Die Imtech-Insolvenz und das Desaster am Flughafen Berlin Brandenburg

Eine Woche nach dem Insolvenzantrag der Baufirma Imtech, der deutschen Tochter der niederländischen Royal Imtech N.V. erklärte das Rotterdamer Amtsgericht auch die Mutterfirma für bankrott. Royal Imtech N.V. wird jetzt zerschlagen. Die Bereiche Imtech Marine und Imtech Nordic wurden bereits verkauft. Damit sind über 22.000 Beschäftigte von Entlassungen bedroht, in Deutschland sind es 4.210.

Imtech Deutschland ist an 960 Baustellen in Deutschland tätig, darunter am Opern- und Schauspielhaus in Köln und dem Flughafen Berlin Brandenburg (BER). Die Insolvenz des Unternehmens offenbart das ganze Chaos kapitalistischer Markt- und Profitwirtschaft, was sich am Beispiel des Flughafens BER besonders deutlich zeigt.

Das Geschäftsmodell von Imtech gleicht einem Ponzi-Schema, oder Schneeball-System, nachdem Kosten für laufende Projekte durch Anzahlungen für neue Projekte gedeckt werden. Staatsanwaltschaften in Neuruppin, Hamburg und München ermitteln gegen Imtech wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechung, Preisabsprachen und Bilanzfälschungen.

In einem ausführlichen Hintergrundartikel warf Die Zeit der Firma Imtech am 16. Juli 2015 vor, zumindest zum Teil ein „kriminelles Geschäftsmodell“ zu verfolgen. Imtech sei an zahlreichen Bauprojekten beteiligt gewesen, bei denen es zu gravierenden Bauverzögerungen und drastischen Kostenerhöhungen gekommen sei. Dazu zählen der Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin, ein Operationszentrum der Universitätsklinik in Düsseldorf, der Campus der Fachhochschule Bielefeld und allem voran der Flughafen Berlin Brandenburg.

Imtech sei an den Bauverzögerungen „entscheidend beteiligt“ und habe sie geschickt genutzt, um Beschleunigungs- und Nachtragszahlungen, nicht selten in zweisteilliger Millionenhöhe zu erhalten.

Beim Flughafen-Berlin-Brandenburg geht es dabei konkret um den Vorwurf der Bestechung, wobei einem Bereichsleiter des Flughafens Schmiergelder in Höhe von mehreren hunderttausend Euro gezahlt worden sein sollen. Der Bereichsleiter habe als Gegenleistung die Bezahlung von Imtech-Rechnungen in Höhe von 65 Millionen Euro ohne Prüfung arrangiert. Begründet wurden die überhöhten Rechnungen mit Beschleunigungs- und Nachtragszahlungen. „Imtech betreibt das Nachtragsmanagement am aggressivsten. Sie weisen Kosten nach, ohne sie gehabt zu haben – das ist gut verdientes Geld“, berichtet ein Mitarbeiter des Bauamtes der Zeit. Die Bauverzögerungen wurden für die beteiligten Firmen zur Goldgrube. „Imtech macht ein Geschäft mit dem Stillstand“, heißt es in dem Zeit-Artikel.

Ein Blick zurück deckt das ganze Geflecht aus Korruption, bürokratischer Willkür und Unfähigkeit auf. Hunderte der am Bau des Flughafens beteiligten Unternehmen, vom großen Baukonzern bis zum kleinsten Subunternehmer, waren seit Beginn des Projektes 1991 darauf bedacht, ihre Kosten und ihren Arbeitsaufwand einzugrenzen, um ihre Gewinne zu maximieren und wendeten dabei die ganze Palette von Tricks an, die beim Bau öffentlicher Projekte schon Standard sind: von Fehlplanungen, falschen Kostenvoranschlägen, vom blinden Weiterarbeiten bei fehlenden Planungsunterlagen und daraus resultierenden teuren Nachbesserungen bis zur In-Rechnung-Stellung von nicht geleisteten Arbeiten bis zu Erpressung und Korruption.

Auftraggeber des BER-Projektes ist die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB), die sich zu je 37 Prozent im Besitz der Länder Berlin und Brandenburg befindet während die restlichen 26 Prozent der Bundesrepublik Deutschland gehören. Der Aufsichtsrat der FBB setzt sich mehrheitlich aus Politikern der jeweiligen regierenden Parteien zusammen, die die schnelle Fertigstellung des Flughafens mit ihrem persönlichen Prestige verbinden und daher wenig an der Aufdeckung von Problemen interessiert sind.

Damit tragen alle Parteien, von CDU, SPD bis zur Linkspartei in unterschiedlichen Legislaturperioden die Verantwortung für dieses Desaster, das die Kosten des Flughafenterminals von ursprünglich geplanten 630 Millionen auf zur Zeit mindestens 5,4 Milliarden Euro hochschnellen liess.

Die Vertreter der Gewerkschaft Ver.di und der Betriebsräte der zur FBB gehörenden Flughäfen Tegel und Schönefeld im Aufsichtsrat sorgten dafür, dass es keinen Widerstand von Arbeitern gegen schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne bei den Subunternehmen gab. So kam es bei den Bauarbeiten bisher zu vier tödlichen Arbeitsunfällen und zahlreichen schweren Verletzungen. Ein Arbeiter geriet unter eine Walze, ein anderer wurde von einer herabstürzenden Baggerschaufel erschlagen, zwei Arbeiter stürzten in den Tod.

Die PDS/Linkspartei spielt bei dieser Scharade eine besonders üble Rolle. Sie war über ihren Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf von 2008 bis 2011 und durch ihre Brandenburger Minister Christoffers und Markov seit 2010 im Aufsichtsrat vertreten, die aber schon vor dieser Zeit Ministerposten in den Landesregierungen und damit politischen Einfluss besaßen.

Das Wirtschaftsprogramm der PDS und später der Linkspartei war vor allem auf eine Förderung des ostdeutschen Mittelstands und Kleinunternehmertums ausgerichtet. Nicht selten erhielten lokale Kleinunternehmer Aufträge ohne ausreichende Eignungsprüfung. So entstand ein unübersichtliches Geflecht von Firmen, die oft von den komplexen Aufgaben des Flughafenprojekts überfordert waren.

Angesichts dieser Situation gewann der Gebäudetechnikausstatter Imtech, als eine Art Dachorganisation, eine Schlüsselrolle und konnte die Entscheidungen gegenüber den Landesregierungen Berlin und Brandenburg weitgehend dominieren.

Die Folgen waren katastrophal.

Schon sehr früh wurde von einem „planerischen Chaos“ gesprochen. Vorgaben, die ursprünglich in den Ausschreibungen definiert waren, wurden im Laufe der Arbeiten verändert. Das führte zu immer neuen Fehlern und teuren Nachbesserungen.

Die Mängelliste wies 2013 bereits über 20.000 Einzelpunkte auf, darunter beschädigte Abzugskanäle für Rauchgas, eine nicht funktionierende automatische Brandschutzanlage, Kabelkanäle, die entgegen den technischen Vorschriften angebracht waren und zum Teil überbelegt waren, sodass sich bei Vollast die Kabel auf über 70 Grad erhitzen könnten, was zur Zerstörung der Kunststoffummantelung führen würde.

Kabel waren unterdimensioniert, zu stark gebogen oder geknickt, Kabelschächte fehlten, die Notstromversorgung funktionierte nicht, dazu kamen fehlende Datenverbindungen zur Feuerwehr, fehlende Treppengeländer, nicht ausreichende Kühlung der IT-Anlagen, nicht ausreichende Sicherheit bei der Unterflurbetankung auf dem Flugfeld, Eindringen von Regenwasser in Lüftungssysteme, eine zu klein dimensionierte Gepäckanlage, zu wenige Check-In Counter, weil Politiker die dafür vorgesehene Fläche zusätzlichen Verkaufsläden zur Verfügung stellen wollten, um den operativen Gewinn des Flughafens zu steigern – die Mängelliste liesse sich endlos weiterführen.

Die Brandschutzanlage, für die große Unternehmen wie Siemens, Bosch und Imtech den Zuschlag bekamen, wies gravierende Mängel in der Verkabelung, Programmierung und Einregulierung auf und führte maßgeblich zu einer Verzögerung der Fertigstellung des Flughafens. Die Firma Imtech hatte zusammen mit der finnischen Firma YIT den Zuschlag für die gesamte Sanitär-, Heizungs-, Kälte-, Lüftungs- und Klimaanlage im Terminal erhalten und war für die Fertigstellung des Projektes so wichtig, dass der frühere Geschäftsführer der FBB, Hartmut Mehdorn, der bereits als Chef bei den Heidelberger Druckmaschinen und der Deutschen Bahn eine Katastrophe angerichtet hatte, trotz bereits laufender Korruptionsvorwürfen erklärte: “Wir dürfen Imtech nicht auf der Baustelle verlieren. Der Schaden wäre enorm.“

Wie Mehdorn damals, ist auch heute der neue Geschäftsführer der FBB, Karsten Mühlenfeld, anlässlich der Insolvenz von Imtech um den Termin der Fertigstellung und Inbetriebnahme des Flughafens besorgt. Niemand dagegen in Politik und Gewerkschaft interessiert sich für das Schicksal der 4.210 Beschäftigten von Imtech Deutschland, ganz zu schweigen von den Hunderten Arbeitern der über 200 Subunternehmer, die Imtech auf der Baustelle des Flughafens für sich arbeiten lässt. Bereits 2013 hatte das Unternehmen 1.300 Beschäftigte entlassen.

Das Projekt BER ist kein Einzelfall, zahlreiche öffentliche Bauvorhaben gingen den gleichen Weg von Fehlplanung, Kostenexplosion und Verzögerung der Fertigstellung, zum Beispiel der Bau der Elbphilharmonie in Hamburg. Deren Kosten wurden in der ursprünglichen Planung auf 77 Millionen Euro veranschlagt und schließlich im Jahr 2013 vom Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit 789 Millionen Euro beziffert.

Die viel gerühmte „Effizienz“ des kapitalistischen Wettbewerbs bedeutet in der Praxis Profitmaximierung auf Kosten der Arbeiter und der ganzen Gesellschaft.

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