PSG-Versammlung: Verteidigt die griechischen Arbeiter!

Die Verteidigung der griechischen Arbeiter erfordert einen gemeinsamen Kampf der europäischen Arbeiterklasse gegen das brutale Spardiktat von Schäuble und Merkel. Dies war die zentrale Botschaft, die von einer Veranstaltung der Partei für Soziale Gleichheit am vergangenen Dienstagabend in Berlin ausging, bei der rund fünfzig Teilnehmer über die Bedeutung der jüngsten Entwicklung in Griechenland und insbesondere über den Verrat der angeblich linken Syriza-Regierung diskutierten.

In den Tagen zuvor hatten Teams der PSG an zahlreichen Berliner Jobcentern, Einkaufszentren, U- und S-Bahn-Stationen für die Versammlung geworben und viel Unterstützung erhalten.

Der erste Sprecher des Abends, PSG-Vorstandsmitglied Christoph Vandreier, berichtete von seiner jüngsten Reise nach Athen in der Zeit des Referendums. „Die bedingungslose Kapitulation Syrizas nach dem überwältigenden Nein-Votum der griechischen Arbeiter gegen das EU-Spardiktat ist eine fundamentale Erfahrung“, sagte Vandreier. „Daraus müssen die Lehren gezogen werden. Arbeiter müssen schonungslos mit Syriza und dem ganzen Milieu abrechnen, das diese Partei repräsentiert.“

Christoph Vandreier spricht zur Versammlung

In Griechenland gehe es nicht um das zeitweilige Straucheln eines verschuldeten Landes, sondern hier wolle die europäische Finanzelite ein Exempel für die gesamte europäische Arbeiterklasse statuieren. Vandreier zeigte detailliert, wie Griechenland nach dem Finanzkrach 2008 und den Milliardenpaketen zur Bankenrettung gezielt in den Bankrott getrieben wurde. Die EU-„Hilfsgelder“ dienten im Wesentlichen der Rückzahlung der Kredite an die Banken samt der Zinsen und trieben die Schuldenquote Griechenlands immer weiter nach oben – von 130 Prozent 2009 auf 175 Prozent 2013 und voraussichtlich über 200 Prozent im Jahr 2017.

„Der eigentliche Zweck des Spardiktats ist die Plünderung des Landes und vor allem der Arbeiterklasse.“ Vandreier schilderte das soziale Elend, das bereits jetzt in Griechenland existiert. Besonders heftig wirkten sich die Kürzungen der Renten aus, von denen viele Familien bis hin zu Enkelkindern abhängen. „Die Suppenküchen sind überfüllt. In einem EU-Land herrscht wieder Hunger auf den Straßen.“

Dies sei die Bilanz der Syriza-Regierung. Sie habe Illusionen verbreitet, man könne in Verhandlungen mit der EU Zugeständnisse erreichen, und zugleich den internationalen Gläubigern zugesichert, alle Kreditschulden samt Zinsen zurückzuzahlen. „Sie ließ den Reichen freie Hand, ihr Geld ins Ausland zu transferieren, und plünderte selbst die Rentenkassen, die Universitäten, die Krankenhäuser und die staatlichen Unternehmen, um die fälligen Kredite und Zinsen an den IWF überweisen zu können. Mehr als sieben Milliarden Euro gingen auf diese Weise an IWF und EZB. Anstatt an die europäischen Arbeiter zu appellieren, trafen sie sich mit Merkel und Schäuble und schmierten ihnen Honig ums Maul.“

Der Grund, warum Syriza zum Werkzeug der europäischen Finanzelite geworden sei, liege nicht allein in ihrer Feigheit, fuhr Vandreier fort, sondern „vielmehr in ihrer sozialen und politischen Ausrichtung. Tendenzen wie Syriza und ihre Verteidiger auf der ganzen Welt sprechen für wohlhabende Teile der Mittelschichten. Sie bemühen soziale oder demokratische Phrasen nur, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Deshalb sind sie einer unabhängigen Bewegung der Arbeiter extrem feindlich gesonnen.“

Pseudo-linke Gruppen auf der ganzen Welt verteidigten Syriza mit dem Argument, „die Kräfteverhältnisse in Europa hätten keine andere Politik zugelassen“. Als Beispiel nannte Vandreier Gregor Gysi von der Linkspartei, der im Bundestag erklärt hatte, er lehne das Spardiktat bei der Abstimmung in Deutschland zwar ab, im griechischen Parlament hätte er aber mit einem deutlichen Ja votiert. Die Linkspartei, sagte Vandreier, werde die gleiche Rolle wie Syriza spielen, falls sie in die Bundesregierung käme.

„Tatsächlich war der Kurs Syrizas ganz und gar nicht alternativlos“, betonte Vandreier. „Eine Regierung, die das Spardiktat tatsächlich beenden will, hätte noch am Wahlabend die Banken enteignet, Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und die Rückzahlung der Schulden bis zu einer Einigung mit den Geldgebern verweigert. Sie hätte die Konten der Reichen eingefroren und all jene verhaftet, die ihr Geld illegal ins Ausland gebracht haben. Vor allem hätte sie sich auf die unabhängige Mobilisierung der griechischen und aller europäischen Arbeiter gestützt. Denn die Eurokrise zeigt gerade, dass die Interessen der Arbeiter nicht auf kapitalistischer Grundlage und nicht im Rahmen der Europäischen Union verteidigt werden können.“

Eine solche Mobilisierung gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Politik vertrete nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine deutsche Sektion, die Partei für Soziale Gleichheit.

Rückkehr des deutschen Imperialismus

„Es ist beispiellos und schockierend, wie schnell ein Land in Europa bewusst auf den Status von Dritte-Welt-Staaten zurückgeworfen wurde“, sagte Peter Schwarz, der Sekretär des IKVI und Leiter der deutschen Redaktion des WSWS, zu Beginn seines Beitrags. Dies werde nicht auf Griechenland beschränkt bleiben, warnte er. Nicht nur in Spanien, Portugal, Frankreich, sondern auch in Deutschland drohe die gleiche Entwicklung.

Schwarz ging in diesem Zusammenhang auf die Rückkehr des deutschen Imperialismus ein. „Das Spardiktat hat einen Namen: Wolfgang Schäuble.“ Es sei Schäuble gewesen, der nach dem Referendum die neuen Sparvorschläge von Tsipras, die mit der französischen Regierung abgestimmt waren, abgelehnt und ein noch brutaleres Austeritätsprogramm durchgesetzt habe. Im Gegensatz zur Darstellung der Medien, es handle sich um „Hilfe“ für Griechenland, verfolge dieses Programm das Ziel, „den letzten Blutstropfen aus der griechischen Bevölkerung zu pressen, das griechische Staatseigentum zu verhökern und das Land in eine Art Kolonie der deutschen und europäischen Banken zu verwandeln“.

Es sei zwar nicht auszuschließen, dass die Kredite an Griechenland eines Tages im deutschen Staatshaushalt zu Buche schlagen würden. Doch vom Standpunkt des deutschen Kapitals seien sie trotzdem eine lohnende Investition. „Banken, Hedgefonds und andere Glücksritter verdienen ein Vielfaches. Für sie ist die Griechenlandrettung ein glänzendes Geschäft.“ Das garantiere unter anderem der vereinbarte Treuhandfonds, dem Griechenland Staatseigentum im Wert von 50 Milliarden Euro übereignen müsse. Schwarz erinnerte in diesem Zusammenhang an die Treuhandanstalt nach der Wiedervereinigung, die eine ähnliche Rolle spielte. Vor allem aber sollten die Maßnahmen in Griechenland ein Exempel liefern für das Vorgehen gegen die gesamte europäische Bevölkerung, sagte Schwarz.

Die Art und Weise, wie die Bundesregierung das Sparpaket durchgeboxt habe, bedeute eine „politische Zäsur in der Entwicklung Europas“. International werde über die Rückkehr der „deutschen Frage“ diskutiert, das deutsche Bestreben, als Großmacht aufzutreten und Europa zu beherrschen. So kritisiere Joschka Fischer, der ehemalige grüne Außenminister, die Bundesregierung, sie wolle die Euro-Zone „quasi in eine deutsche Einflusszone“ verwandeln und Griechenland „zu einem europäischen Protektorat“ machen. Fischer habe allerdings nur taktische Differenzen zu Schäuble, sagte Schwarz. Er sei besorgt, Deutschland könne in Europa isoliert und in seinem Streben nach Weltmacht geschwächt werden.

„Letztlich kann man die Rückkehr der ‚deutschen Frage‘ nur verstehen, wenn man sie historisch einordnet. Das brutale Diktat gegen Griechenland ist bisheriger Höhepunkt einer Entwicklung, die sich lange abgezeichnet hat – und vor der wir seit langem gewarnt haben: der Rückkehr der deutschen Bourgeoisie zu ihren historischen Traditionen – zu Militarismus und Großmachtpolitik.“

Die PSG und ihre Studenten- und Jugendorganisation IYSSE, die seit dem rechten Putsch in der Ukraine gegen die Kriegspolitik des deutschen Imperialismus kämpfen und die ideologischen Verteidiger dieser Politik in den Redaktionen und unter Professoren kritisieren, seien in den Medien heftig angegriffen worden. „Aber unsere Warnung hat sich in Griechenland bestätigt“, sagte Schwarz.

Das aggressive Vorgehen Schäubles oder Merkels sei nicht Ergebnis von Launen oder falscher Politik. Es ergebe sich aus den ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Widersprüchen, mit denen Deutschland schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts konfrontiert war und die es in den Ersten und den Zweiten Weltkrieg trieben. Nach dem Krieg seien diese Widersprüche nur vorübergehend verdeckt gewesen. Mithilfe der EU und des Euros sollte Deutschland unter Kontrolle gehalten werden. Doch in Wirklichkeit habe der Euro Deutschland gestärkt und die Spannung mit anderen Ländern, auch mit den USA, wieder verschärft.

„Wenn man die Lage in Europa und der Welt nüchtern betrachtet, steuert der Kapitalismus erneut auf Kriege, große Klassenkämpfe und Revolutionen zu. Wenn die internationale Arbeiterklasse nicht eingreift und dieses System stürzt, ist ein Atomkrieg unvermeidlich“, schloss Peter Schwarz seinen Beitrag. „Sie braucht dazu ein Programm und eine Partei, die die Arbeiter international vereint, für Arbeiterregierungen kämpft und den unglaublichen Reichtum an der Spitze der Gesellschaft, den Banken, Hedgefonds und die großen Finanzinstitutionen zusammengerafft haben, beschlagnahmt, um die Wirtschaft nach einem rationalen Plan und auf der Basis sozialer Gleichheit neu zu organisieren.“

Nach den beiden Reden kamen zahlreiche Fragen auf: Wie die hohe Verschuldung zustande gekommen ist, wie eine revolutionäre Arbeiterbewegung entstehen kann, zur Rolle der Gewerkschaften und vor allem zum Verhalten des linken Flügels von Syriza.

Die hohe Verschuldung Griechenlands sei direkt mit der Einführung des Euro verknüpft gewesen, sagte Peter Schwarz. Er habe den griechischen Markt für Waren aus Frankreich und Deutschland geöffnet und der griechischen Oberschicht den Zugang zu günstigen Krediten verschafft. „Das war gewollt“. Nach der internationalen Finanzkrise seien dann die Zinsen für Kredite und Staatsanleihen dramatisch angestiegen und das Land sei, trotz den brutalen Sozialkürzungen, in eine Art Schuldknechtschaft geraten. Die reiche Elite Griechenlands zahle außerdem keine Steuern.

Im Zentrum der Diskussion stand der Verrat von Syriza. Eine junge griechische Teilnehmerin wandte sich dagegen, Syriza insgesamt als pseudolinks zu bezeichnen. Innerhalb von Syriza gebe es wirkliche Linke, die gegen das Spardiktat gestimmt hätten.

Christoph Vandreier wies diese Position entschieden zurück. Von 40 Abgeordneten der Linken Plattform innerhalb Syrizas hätten bei der ersten Abstimmung nur zwei gegen die Sparbeschlüsse gestimmt. Auch die entlassenen oder zurückgetretenen Abgeordneten und Minister hätten erklärt, sie seien zwar gegen die Sparbeschlüsse, wollten aber die Regierung weiterhin unterstützen.

„Syriza und auch ihr linker Flügel repräsentieren ein bestimmtes Milieu“, betonte Vandreier, „das sich auf die Auffassung gründet, es gebe keine Klassengesellschaft, eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse und eine sozialistische Revolution ablehnt. Sie versuchen, rechte Politik mit linken Phrasen abzudecken.“

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