Perspektive

Jemen: Ein Kriegsverbrechen made in USA

Am Sonntag verwüstete ein Luftangriff der saudischen Koalition einen Markt in Sanaa. 69 Zivilisten wurden getötet und Dutzende verletzt. Die Menschen hatten für die Feiern zum muslimischen Opferfest Eid al-Adha eingekauft, als die Bomben fielen. In den sozialen Medien veröffentlichte Fotos zeigen Leichen, die nach dem Angriff in den Trümmern verstreut liegen.

Am Freitag zerstörten Luftangriffe Teile der historischen Altstadt von Sanaa, die von den Vereinten Nationen zum Weltkulturerbe gezählt wird. Die Altstadt besteht aus tausenden einzigartigen Wohntürmen, die noch vor dem 11. Jahrhundert gebaut wurden. Historisch-kulturell bedeutsame Stätten in ganz Jemen sind durch die saudischen Angriffen der letzten sechs Monate immer wieder stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Von Freitag bis Samstagmorgen wurden bei weiteren Luftschlägen der Koalition innerhalb von 24 Stunden mindestens 57 weitere Zivilisten getötet und 130 verletzt. Das jemenitische Gesundheitsministerium berichtete, dass bei Luftangriffen auf Sanaa mindestens 31 Menschen getötet und 120 verletzt wurden. Das Innenministerium wurde mehrfach getroffen. Die Krankenhäuser der Stadt, die zu wenig Medikamente, Verbandsmaterialien und Diesel für die Stromgeneratoren haben, konnten die vielen Opfer nicht mehr versorgen.

Diese blutigen Angriffe wurden zwar von Flugzeugen nahöstlicher Monarchien unter der Führung Saudi-Arabiens ausgeführt. Die Verantwortung liegt aber letztlich bei der Obama-Regierung. Die Gräueltaten der Saudis und ihrer Verbündeten wären ohne die Unterstützung der amerikanischen Regierung und ihres Militärs nischt möglich.

Präsident Obama begrüßte den saudischen König Salman Anfang des Monats im Weißen Haus mit offenen Armen während gleichzeitig saudische Kampfflugzeuge in ganz Jemen Männer, Frauen und Kinder abschlachteten und in Angst und Schrecken versetzten. Eine Waffenlieferung über eine Milliarde Dollar wurde vereinbart, um die Bombenvorräte des Königreichs wieder aufzufüllen. Die US-Regierung hat bereits Waffen und militärische Ausrüstung im Wert von etlichen Milliarden Dollar geliefert und Saudi-Arabien dabei unterstützt, eine der größten und modernsten Armeen im Nahen Osten aufzubauen.

Der gesamte Feldzug wird von einem gemeinsamen Operationszentrum in Saudi-Arabien aus gelenkt, das mit Dutzenden amerikanischen Militärberatern bestückt ist. US-Drohnenpiloten liefern Video-Livestreams zu potentiellen Zielen von Luftschlägen, während amerikanische Berater die Angriffe abnicken.

Mithilfe amerikanischer Kampfflugzeuge, amerikanischer Bomben, unterstützt von amerikanischen Tankflugzeugen und mit der Hilfe amerikanischer Logistik und Aufklärung hat die von den Saudis geführte Koalition in den letzten sechs Monaten mehr als 25.000 Luftangriffe geflogen. Zum Vergleich: Im Luftkrieg gegen den Islamischen Staat (IS), der jetzt ins zweite Jahr geht, wurden bislang ca. 7.000 Angriffe geflogen.

Die unablässigen Luftschläge, zu denen inzwischen auch Bodenkämpfe kommen, haben inzwischen mehr als 4.500 Menschenleben gekostet. Unter den Toten befinden sich viele Frauen und Kinder, die Hauptopfer der Angriffe sind.

Mindestens 1,5 Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. Tausende nahmen den gefährlichen Weg über den Golf von Aden auf sich, um unwirtliche Flüchtlingslager in Somalia und Dschibuti zu erreichen. Die UN schätzen, dass mehr als 21 Millionen Jemeniten, das sind achtzig Prozent der Bevölkerung des Landes, in der einen oder anderen Form auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.

Seit Beginn der Luftschläge ist keine Woche vergangen, in der nicht mindestens ein Angriff zahlreiche zivile Opfer gefordert hätte. Dies ist das Ergebnis bewusster Attacken der Koalition auf nichtmilitärische, zivile Ziele wie Wasserabfüllanlagen, Häfen, Kraftwerke, Wohnviertel, Arbeiterwohnheime, Marktplätze, Schulen und Krankenhäuser.

Die Angriffe am Wochenende waren nur die jüngsten in dem Kampf Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten, die Regierung von Präsident Abdrabbu Mansur Hadi wieder einzusetzen. Diese war Anfang des Jahres aus dem Jemen geflohen, als Houthi-Milizen die Hafenstadt Aden angriffen.

Die Houthis konnten im Frühjahr mit Unterstützung von Kämpfern des ehemaligen Diktators Ali Abdullah Saleh den größten Teil der westlichen Provinzen des Landes erobern.

In den letzten Monaten gelang es den Truppen der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens, Katars und Bahrains in einer Bodenoffensive, die Houthis aus der Umgebung von Aden im Süden des Landes zu verdrängen. Tausende Soldaten der Koalition sind in die zentrale Provinz Marib östlich von Sanaa geströmt.

Berichte weisen darauf hin, dass die von den USA gestützte Koalition ihre Luftangriffe an diesem Wochenende in Vorbereitung einer großen Bodenoffensive verschärft hat, um Marib unter ihre Kontrolle zu bekommen. Auch Sanaa soll von den Houthis zurückerobert werden, die die Hauptstadt seit letztem Jahr kontrollieren. Ein Blutbad wird vorbereitet, das die letzten sechs Monate in den Schatten stellen wird.

Angesichts der mörderischen Verbrechen, die im Jemen begangen werden, ist die Reaktion oder, besser gesagt, die Nicht-Reaktion offizieller Kreise und der Medien im Westen auffällig. Massenhaft zivile Opfer und unbeschreibliches Leiden sind bestenfalls ein peinliches Problem der Öffentlichkeitsarbeit, wenn der US-Imperialismus den Nahen Osten und seine riesigen Energievorkommen dominieren möchte.

Die Heuchelei und der Zynismus der Medien kennen keine Grenzen. Die amerikanische Presse überschlägt sich wegen der russischen Waffenlieferungen und der Entsendung von 200 russischen Soldaten nach Syrien, weil dies Washingtons Plänen stört, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen, der wiederum mit Russland und dem Iran verbündet ist. Washington will stattdessen ein willfähriges amerikanisches Marionettenregime in Syrien installieren. Die russische Intervention verblasst jedoch angesichts der Milliardensummen, die CIA und amerikanische Verbündete in der Region für Waffen und Hilfslieferungen zugunsten rechter islamistischer Milizen ausgegeben haben. Die USA unterstützen dabei auch solche mit Verbindungen zu al-Qaida, solange sie gegen das Assad-Regime kämpfen.

Aber dieselben amerikanischen Medien haben praktisch nichts über den Massenmord zu sagen, der in Jemen von Verbündeten der USA mit direkter Unterstützung Washingtons begangen wird.

In den letzten fünfzehn Jahren hat der amerikanische Imperialismus unter dem Vorwand des Kampfs gegen den Terrorismus und der Verteidigung der Menschenrechte ein Land nach dem anderen im Nahen Osten und in Nordafrika verwüstet. In der ganzen Region sind mehr als eine Million Menschen getötet worden. Dutzende Millionen mussten aus ihren Regionen und Ländern fliehen und suchen neuerdings in großer Zahl verzweifelt Sicherheit in Europa.

Die Obama-Regierung hat die Politik der neokolonialen Interventionen deutlich ausgeweitet. Sie hat Kriege mit dem Ziel eines Regimewechsels in Libyen und Syrien geführt und den Krieg im Irak wieder aufgenommen. Der neue Irakkrieg und die Eskalation in Syrien dienen vorgeblich der Zurückdrängung und der Zerschlagung des IS, der weite Teile des Irak und Syriens überrannt hat. Aber es ist kein Geheimnis, dass der IS selbst ein Produkt imperialistischer Interventionen der USA in der Region ist.

Diese Verbrechen werden im Interesse der gleichen Wirtschaftselite begangen, die mithilfe eines politischen Systems, das sie vollständig kontrolliert, brutale Kürzungsmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse in den USA verhängt. Die Quelle dieser Katastrophen ist das kapitalistische System, dessen tödliche Krise die Menschheit in einen weiteren Weltkrieg zu stürzen droht. Darauf gibt es nur eine Antwort: den Kampf der Arbeiterklasse um die politische Macht und die Entwaffnung der Kriegsverbrecher durch die sozialistische Revolution.

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