Obama bewilligt Kriegseskalation gegen Syrien

Präsident Barack Obama hat Luftangriffe des US-Militärs u.a. gegen mögliche Angriffe der syrischen Regierungstruppen bewilligt, um eine kleine Gruppe von Söldnern zu schützen, die vom Pentagon ausgebildet und nach Syrien geschickt wurden.

Die Blankovollmacht für den Einsatz der amerikanischen Luftstreitkräfte zur angeblichen Unterstützung von weniger als 60 „Rebellen“, die vom US-Militär vorgeblich dazu ausgebildet, bewaffnet und bezahlt wurden, gegen den Islamischen Staat (IS) zu bekämpfen, wird zu einer dramatischen Eskalation des Krieges für einen Regimewechsel gegen die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad führen.

Zeitgleich mit der Verschärfung der Gefahr eines amerikanischen Luftkrieges veröffentlichte eine Gruppe von unabhängigen Journalisten einen Bericht, der belegt, dass in den ersten sechs Monaten seit Beginn der Luftangriffe der USA und anderer Mitglieder von Washingtons sogenannter Koalition mindestens 459 Zivilisten, darunter 100 Kinder durch diese Luftangriffe getötet wurden. Alleine bei einem Angriff auf die irakische Stadt Hawija am 3. Juni wurden mehr als 70 Zivilisten getötet.

Die Gruppe, die als Airwars bekannt ist, listete nur diejenigen Todesopfer auf, die sie anhand von Medienberichten und durch Gegenprüfungen mit den Berichten des US-Militärs eindeutig verifizieren konnte. Zweifellos ist das tatsächliche Ausmaß der amerikanischen Kriegsverbrechen in dem andauernden Feldzug im Irak und in Syrien noch viel größer.

Das Wall Street Journal berichtete am Montag als erstes über diese neue Vorgehensweise bei Luftangriffen. Zuvor hatte Division 30, eine Miliz, aus der das Pentagon seine wenigen Rekruten bezog, eine krachende Niederlage erlitten. Letzte Woche hatte die al Nusra-Front, der syrische Ableger von Al Qaida, die neben dem IS die wichtigste Kampforganisation gegen die Assad-Regierung darstellt, den Befehlshaber der Division und den kommandierenden Offizier der amerikanischen Söldner, sowie sechs weitere Angehörige der vom Pentagon ausgebildeten Truppe gefangen genommen. Ein paar weitere wurden bei Anschlägen der Nusra-Front getötet; nur amerikanische Luftangriffe konnten die vollständige Vernichtung der Einheit verhindern.

Die Reaktionen aus Washington und von Division 30 machen deutlich, dass die USA und ihre Stellvertreter auf diese Anschläge nicht vorbereitet waren, da sie die Nusra-Front praktisch als Verbündeten betrachteten, der sich in einer „Einheitsfront“ mit den vom US-Militär ausgebildeten Söldnern befindet, wie es in einem Appell der Division 30 an den Al Qaida-Ableger hieß.

Die neuen Einsatzregeln gehen noch weiter als diejenigen, welche für die US Air Force bereits gelten. „Bei Offensivoperationen geht es nur gegen den IS“, erklärte ein hochrangiger Militär dem Wall Street Journal. „Aber wenn wir angegriffen werden, verteidigen wir uns gegen jeden Angreifer. Wir wollen nicht gegen das Regime kämpfen, aber wir haben uns dazu verpflichtet, diese Leute zu schützen.“

Der Pentagonsprecher Captain Jeffrey Davis bestätigte den Bericht des Journal vom Montag und erklärte, das US-Militär werde die „Neue Syrische Truppe,“ wie Washington seine Söldner bezeichnet, militärisch verteidigen, „egal, gegen wen sie kämpfen müssen.“

Der Sprecher des Weißen Hauses zum Thema nationale Sicherheit, Alistair Baskey, erklärte, die Obama-Regierung mache deutlich, dass sie die „notwendigen Schritte“ unternehmen werde, um sie zu schützen, u.a. auch „militärisch.“

Laut dem Journal wurden diese neuen Regeln vom Pentagon empfohlen und von Obama abgesegnet. Die Unterscheidung zwischen „offensiven“ und „defensiven“ Operationen ist völlig fadenscheinig, zumal wenn es um eine isolierte Einheit von ein paar Dutzend Kämpfern geht, die keine echte Möglichkeit hat, selbst irgendwelche Operationen zu führen.

Amerikanische Militärs versuchten laut dem Journal, die Wahrscheinlichkeit direkter Kämpfe zwischen amerikanischen und syrischen Regierungstruppen „zumindest in der näheren Zukunft“ herunterzuspielen und stellten jeden Angriff von syrischen Regierungstruppen auf die amerikanischen Soldaten als unwahrscheinlich dar, da sie angeblich den Auftrag hätten, gegen den IS zu kämpfen. Sie stellten die Garantie amerikanischer Luftangriffe als etwas dar, was ihnen „helfen könnte, möglichen Rekruten zu zeigen, dass das Pentagon sie ernsthaft schützen will, auch gegen das Regime.“

Das alles ist nur Augenwischerei mit dem Ziel, die amerikanische Bevölkerung über die wachsende Gefahr eines offenen Krieges der USA im Nahen Osten im Unklaren zu halten.

In Wirklichkeit können die amerikanischen Söldner in Syrien überhaupt nur überleben, wenn sie sich mit den wichtigsten islamistischen Milizen verbünden, u.a. mit der Nusra-Front, die von Washingtons wichtigsten Verbündeten in der Region - der Türkei, Saudi-Arabien und Katar und in enger Zusammenarbeit mit der CIA - bewaffnet, finanziert und unterstützt wird. Diese Kräfte kämpfen ständig gegen syrische Regierungstruppen.

Die Probleme bei der Gewinnung von Rekruten haben weniger mit Bedenken wegen fehlender Luftunterstützung zu tun, sondern vielmehr mit dem Widerwillen der Syrer, sich als amerikanische Handlanger zu identifizieren, sowie mit der Schwierigkeit, die das Pentagon bei der Überprüfung der Rekruten hat, die mehrheitlich die sektiererische und islamisch-extremistische Ideologie des IS und der Nusra-Front teilen.

Die winzige Truppe, die das Pentagon zusammengestellt hat, könnte nur eine denkbare Rolle spielen: als Lockvogel das Feuer der syrischen Regierungstruppen auf sich zu lenken und dem US-Militär einen Vorwand für Angriffe gegen das Regime zu liefern.

Diese Einsatzregeln wurden im Kontext eines Abkommens zwischen der Türkei und den USA angekündigt, das es den USA ermöglicht, von türkischen Luftwaffenstützpunkten aus Angriffe auf Ziele in Syrien zu fliegen, während sich Washington und Ankara gleichzeitig dazu verpflichten, eine „Schutzzone“ oder „IS-freie Zone“ in einem Teil des syrischen Staatsgebietes entlang der türkischen Grenze einzurichten. Die Türkei fordert schon seit langem die Einrichtung einer solchen Zone, um den blutigen, religiösen Bürgerkrieg zum Sturz von Assad zu verschärfen, der bereits seit vier Jahren tobt.

Das Szenario, das dabei entsteht, ähnelt immer mehr dem Nato-Krieg zum Regimewechsel in Libyen 2011, der mit dem Sturz und der Ermordung von Staatschef Muammar Gaddafi und der Zerstörung der libyschen Gesellschaft endete. Auch damals behaupteten die USA und ihre Verbündeten, eine „Flugverbotszone“ über libyschem Staatsgebiet sei eine „Verteidigungsoperation“ gegen das libysche Militär.

Der taktische Kurswechsel der Obama-Regierung könnte auch ein Versuch sein, Elemente des US-Militär- und Geheimdienstapparates und den rechten Flügel der Republikaner ruhigzustellen, die ihn für sein Abrücken von den Vorbereitungen auf einen Angriff gegen Syrien im September 2013 wegen angeblichem Besitz von Chemiewaffen kritisiert hatten. Diese Schichten hatten ihm bittere Vorwürfe gemacht, weil er den Krieg aufgrund eines von Russland ausgehandelten Abkommens abgebrochen hatte.

Ein weiterer Anstoß für den Kurswechsel zu einer härteren Haltung gegenüber Syrien ist die hysterische Kritik an der Regierung wegen des P5+1-Atomabkommens mit dem Iran, dem wichtigsten Verbündeten Syriens.

Während in Washington die neuen Einsatzregeln vorgestellt wurden, traf sich US-Außenminister John Kerry in Doha mit den Außenministern des Golf-Kooperationsrates, der Vereinigung von sunnitischen Ölmonarchien, die zusammen die wichtigsten Geldgeber der islamistischen Milizen sind, die Syrien zerstört haben.

Kerrys zentrale Botschaft war das Versprechen der USA, diese monarchischen Despoten gegen den Iran zu unterstützen und die Militärmacht der USA einzusetzen, um den Einfluss des Iran zurückzudrängen. Abgesehen von weiteren Waffenlieferungen an diese Regimes versprach Kerry außerdem, die Militärübungen in der Region zu verstärken, die sich gegen den Iran richten.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow, der sich ebenfalls mit Kerry und dem saudischen Außenminister Adel al-Jubeir in Doha traf, wies auf die zunehmende Gefahr hin, dass die USA einen weiteren Flächenbrand auslösen könnten und erklärte, Obamas garantierte Luftunterstützung für die Söldner des Pentagons sei „ein Verstoß gegen das Völkerrecht und ein Hindernis auf dem Weg zur Bildung einer Einheitsfront im Kampf gegen den Terrorismus, u.a. den Islamischen Staat und die al Nusra-Front.“

Russland, das bisher ein wichtiger Unterstützer Assads war, scheint zu versuchen, ein weiteres Abkommen auszuhandeln, um eine direkte Konfrontation mit dem US-Imperialismus wegen Syrien zu verhindern. Es ist jedoch noch längst nicht klar, ob Washington eine solche Einigung akzeptieren wird. US-Senator Lindsey Graham aus South Carolina, ein möglicher republikanischer Präsidentschaftskandidat, schlug am Sonntag vor, den Krieg noch weiter zu verschärfen.

Graham erklärte bei einem Auftritt in der CBS-Sendung „Face the Nation,“ die Luftangriffe würden nicht ausreichen, um den IS zu besiegen, daher bräuchte man Bodentruppen vor Ort, nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien.

Graham erklärte: „Es muss eine regionale Miliz mit einer amerikanischen Komponente von ungefähr 10.000 Soldaten aufgebaut werden, die sich mit den arabischen Armeen in der Region verbünden und dann nach Syrien gehen und die Gebiete [vom IS] zurückerobern.“ Ein derartiger Vorschlag würde zu einem neuen amerikanischen Blutbad im Nahen Osten führen, das möglicherweise sogar das in den Schatten stellen würde, das der Einmarsch in den Irak 2003 ausgelöst hat.

Loading