ist, von ihrem Professor auf ihre Kandidatur angesprochen worden. Er hat daraufhin in Frage gestellt, ob er ihre Masterarbeit weiter betreuen kann.

Das ist der Hintergrund, vor dem sich die Entwicklung um Münkler-Watch abspielt.

Die Frage ist: Wie kann man solche heftigen Reaktionen erklären?

Dafür muss man sich ansehen, was gerade Professoren wie Münkler und Baberowski eigentlich machen. Es gibt eine direkte Verbindung zwischen ihrer Arbeit an der Uni und ihrer politischen Aktivität.

Herfried Münkler sitzt beispielsweise im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Er spricht sich ganz offen dafür aus, dass man die Geschichte umschreiben muss, um sie den außenpolitischen Erfordernissen anzupassen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat er Anfang letzten Jahres gesagt: „Es lässt sich kaum eine verantwortliche Politik in Europa betreiben, wenn man die Vorstellung hat: wir sind an allem Schuld gewesen.“ Deshalb ist es seiner Ansicht nach notwendig, die Geschichte umzuschreiben. Dafür nutzt er seine Stellung und seine Reputation als Professor.

Baberowski sagt explizit, es seien Stalins Generäle gewesen, die der Wehrmacht den Vernichtungskrieg aufgezwungen hätten. Er selbst arbeitet eng mit der Bundeswehr zusammen.

In den letzten Monaten ist zunehmend deutlich geworden, dass diese politische Linie – die Geschichte umzuschreiben, um der neuen Außenpolitik gerecht zu werden – in der Bevölkerung keinen Anklang findet und auch unter Studierenden zunehmend auf Kritik stößt. Das zeigt das Beispiel von Münkler-Watch ganz deutlich.

Es wird zunehmend klar, dass solche militaristischen Auffassungen mit demokratischen Methoden nicht mehr durchgebracht werden können. Deshalb soll die Kritik daran unterdrückt werden.

Damit sind wir bei der zentralen Frage, die sich heute stellt und über die wir hier entscheiden: Soll unsere Uni ein Ort der Wissenschaft und der Kritik bleiben?

Es geht überhaupt nicht darum, dass irgendjemand fordert, Münkler oder Baberowski zu zensieren. Das ist nicht der Fall. Aber wenn Diskussionen an dieser Uni nicht möglich sind, dann müssen wir wirklich von einer gleichgeschalteten Uni sprechen.

Es ist deshalb absolut wichtig, diese Resolution heute zu verabschieden, um klarzumachen, dass wir die grundlegenden demokratischen Rechte der Studierenden verteidigen.

Ich möchte noch einmal eines klarmachen: es ist keine Resolution, bei der man den Aussagen von Münkler-Watch oder der Politik der IYSSE zustimmt. Es geht um die grundlegende und prinzipielle Frage, ob wissenschaftliche Kritik an der HU noch möglich ist oder nicht.

Diese Frage stellt sich hier an der HU angesichts von Münkler-Watch in ganz besonderer Schärfe. Die Entscheidung, die wir heute treffen, schafft aber letztlich einen Präzedenzfall für die Verteidigung der Meinungsfreiheit auch an anderen Unis.

Jeder muss sich heute bewusst machen: wir als politische Vertretung der Studierenden an der HU haben die Verantwortung, das Recht der Studierenden auf ihre Meinungsfreiheit grundsätzlich zu verteidigen. Professoren haben dieses Grundrecht in ihren Statements angegriffen, oder sie halten still.

Wenn wir eine Resolution zur Verteidigung der Studierenden ablehnen würden, wäre das ein absolut verheerendes Signal. Es wäre eine Aufforderung an Professoren, ihre Angriffe fortzusetzen. Die Studierenden erwarten auch, dass wir uns für ihre grundlegenden Rechte einsetzen.

Heute haben wir die erste StuPa-Sitzung seit Beginn der Auseinandersetzung um Münkler-Watch. Es wäre fatal, wenn sich das StuPa heute nicht ausdrücklich hinter die Verteidigung der Meinungsfreiheit stellen würde. Deshalb rufe ich alle stimmberechtigten Kommilitoninnen und Kommilitonen dazu auf, der Resolution zuzustimmen. Man sollte sich keine Illusionen machen: jede ablehnende Haltung in einer solch prinzipiellen Frage hieße letztlich, die Meinungsfreiheit an der HU abzulehnen und die nächsten Angriffe auf die Studierenden einzuleiten.

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