Poststreik gegen Lohndumping geht weiter

Etwa tausend streikende Postbeschäftigte beteiligten sich am letzten Montag an einer Protestversammlung gegen Lohnsenkung vor dem Frankfurter Hauptbahnhof. Teilnehmer kamen aus Frankfurt, Offenbach, Hanau, Wiesbaden und dem Vordertaunus.

Streikende Postbeschäftigte vor dem Frankfurter Hauptbahnhof

Die Postbeschäftigten kämpfen gegen massives Lohndumping. Brief- und Paketzusteller stehen unter dem Druck der Deutschen Post AG, zum Subunternehmer DHL-Delivery GmbH zu wechseln, wo sie rund zwanzig Prozent weniger Lohn erhalten.

Es handelt sich um folgenden Sachverhalt: Die Deutsche Post AG will durch die Gründung der neuen Tochtergesellschaft DHL-Delivery GmbH mit 49 Regionalgesellschaften die Paketzustellung ausgliedern. Die dort Beschäftigten unterliegen dann nicht mehr dem Haustarif der Deutsche Post, sondern dem Tarif der Fracht- und Logistik-Branche, deren Lohnniveau etwa 20 Prozent unter dem bisherigen Haustarif der Post liegt. Allerdings wurde auch dieser Niedriglohntarif der Fracht- und Logistik-Branche von der Gewerkschaft Verdi ausgehandelt und unterschrieben.

Zwei Brief- und Paketzusteller berichteten der WSWS: „Unser Vertrag wurde alle zwei Jahre verlängert; er würde noch bis Ende diesen Jahres laufen. Aber jetzt sollen wir gezwungen werden, zu Delivery zu wechseln.“

Ein anderer Briefträger hat sogar zehn Jahre lang ohne unbefristeten Vertrag für die Post gearbeitet. Jetzt soll er bei Delivery wieder ganz unten anfangen.

Jaro, Thorsten und ein weiterer Kollege arbeiten bei DHL

„Wir verdienen schon bisher nicht viel“, sagen die DHL-Brief- und Paketzusteller „Nach 25 Jahren kommen wir auf einen Stundenlohn von 15,20 Euro brutto. Bei Delivery würden wir noch elf Euro fünfzig bekommen.“

Eine Postzustellerin verdient, wie sie erklärt, nach 37 Dienstjahren bei der Post einen Stundenlohn von dreizehn Euro. „Ich würde gerade mal noch zehn Euro achtzig verdienen, wenn ich zu Delivery wechseln müsste. Und das nach einem ganzen Leben bei der Post!“

Auch Alexander ist gehört zu den befristet Beschäftigten bei DHL, denen der Wechsel zur Delivery GmbH bevorsteht. Ende Juni läuft sein Vertrag aus, aber er sagt: „Dann höre ich ganz auf.“ Grund ist der niedrigere Verdienst bei der Delivery GmbH: „Das wäre eine glatte Lohnsenkung nach zwei Jahren.“ Über seine Meinung zu Verdi befragt, sagt Alexander: „Dazu kann ich nicht viel sagen. Ich streike zum ersten Mal und bin in keiner Gewerkschaft. Aber jetzt gibt es wirklich einen Grund zu kämpfen.“

Alexanders Bericht macht den Hintergrund des Arbeitskampfs deutlich: Der boomende Online-Handel hat zu einer wachsenden Flut von Paketsendungen geführt. Als Paketzusteller hat Alexander im letzten Jahr 180 Überstunden gemacht.

Er sagt: „Wir können gar nicht mehr den gleichen Service bieten wie früher. Es funktioniert einfach nicht mehr. Ich arbeite als Springer und fahre jeden Tag eine andere Route. Manchmal sind die Kunden stinksauer, wenn ich sie nicht zuhause treffe und das Paket wieder mitnehmen muss. Aber ich habe keine Zeit, einen Nachbarn zu suchen, bei dem ich es abgeben kann. Ich klingle, aber wenn ich keinen erreiche, kann ich höchstens eine Nachricht einwerfen und muss sofort weiter. Sonst schaffe ich die Tour nicht. Wir sind immer am Laufen und verzichten sogar auf die Pause.“

DHL-Zusteller Alexander

„Die Zeit reicht nicht für einen vernünftigen Service“, fährt er fort, „obwohl die Leute dafür bezahlt haben. Wir haben Stress ohne Ende, und der Job ist auch gefährlich, es gibt Konflikte im Verkehr und mit der Polizei, denn wir haben keine Zeit, vernünftig einzuparken. Wenn ich jetzt noch schlechtere Konditionen bekomme, dann sage ich Tschüss. Die in den oberen Etagen verdienen das große Geld, aber von dem Stress mit den Kunden kriegen sie nichts mit. Das bleibt alles an uns hängen.“

Die Stimmung unter den Postbeschäftigten ist auf dem Siedepunkt. In die Wut über die Lohnsenkung mischt sich bei vielen Streikenden eine tiefe Unzufriedenheit mit den Bedingungen ihres Knochenjobs und der wachsenden sozialen Ungleichheit überhaupt. Die Post AG hat trotz ständigem Personalabbau noch fast 500.000 Beschäftigte und der Streik stößt auf große Unterstützung. Dazu kommt, dass diese Art der Lohnsenkung über eigene Subunternehmen gegenwärtig in vielen Betrieben praktiziert wird.

Zwei Briefsortiererinnen

„Wir wissen ja nicht, ob wir nicht am Ende auch betroffen sind“, meinen zwei Frauen, deren Arbeit es ist, die Briefe in die Postfächer zu sortieren. „Man kann uns viel sagen: Ihr gehört nicht dazu, aber am Ende werden die Löhne für uns alle gesenkt. Die da oben schaufeln das Ihre schon rechtzeitig beiseite.“ Beide Arbeiterinnen berichten über steigenden Arbeitsstress.

Eine Frau aus dem Vordertaunus berichtet der WSWS: „Ich kämpfe für alle, die keine feste Arbeitseinstellung haben. Ich bin jetzt 25 Jahre bei der Post und habe einen festen Vertrag, aber damals musste ich auch lange darum kämpfen.“

Ein Briefzusteller, der seit 2009 dabei ist, spricht über seine Arbeitsbedingungen: „Im Winter ist es besonders schrecklich. Man ist ständig draußen, da musst du voll winterhart sein.“

Viele beschweren sich über den Stress: „Oft wird weder Frühstück noch Mittagessen eingehalten“, sagt ein Postzusteller, „und dann ruft der Chef persönlich an, dass ich auf den freien Tag verzichten soll.“

Ein anderer berichtet, dass er sich beim Schleppen der schweren Pakete treppauf treppab einen Kreuzbandriss am Knie zugezogen habe, aber der Chef habe zu ihm gesagt, das käme vom Fußballspielen, er solle bloß weitermachen.

Gruppe von streikenden Postbeschäftigten

Die Bedingungen haben sich in den letzten Jahren erheblich verschärft. Aber Verdi, die Dienstleistungsgewerkschaft, die diesen Streik organisiert, hat diese Bedingungen selbst mit herbeigeführt. In Zusammenarbeit mit dem Postvorstand arbeitet Verdi seit langem daran, den Gewinn aus dem wachsenden Onlinehandel für die Post abzuschöpfen.

Im Wettbewerb mit andern Logistikunternehmen will die Post die Löhne im gesamten Zustellbereich senken. Vorstandschef Frank Appel (der sieben Jahre bei McKinsey war und über dreieinhalb Millionen Euro im Jahr verdient) sagte dem Nachrichtensender heute.de: „Wir haben deutlich höhere Kostenstrukturen als unsere Wettbewerber, deshalb haben wir Delivery GmbH gegründet.“

Verdi war von Anfang an in das Lohndumping-Programm mit den regionalen Delivery-Gesellschaften eingebunden und hat dafür den neuen Logistik- und Speditionstarifvertrag abgeschlossen. Die Gewerkschaft unterstützt die Maßnahmen zur Wettbewerbssteigerung.

Nachdem das Lohndumping über die Delivery GmbH aber auf derart heftigen Widerstand stößt, schlägt die Verdi-Führung dem Post-Vorstand einen anderen Weg vor. Anstelle der Ausgliederung könnten die notwendigen Einsparungen auch über den Haustarif zu erreicht werden. Verdi hat freiwillig vorgeschlagen, dieses Jahr auf eine Gehaltserhöhung bei der Post zu verzichten und dadurch in den kommenden zehn Jahren 1,2 Milliarden Euro einzusparen. „Wir haben dargelegt, dass wir kompromissfähig sind“, beteuerte Kocsis laut rbb-online.

Auf der Frankfurter Kundgebung sprach der regionale DGB-Chef Harald Fiedler über den Aufsichtsrat der Deutschen Post AG. Er sagte: „Es ist gut, die Namen zu kennen und zu nennen. Wir müssen wissen, was für eine Truppe uns gegenübersteht.“ Daraufhin nannte er die Namen – aber nur der Arbeitgebervertreter im Aufsichtsrat. Dabei sitzen auch zehn Arbeitnehmervertreter darin: die Konzernbetriebsratschefs und drei Angehörige des Bundesvorstands und der Verwaltung von Verdi.

Verdi-Streikleiterin Andrea Kocsis ist gleichzeitig stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Post AG und erhält für diese Tätigkeit jährlich einen sechsstelligen Betrag plus zusätzliche aktienbasierte Vergütungen.

Es wird immer deutlicher, dass die Postlerinnen und Postler ihren Kampf gegen Lohndumping nicht mit, sonder nur gegen Verdi und deren korrupte Politik der Sozialpartnerschaft zum Erfolg führen können.

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