Weniger als eine Woche nachdem in Griechenland eine deutliche Mehrheit im Referendum über den Sparkurs der Europäischen Union (EU) mit „Nein“ gestimmt hatte, willigte die Syriza-Regierung am Donnerstagabend in ein neues, umfassendes Sparpaket in Höhe von dreizehn Milliarden Euro ein.
Die Vorschläge beinhalten die weitreichendsten Sparmaßnahmen, die seit 2009, dem Beginn der Austeritätspolitik in Griechenland, durchgesetzt wurden. Sie gehen weit über die Kürzungen in Höhe von acht bis neun Milliarden Euro hinaus, welche die EU am Anfang der Verhandlungen mit Syriza gefordert hatte.
Noch vor Ablauf der Frist, die von der EU, dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) auf Mitternacht festgesetzt worden war, legte die griechische Regierung eine dreizehnseitige Liste mit Sparvorschlägen vor. Als Gegenleistung für die Kürzungen bittet sie um einen Kredit von 53,5 Milliarden Euro und eine Restrukturierung der Schulden, um den Staatsbankrott abzuwenden und im Euroraum bleiben zu können.
Die Sparmaßnahmen umfassen eine deutliche Erhöhung der regressiven Mehrwertsteuer sowie des Renteneintrittsaltersalters auf 67 Jahre bis 2022. Die Abschaffung zusätzlicher Zahlungen an die ärmsten Rentner wird bis 2019 abgeschlossen sein, ein Jahr früher als bisher geplant.
Die Pläne zur Privatisierung staatlichen Eigentums, darunter Häfen und Flughäfen, werden fortgesetzt. Die Vorschläge sehen außerdem eine Erhöhung der Körperschaftssteuer auf 28 Prozent vor, nicht auf 29 Prozent wie anfänglich geplant. Diese Korrektur hatte der IWF gefordert.
Mit der Vorlage des neuen Sparpakets setzt sich Syriza mit erstaunlicher Schnelligkeit über das Ergebnis des Referendums vom Sonntag hinweg, das sie selbst einberufen und als Muster für demokratische Rechenschaftspflicht dargestellt hatte. Mehr als 61 Prozent der Bevölkerung lehnten genau die Maßnahmen ab, denen die Regierung jetzt zugestimmt hat.
Obwohl Syriza offiziell dazu aufrief, mit „Nein“ zu stimmen, hatte Tsipras nicht die Absicht, Widerstand gegen den Sparkurs der EU zu leisten. Tsipras hatte mit einer Niederlage gerechnet und geplant, danach sein Amt niederzulegen und eine andere Regierung die Kürzungen durchsetzen zu lassen. (Siehe auch: Syriza reicht umfassendes Sparprogramm ein)
Nach dem Referendum beeilte sich die Syriza-Regierung so schnell wie möglich mit den Pro-Austeritätsparteien in Griechenland eine Einigung zu finden und ein Abkommen auszuhandeln, das die europäischen Banken akzeptieren würden.
Die Maßnahmen wurden in Diskussionen zwischen Premierminister Alexis Tsipras, dem stellvertretenden Premierminister Jannis Dragasakis, Finanzminister Euklides Tsakalotos und Wirtschaftsminister Giorgios Stathakis – allesamt Syriza-Mitglieder – endgültig ausgearbeitet und am Donnerstag vom griechischen Kabinett bewilligt.
Die Regierung plant für Freitag eine Abstimmung im Parlament, bei der sie sich auf die Unterstützung von Nea Dimokratia und PASOK verlässt, die beide den Sparkurs offen unterstützen. Am Samstag werden sich die Finanzminister der Eurozone treffen, um die Vorschläge zu überprüfen, gefolgt von einem Treffen der EU-Regierungschefs am Sonntag.
Einige Vertreter der EU hatten in den letzten Tagen gedroht, Griechenland den Zugang zu Geldern endgültig zu verwehren und das Land aus der Eurozone zu werfen. Vor dieser Drohkulisse legte die Regierung hastig die neuen Sparvorschläge auf den Tisch. Sie reagierte auf die Drohungen, indem sie jede Maßnahme, die die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse hätte gefährden können, rundheraus ablehnte und jeden Appell an die Arbeiter in Europa, gemeinsam gegen den Sparkurs zu kämpfen, zurückwies.
Obwohl die Bedingungen, die Syriza anbietet, einer Kapitulation gleichkommen, ist noch unklar, ob die EU einer Einigung zustimmt. Teile der europäischen herrschenden Klasse erwägen die Möglichkeit, Griechenland in den Staatsbankrott zu treiben und aus der Eurozone auszuschließen. Das Land zur Einführung einer abgewerteten Währung zwingend, könnten sie Griechenland auf diese Weise in eine massive Wirtschaftskrise stoßen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte am Donnerstag, eine größere Restrukturierung der griechischen Schulden sei unwahrscheinlich, da dies gegen die Regeln der EU verstoßen würde.
Andere Vertreter der EU haben ihre Bereitschaft angedeutet, sich mit der griechischen Regierung zu einigen. Wie Syriza-Mitglieder der britischen Zeitung Guardian erklärten, hätten Beamte des französischen Finanzministeriums mit dem griechischen Finanzminister Tsakalotos zusammengearbeitet, um Athens Sparvorschläge umzuschreiben und für die EU annehmbarer zu machen.
Der Vorsitzende des EU-Gipfeltreffens Donald Tusk drängte darauf, dass die Vertreter der EU entsprechende Maßnahmen ergreifen, die Griechenland eine Schuldenrückzahlung ermöglichen. „Der realistische Vorschlag von Griechenland muss mit einem ebenso realistischen Vorschlag der Gläubiger zur Tragfähigkeit der Schulden abgestimmt werden.“, erklärte Tusk.
Auch die Obama-Regierung übt jetzt Druck auf die deutsche Regierung aus, damit Griechenland nicht aus der Eurozone geworfen wird. Am Mittwoch mischte sich US-Finanzminister Jack Lew öffentlich in die Debatte ein. Er drängte auf ein Abkommen über den Sparkurs zwischen Griechenland und der EU und rief dazu auf, irgendeine Form von „Umschuldung“ durchzuführen.
Lew kritisierte diejenigen, die „weitere dieser Galgenfristen festsetzen“. Sie würden aus seiner Sicht noch viel größere wirtschaftliche und politische Risiken hervorrufen, wie die Gefahr einer Finanzpanik in ganz Südeuropa und eine mögliche Spaltung Europas. Die USA wollen sicherstellen, dass Griechenland in der Nato bleibt und ihren aggressiven militärischen und wirtschaftlichen Kurs gegen Russland weiterhin unterstützt.
In Griechenland bleiben die Banken noch immer geschlossen. Bankkunden können nicht mehr als 60 Euro Bargeld pro Tag abheben. Inmitten dieser Krise kommt die griechische Wirtschaft schnell zum Stillstand.
Laut einem Gutachten des griechischen Handelsverbands, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, ist der Konsum in Griechenland seit der Bankenschließung um 70 Prozent zurückgegangen. Diese Entwicklung hat der griechischen Wirtschaft 1,2 Milliarden Euro gekostet. Berichten zufolge legen sich viele Griechen Vorräte an wichtigen Medikamenten und haltbaren Lebensmitteln wie Reis und Nudeln an, weil sie befürchten, dass die Versorgung mit Medikamenten und importierten Lebensmitteln zusammenbrechen könnte.