Britische Socialist Workers Party und Linke Plattform verteidigen gemeinsam Syriza

Im Referendum vom 5. Juli stimmten mehr als 60 Prozent der griechischen Wähler mit „Nein“ und erteilten damit den Forderungen der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und den Einschüchterungsversuchen der griechischen Politikerkaste, der Leitmedien und des Militärs eine Abfuhr.

Syrizas Antwort darauf war ein schamloser Verrat an der Arbeiterklasse: Die Partei stimmte einem Sparprogramm zu, das sogar noch unerbittlicher als das abgelehnte ist.

Die Ereignisse in Griechenland sind eine wichtige strategische Erfahrung für die internationale Arbeiterklasse. Vor allem haben sie den Klassencharakter und die politische Funktion Syrizas und ähnlicher pseudolinker Parteien auf der ganzen Welt aufgezeigt. Diese Organisationen vertreten die Interessen privilegierter Schichten der oberen Mittelklasse. Deshalb propagierten sie Syriza als Vorbild, um zu verhindern, dass die griechische Arbeiterklasse, die Arbeiter Europas und der Welt sich in einer unabhängigen Bewegung gegen Sparmaßnahmen, Krieg und das Profitsystem vereinen.

Im Rahmen des „Marxismus 2015 Festivals“ nahm Stathis Kouvelakis, Zentralkomitee-Mitglied von Syriza und Anführer der Linken Plattform (einem Amalgam aus verschiedenen pseudo-linken Tendenzen innerhalb Syrizas) an einer Diskussion mit dem Vorsitzenden der britischen Socialist Workers Party (SWP), Alex Callinicos, teil. Die beiden hatten schon im Februar, kurz nach Syrizas Regierungsübernahme, eine ähnliche Diskussion veranstaltetet, bei der Callinicos ausrief: „Revolutionäre Sozialisten sollten den Sieg der neuen Regierung feiern und ihre fortschrittlichen Maßnahmen unterstützen.“

Nur einen Tag nachdem das griechische Parlament Tsipras' Kapitulation zugestimmt hatte, versuchte Kouvelakis, dies in einer eigenen Stellungnahme zu verteidigen und zu rechtfertigen: „Wir sind bis ins Finale des Klassenkampfs vorgedrungen, aber ich befürchte, wir haben das Spiel verloren. Ich würde gerne Erfreulicheres berichten, aber da gibt es leider nichts.“

Ohne rot zu werden erklärte er, dass bei der vorläufigen Abstimmung am 10. Juli 15 Abgeordnete der Linken Plattform für und nur zwei gegen das Sparprogramm gestimmt hatten. Wie Pontius Pilatus gab die Linke Plattform eine Solidaritätserklärung für diejenigen ab, die bei dem Referendum mit „Nein“ gestimmt hatten. Sie würden das Sparpaket „als Solches“ nicht akzeptieren, hieß es darin.

Kauvelakis bezeichnete die neuen und weitgehenderen Sparmaßnahme der griechischen Regierung als das „verheerende“ Ergebnis des interessantesten „politischen Experiments“ linker Politik seit Jahrzehnten. Deren Auswirkungen seien „weitgehend“ und „unvorhersehbar“.

Dann betonte er, dass es unzulässig sei, auf „vorgefertigte Formulierungen und Gewissheiten zurückzugreifen, die schon früher oft genutzt wurden.“ Insbesondere sei es nicht statthaft, von Verrat zu reden. Verrat sei keine „besonders nützliche Kategorie für das Verständnis politischer Prozesse… der Begriff Verrat bedeutet, dass ein vorab erstelltes Programm verwirklicht werden soll, dass es ihnen irgendwie gelang, die öffentliche Meinung zu manipulieren… so kamen sie an die Macht und dann verrieten sie… das war ihre Absicht und das wollten sie tun.“

Bei Syriza, so erzählte Kouvelakis seiner aufmerksamen Zuhörerschaft weiter, „sei hingegen die politische Strategie“ der Partei gescheitert. Syriza habe an das „grundsätzliche Wohlwollen“ der EU geglaubt. Dass diese die „minimalen Übergangsforderungen“ aus dem Thessaloniki-Programm Syrizas akzeptieren werde. Für den Fall des Scheiterns dieser Perspektive habe kein Plan B existiert.

Er führte aus: „Die Niederlage, die wir in Griechenland einstecken mussten, hat mit dem Scheitern dieser Strategie zu tun. Wir bezahlen jetzt den Preis für die Verinnerlichung dieser Ideologie eines linken Europäertums, über die meiner Ansicht nach die Debatte eröffnet werden muss.“

Er setzte noch einen drauf und betonte, dass diese Niederlage „als Ausdruck einer tiefgreifenderen ideologischen Niederlage der Linken“ gesehen werden müsse, „wie sie aus den Niederlagen der revolutionären Experimente des 20. Jahrhunderts hervorging.”

Kouvelakis erklärte, dass jeglicher historische Ansatz, der versucht, die Bedeutung dieser Niederlagen oder den Verrat Syrizas zu verstehen, falsch sei. Er versicherte: „Auch wenn sich in dieser Situation umfassendere theoretische Fragen aufdrängen“, sollten wir mit einer „konkreten Analyse der konkreten Situation“ beginnen.

Er sagte auch noch, Kritik am Bündnis Syrizas mit ANEL und am versäumten Angriff auf den repressiven Staatsapparat könnten nicht „erhellen, was jetzt passiert ist“.

Im Gegensatz zur SWP sagte Kouvelakis, Syriza sei keine reformistische Partei, sondern weiterhin eine antikapitalistische und sozialistische Partei „mit inneren Widersprüchen“. „So etwas gibt es in reformistischen Parteien nicht.“ Als Beweis führte er an, dass die Linke Plattform innerhalb Syrizas, wenn auch nur mit „Einschränkungen“, operieren könne. Die Alternative dazu sei gewesen, das Schicksal der Koalition Antarsya zu teilen, in der die griechische Schwesterpartei der SWP, die Socialist Workers Party (SEK) arbeitet, die zwar „nette, ansprechende Parolen“ verbreite, aber „genauso schwach bleibe wie früher“.

Kouvelakis schloss mit den Worten „Jedes Mal wenn ich falsch lag, war es, weil ich nicht radikal genug war.“

„Aber es gibt einen Haken“ sagte er plötzlich noch. Radikal zu sein bedeute nicht die Wiederholung „alter Rezepte“, sondern „uns für Neues bereit zu machen“. Er rief dazu auf, dass sich „alle Kräfte, die grundsätzlich die gleiche Position teilen“, neu gruppieren und es das nächste Mal „eben besser machen… im Konkreten.“

Kouvelakis konnte seinen ihm eigenen abstoßenden Opportunismus und den Verrat Syrizas und der Linken Plattform nur deswegen so unverschämt zur Schau stellen, weil er unter Gleichgesinnten war.

Callinicos, führender Theoretiker der SWP, begann mit seinem rituellen Händeringen und sagte, Syriza habe kapituliert und das bedeute „einen momentanen schweren Rückschlag“.

Rasch fuhr er jedoch fort und sagte: „Trotzdem ist Griechenland für die Linke und die Arbeiterbewegung die wichtigste Erfahrung in Europa seit der portugiesischen Revolution 1974, als Arbeiter und Militär gemeinsam unter revolutionären Transparenten marschierten.“ Das ist „die Art von Referenzpunkt, über den wir reden“, sagte er.

In Wirklichkeit organisierte die Portugiesische Kommunistische Partei damals das Eingreifen des Militärs in Gestalt der Bewegung der Bewaffneten Kräfte (MFA) und auch die Förderung des „Bündnisses der MFA und des Volkes“, was die Revolution erstickte und zur Festigung der bürgerlichen Herrschaft führte. Nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale rief damals zum Bruch mit den bürgerlichen Parteien, dem Staatsapparat und der MFA auf und forderte die Auflösung der Armee und die Bildung von Sowjets der Arbeiter, Bauern und Soldaten.

Angesichts der Einmischung des griechischen Militärs in die gegenwärtige politische Situation ist Callinicos' Erklärung besonders geschmacklos und gefährlich. Vermutlich würde die SWP in Griechenland die gleiche Rolle spielen wie ihre ägyptischen Gesinnungsgenossen, die Revolutionären Sozialisten, die den Militärputsch General Sisis guthießen.

Callinicos bestand darauf, dass ein besonders wichtiger Widerspruch zu Kouvelakis nicht „strategische Angelegenheiten“ beträfe. Vielmehr kritisiere er die Vorstellung, dass die „Ereignisse vom letzten Sonntag“, als die Arbeiterklasse an einem „Gramsci'schen Moment“ beteiligt war und andere Teile der Gesellschaft in einer massiven „Nein“-Wahl hinter sich herzog, „das Ende vom Lied“ bedeuteten.

Callinicos beharrte darauf, dass Syriza, ähnlich wie die Linken in der Labour-Partei der 1970er Jahre, reformistisch sei, und dass ihre Aktionen „hier nichts Neues“ seien und es „genau das ist, was Reformisten eben tun.“ Kein Wort verlor er über die Unterstützung der SWP für eine Partei, deren Verrat man vorhergesehen hatte. Callinicos' Hauptanliegen war es, die Bedeutung des Verrats von Syriza herunterzuspielen. Das Wort Verrat nahm er nicht in den Mund. Außerdem bemühte er sich, den Klassencharakter der Pseudo-Linken zu verwischen.

Er rief dazu auf, die Orientierung auf Syriza über die Linke Plattform beizubehalten. Seiner Ansicht nach hat das Modell Syriza noch nicht ausgedient. Derzeit habe Syriza zwar eine schlechte Richtung eingeschlagen, könne jedoch zur Kursänderung gedrängt werden.

Wie Kouvelakis betonte Callinicos: „Es geht nicht darum, Einzelne anzuklagen. Das ist Zeitverschwendung. Es geht vielmehr darum, die mangelhafte Logik einer Strategie zu verstehen, die versucht, im Moment einer tiefen Krise der EU und des Kapitalismus die allgemeinen Lebensbedingungen der einfachen Leute innerhalb des bestehenden Systems zu verbessern… Dieser Ansatz wurde durch diese Erfahrung ad Absurdum geführt.“

Callinicos fragte Kouvelakis, ob es im Verhalten der Linken Plattform „irgendetwas gäbe, auf das man stolz sein könnte“, wenn nur „ein Teil, nein Verzeihung, nur zwei Mitglieder der Linken Plattform gegen [das Sparprogramm] stimmten“.

Er sprach jedoch ohne Unterbrechung weiter und riet den „Genossen der Linken Plattform“, dass sie, obschon sie „extrem kritisch“ gegenüber der Führung Syrizas gewesen seien, eine „weit größere Rebellion“ durchführen müssten. Ansonsten würden sie ihre Autorität verlieren. „Falls die Linke Plattform eine Zukunft haben will, muss sie austreten und sich mit den Genossen von Antarsya vereinen und eine viel umfassendere und einige Bewegung gegen die Sparpolitik aufbauen und diese Regierung herausfordern.“

Callinicos beteuerte, die „ganze Erfahrung mit Syriza“ habe die Richtigkeit der Strategie der SWP bestätigt, „in Verbindung, in Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Linken“ eine außerparlamentarische Bewegung aufzubauen, die „einen theoretischen und strategischen Zusammenhalt und die Fähigkeit zur unabhängigen Aktion bewahrt… Was der Linken innerhalb Syrizas passierte, war der Verlust ihrer Fähigkeit zur unabhängigen Aktion.“ Die angebliche Unabhängigkeit Antarsyas ist illusorisch. Wie alle diese Gruppen agieren sie nur deshalb außerhalb führender Organisationen wie Syriza, um sie besser verteidigen zu können.

Nichtsdestoweniger müssen Callinicos zufolge alle Bemühungen darauf ausgerichtet werden, die „Linke“ in Syriza für einen gemeinsamen Kampf mit Antarsya unter Einbeziehung der Nationalisten von der Griechischen Kommunistischen Partei (KKE) zu gewinnen. „Was mich bei, der Linken Plattform nervt, ist, dass sie jedes Recht hätte zu sagen 'Wir sind die Stimme des Oxi, wir sprechen für die Mehrheit'. Das muss die Linke in Griechenland machen und wenn sie das macht, ist das Spiel noch lange nicht gelaufen.“

Nach dieser Logik hängt die Zukunft der griechischen Arbeiter von einer Gruppe Abgeordneter ab, die als Mitglied der Regierungspartei für das Sparpaket stimmte, und damit den extremen politischen Betrug der Regierung an der Arbeiterklasse mittrug.

Panos Garganos, der Vorsitzende der SEK, wiederholte Callinicos' Appelle: „Was wir von den linken Abgeordneten Syrizas erwarten, egal wie sie gestern Nacht abstimmten“, ist, ebenso wie Antarsya, den Aufruf der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes zur Vorbereitung eines Generalstreiks gegen das Abkommen zu unterstützen. „Auch erwarten wir, dass wir beim Kampf zum Aufbau einer Bewegung zusammenarbeiten, um den Deal zu kippen.“

In der folgenden Diskussion, fragte nur eine Sprecherin, wie sie an ihrem Arbeitsplatz erklären solle, dass kein Verrat begangen worden sei. Sie warnte vor der Goldenen Morgenröte, die zur führenden Stimme gegen die Sparmaßnahmen werden könnte.

Wie die WSWS schon im Februar erklärte, beweisen die Ereignisse in Griechenland, dass es politisch keine rote Linie gibt, die die pseudo-linken Gruppen nicht überschreiten werden. „Sie sind weder sozialistisch, noch sind sie in irgendeiner Weise 'links'. Besser gesagt, artikulieren sie die Klasseninteressen einer privilegierten Mittelschicht, die sich nichts mehr wünscht, als eine geringe Umverteilung des Reichtums, die ihre eigenen Taschen besser füllt. Dafür sind sie bereit die entsprechenden Posten anzutreten und alles zu tun, was von ihnen verlangt wird.“

Loading