Schuldengipfel:

EU fordert trotz Zugeständnissen weitere Sparmaßnahmen von Syriza

Am Montag legte die griechische Syriza-Regierung bei einem Krisentreffen in Brüssel eine Liste von neuen Sozialkürzungen vor. Die versammelten EU-Regierungschefs stimmten den Kürzungen zwar zu, forderten aber noch weitere Sparmaßnahmen. Das ist die Vorbedingung für eine Einigung über die griechischen Staatsschulden in Höhe von 300 Milliarden Euro.

Vor einer Woche endete eine ähnliche Krisensitzung ohne Ergebnis. Die Vertreter der EU erklärten, damals, Syrizas Kürzungen gingen nicht weit genug, um die Freigabe der 7,2 Milliarden Euro zu rechtfertigen. Griechenland braucht diese letzte Tranche der Hilfskredite, um Ende des Monats seine Gläubiger bezahlen zu können. Angesichts der wachsenden Kritik der griechischen Banken und der Drohungen der EU, Griechenland in den Staatsbankrott zu treiben, kapitulierte Syriza wieder einmal demütig vor der EU und fügte sich ihren Forderungen nach regressiven Steuererhöhungen und drastischen Kürzungen im Renten- und Gesundheitssystem.

Der griechische Premierminister Alexis Tsipras erklärte am Montag in einem Brief an den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, dass sein Vorschlag sogar deutlich über die Kürzungen hinaus gehe, die von den Institutionen – der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) – gefordert wurden.

Er schrieb: „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass die Antwort der griechischen Regierung auf die Anforderungen der Institutionen zur Schließung der fiskalischen Lücken 2015-2016 absolut und vollständig war.“

Tsipras schrieb, die EU habe Kürzungen in einer Gesamthöhe von 1,5 Prozent des griechischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2015, und von 2,5 Prozent im Jahr 2016 gefordert. Syriza plane jedoch Kürzungen in Höhe von 1,51 Prozent, bzw. 2,87 Prozent des BIP. Tsipras erklärte, dies zeige, „dass es keine finanzpolitischen Ausrutscher gebe und dass die vorgegebenen Ziele übererfüllt wurden.“

Die größten Kürzungen werden im Rentensystem erfolgen. Syriza hatte Rentenkürzungen bisher als „rote Linie“ bezeichnet, die sie nicht überschreiten werde. Jetzt schlägt sie jedoch vor, das Rentenalter von 62 auf 67 Jahre zu erhöhen und die Möglichkeit zur Frührente abzuschaffen.

Die derzeitigen Renten sollen zwar nominell nicht gekürzt werden, aber in Wirklichkeit zieht der griechische Staat Milliarden Euro aus den Rentenkassen ab. Rentner werden insgesamt im Jahr 2015 zusätzlich 135 Millionen Euro für ihre Krankenversicherung zahlen müssen und 2016 weitere 490 Millionen Euro. Der Arbeitnehmerbeitrag zum staatlichen Rentensystem wird dieses Jahr um 350 Millionen Euro steigen, und nächstes Jahr um 800 Millionen Euro.

Eine unpopuläre Erhöhung der regressiven Mehrwertsteuer soll in diesem Jahr Einnahmen von 680 Millionen Euro bringen, und im nächsten Jahr von 1,36 Milliarden Euro.

Während sich die überwiegende Mehrheit der Kürzungen gegen die Arbeiterklasse richten wird, schlägt Syriza auch die Einführung einer einmaligen Steuer von zwölf Prozent auf Unternehmensgewinne von über 500.000 Euro vor, von der sie sich im Jahr 2015 945 Millionen Euro und im Jahr 2016 405 Millionen Euro Einnahmen errechnet.

Die Vertreter der EU deuteten zwar an, dass sie die geplanten Kürzungen von Syriza unterstützen, verweigerten jedoch ein endgültiges Abkommen mit Griechenland. Vielmehr machten sie deutlich, dass sie noch weitere Kürzungen von Griechenland fordern werden, bevor sie die Hilfsgelder auszahlen.

Juncker und der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, erklärten bei einer Pressekonferenz nach den Verhandlungen, sie seien zuversichtlich, dass diese Vorschläge zu Ergebnissen führen würden. Tusk bezeichnete Syrizas Vorschläge als einen „positiven Schritt“ und fügte hinzu, sie würden „in den kommenden Stunden ausgewertet werden.“ Juncker erklärte, es könnte noch diese Woche nach einem Treffen der Finanzminister der Eurogruppe zu einer endgültigen Einigung kommen. Diese würde dann bei einem EU-Gipfel am Donnerstag formell angenommen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte in einer anderen Pressekonferenz jedoch, es sei noch „intensive Arbeit“ notwendig, um eine Einigung auszuhandeln, mit der sich ein griechischer Staatsbankrott vermeiden ließe.

Der niederländische Finanzminister und Vorsitzende der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem stellte klar, dass weitere Kürzungen notwendig seien, um die EU zufrieden zu stellen. Er behauptete, Finanzfachleute könnten den griechischen Vorschlag in nur einem Tag nicht zufriedenstellend analysieren und erklärte, Syrizas neuer Plan sei „nur eine Basis, auf der man die Gespräche wieder aufnehmen und wirklich ein Ergebnis erzielen könne.“

Auf die Frage, warum die EU-Regierungschefs überhaupt an dem Gipfel teilgenommen hätten, wenn dort keine Entscheidung gefällt werden konnte, antwortete ein Vertreter der EU dem Guardian: „Es geht darum, Tsipras die Illusion zu nehmen, er könne auf dem Gipfel eine bessere Einigung erzielen, oder dass auf der Ebene des Gipfels eine Entscheidung gefällt werden könne. Es geht darum, dass Tsipras die Haltung der anderen Regierungsoberhäupter verstehen lernt.“

Das Ergebnis des Gipfeltreffens ist nicht nur eine neue, demütigende Kapitulation von Tsipras' Syriza, sondern zeigt auch auf schmerzhafte Weise den Bankrott ihrer prokapitalistischen Perspektive, durch Abkommen mit der EU die Sparpolitik bekämpfen zu wollen.

In ganz Europa lehnt die Mehrheit der Arbeiter den Sparkurs gegen Griechenland ab. Diese Ablehnung war der Hauptgrund für Syrizas Wahlsieg in Griechenland. Sie äußerte sich in den Massenprotesten gegen die Kürzungen in Großbritannien am letzten Wochenende, in dem erbitterten Widerstand gegen die Hartz-Gesetze in Deutschland und der Ablehnung der Sozialistischen Partei (PS) in Frankreich. Trotzdem hat die EU Syriza dazu gezwungen, noch drakonischere Sparmaßnahmen durchzuführen, alle ihre „roten Linien“ zu überschreiten und alle Kürzungen zu akzeptieren, die von den Banken gefordert wurden.

Das ist kein Ausdruck der Stärke der EU – einer allgemein verhassten Organisation, die für eine winzige Minderheit der europäischen Bevölkerung spricht. Es ist vielmehr ein Ausdruck des Klassencharakters von Syriza und von deren Feindschaft gegenüber der sozialistischen Revolution und der Arbeiterklasse.

Syriza spricht für Teile der griechischen Kapitalistenklasse und begüterte Schichten des Kleinbürgertums und akzeptiert daher den marktwirtschaftlichen gesellschaftlichen Rahmen der EU. Sie hatte von Anfang an versprochen, die Zahlung der griechischen Schulden nicht zu verweigern oder Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um den Abfluss von Kapital aus den griechischen Banken aufzuhalten.

Nachdem ihr die EU gedroht hatte, sie vom Zugang zu Krediten abzuschneiden, plünderte sie die öffentlichen Institutionen und Sozialsysteme, um ihre Gläubiger bezahlen zu können. Zu diesen Gläubigern gehört auch Griechenlands nicht unerheblicher Bankensektor, in dem Syriza-Funktionäre und ihre Unterstützer einen Großteil ihrer Vermögen angelegt haben.

Tsipras und andere Syriza-Funktionäre haben viel Zeit und Energie darauf verwandt, von einem Land zum anderen zu reisen, um die Vertreter des Finanzkapitals zu umschmeicheln und anzubetteln. Sie haben nie an die Arbeiterklasse appelliert, den Kampf gegen die Angriffe der Regierungen der EU aufzunehmen – weder in Griechenland noch im Rest Europas.

Die Führer der EU haben Syriza hingegen bereits in Augenschein genommen, bevor sie an die Macht kam. Sie sahen in ihr keine Vertretung der aufständischen Massen Griechenlands, sondern des bankrotten griechischen Kapitalismus. Deshalb beharrten die Vertreter der EU rücksichtslos auf ihren Vorteilen, obwohl ihre rücksichtslosen Kürzungen und Drohungen, Griechenland aus der Eurozone zu werfen, Europa an den Rand einer Finanzkrise gebracht haben.

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