Britischer General droht mit Putsch gegen mögliche Corbyn-Regierung

Ein ranghoher aktiver General des britischen Militärs hat angedroht, die Streitkräfte würden „direkt handeln“, wenn eine Labour-Regierung unter Jeremy Corbyn an die Macht kommen sollte.

Der anonyme Offizier erklärte in einem Interview mit der Sunday Times, wenn Corbyn an die Macht käme würde es „Massenrücktritte auf allen Ebenen geben, es ist sogar durchaus denkbar, dass es zu einem Vorfall kommt, der einer Meuterei gleichkäme.“

„Ranghohe Generäle“, wird der Offizier zitiert, „würden unter Bruch aller Konventionen Corbyn öffentlich wegen bedeutsamer politischer Entscheidungen angreifen, etwa wegen des Trident-Programms, des Austritts aus der Nato oder Plänen, die Streitkräfte zu schwächen und zu verkleinern. Das Militär würde das nicht hinnehmen. Der Generalstab würde nicht dulden, dass ein Premierminister die Sicherheit dieses Landes gefährdet, und ich glaube, sie würden es mit allen Mitteln verhindern, mit fairen und mit unfairen.“

Laut der Sunday Times hatte der General „in den 1980ern und 1990ern in Nordirland gedient.“

Das sind außergewöhnliche Äußerungen. Wie die Zeitung weiter schreibt, haben „Geheimdienstchefs“ enthüllt, dass sich „die Geheimdienste aufgrund von Corbyns Sympathie für einige Terroristen weigern werden, ihm Informationen über laufende Operationen zur Verfügung zu stellen.“

Die Sunday Times beruft sich auf eine hochrangige Quelle aus den Geheimdiensten, die erklärt: „Niemand in Geheimdienstkreisen - weder die Sicherheitsdienste noch die Antiterror-Polizeichefs - werden Corbyn oder einem Mitglied seines Kabinetts Informationen geben, die sie ihnen nicht geben wollen. Und alle Informationen, die sie ihnen schließlich doch aushändigen, werden gekürzt und auf Allgemeines beschränkt bleiben“.

Diese Äußerungen sind Teil einer politischen Destabilisierungskampagne, die von der konservativen Regierung, den Medien und der Labour-Parteiführung gemeinsam betrieben wird. Die Sunday Times, die von Rupert Murdoch herausgegeben wird, druckte die Äußerungen des anonymen Generals in einem Artikel ab, in dem sie schrieb, dass die Hälfte von Corbyns Schattenkabinett bereit sei, nächsten Monat gemeinsam mit dem konservativen Premierminister David Cameron für Luftangriffe auf Syrien zu stimmen, obwohl sich ihr neuer Parteichef dagegen ausgesprochen hat. „Hochrangige Mitglieder des Schattenkabinetts haben bereits mit konservativen Ministern gesprochen und versprechen ihre Unterstützung für Bombenangriffe auf Ziele des IS in Syrien“, heißt es in dem Artikel.

Die Sunday Times nennt vier Mitglieder des fünfköpfigen Außenpolitikteams der Labour Party, darunter Schatten-Außenministerin Hilary Benn, mindestens zwei verteidigungspolitische Sprecher, den stellvertretenden Labour-Vorsitzenden Tom Watson, vier weitere Mitglieder des Schattenkabinetts und drei Mitglieder der Fraktionsführung, die bereit sind, eine Militäraktion in Syrien zu unterstützen.

Es wundert nicht, dass die offizielle Reaktion der Labour Party so verhalten ausfällt. Eine hochrangige Quelle aus der Partei erklärte gegenüber dem Independent nur: „Das scheint mir eine sehr ungewöhnliche Erklärung zu sein.“ Benn versuchte sich daraufhin, an das Militär anzubiedern und erklärte am Sonntag in der Andrew Marr Show auf BBC zur Frage der Einstellung des Trident-Programmes und eines Austritts aus der Nato: „Ich glaube nicht, dass das passieren wird“.

Er fügte hinzu, die Nato sei der „Grundstein unserer Sicherheit.“

Eine Quelle aus dem Verteidigungsministerium erklärte, es sei inakzeptabel, dass sich ein aktiver Offizier politisch über eine „künftige Regierung“ äußere, fügte jedoch hinzu, es werde keine Nachforschungen anstellen, um die Identität des Verantwortlichen herauszufinden, da es dafür zu viele Generäle gebe. Tatsächlich sind momentan nur etwa einhundert Generäle in der British Army aktiv und sie haben definitiv nicht alle in den 1980ern und 1990ern in Nordirland gedient. Und angesichts des Ausmaßes der Überwachung, das Edward Snowden enthüllt hat, kann niemand ernsthaft daran zweifeln, dass die Sicherheitsdienste die Identität des Generals kennen.

Ewan MacAskill vom Guardian bezeichnete daraufhin die „Vorstellung einer Militärrevolte“ gegen Corbyn als „weit hergeholt“ und erklärte weiter: „Als der Vorsitzende des Verteidigungsstabes, Sir Nicholas Houghton, in einer Rede vor der Londoner Denkfabrik Chatham House letzte Woche über 'beunruhigende Belastungen' des parlamentarischen Konsens sprach, war das nicht gegen die Demokratie gerichtet. Er äußerte Bedenken wegen des Widerwillens der Abgeordneten, nach dem Irakkrieg eine neue Militärintervention zu unterstützen: er befürchtet, dies könnte in den Augen der potenziellen Feinde Großbritanniens die abschreckende Wirkung des Militärs schwächen.“

Dass MacAskill Houghton zitiert, ist bemerkenswert. Houghton hat sich tatsächlich in seiner Rede bei Chatham House beklagt, dass die „beunruhigendsten Hindernisse für die Anwendung von Gewalt in den Bereichen Unterstützung durch die Gesellschaft, parlamentarischer Konsens und immer weiterer rechtlicher Anfechtungen bestehen... Was ich damit sagen will: wenn eine Nation nur dann bereit ist, Gewalt anzuwenden, wenn es um ihr Überleben geht, ermutigen wir revisionistische Staaten und deren Ambitionen eher als dass wir sie abschrecken.“

Houghton war Kompaniechef und Kommandant des 1. Bataillons für mechanisierte Kriegsführung und luftbewegliche Einsätze und in Nordirland. Nach seinem Dienst im Regiment befehligte er zur Zeit des Karfreitagsabkommens von 1998 die 39. Infanteriebrigade in Belfast.

Politisch noch aufschlussreicher ist jedoch Corbyns gleichgültige Reaktion auf die Drohungen gegen ihn. Sein Sprecher erklärte, er beziehe zu anonymen Äußerungen keine Stellung.

Einen Tag vor dieser Stellungnahme war Corbyn als Vorsitzender der Stop the War Coalition zurückgetreten. Er hatte einen Brief an die Gruppe geschickt, in dem es hieß: „Meine Aufgabe ist es jetzt, die Labour Party zu führen, u.a. im Kampf für Frieden und internationale Gerechtigkeit. Dies erfordert meine ungeteilte Aufmerksamkeit.“

Er hat außerdem erklärt, er persönlich lehne eine „Modernisierung der britischen Atomwaffen ab... aber wir werden uns als Partei darüber nicht zerstreiten und ruinieren.“

Ein deutlicheres Beispiel für den Kontrast zwischen Corbyns schwächlichen Reformvorschlägen – die von der Labour Party und dem Parlament realisiert werden sollen – und den Methoden, zu denen die herrschende Klasse bereit ist, um sicherzustellen, dass der Kurs ihrer Außen- und Innenpolitik unverändert bleibt, ist schwer vorstellbar. Corbyn ist seit weniger als zwei Wochen als Labour-Parteichef im Amt und hat allen, die deswegen beunruhigt sind, mehrfach versichert, er werde nichts tun, was die rechte, wirtschaftsfreundliche Verschwörerbande, die noch immer die Labour Party regiert, für inakzeptabel hält. Außerdem hat er sein Schattenkabinett mit Personen besetzt, die offen mit Cameron gemeinsame Sache gegen ihn machen. Trotzdem wird in den Streitkräften bereits von Meuterei und Putsch gesprochen.

Wenn es Corbyn mit seinem Widerstand gegen Krieg ernst wäre, würde er fordern, den General für seine Äußerungen sofort zu entlassen und wegen Aufruf zum Landesverrat vor Gericht zu bringen.

Er würde die Arbeiterklasse außerdem auffordern, die Behauptung, diese Äußerungen hätten keine reale Bedeutung, mit Verachtung zurückzuweisen.

Corbyn war schon in den 1970ern politisch aktiv. In dieser Zeit waren der Zivilschutz, die Polizei und das Verteidigungsministerium angesichts der wachsenden Militanz der Arbeiter, die schließlich zum Sturz der konservativen Regierung von Edward Heath führte, heimlich in Alarmbereitschaft versetzt worden. Am Flughafen Heathrow und an anderen strategisch wichtigen Orten fanden Militärmanöver statt. Er gehört einer Generation an, für die der Putsch gegen die Regierung von Salvador Allende in Chile, der von der CIA unterstützt wurde, eine prägende Erfahrung war.

Zudem ist die heutige Lage von noch größeren Gefahren geprägt. Cameron hat im Parlament mit der Ermordung britischer Staatsbürger durch Drohnen geprahlt, wie es sein amerikanischer Amtskollege Barack Obama getan hat. Der einzige Protest dagegen war, dass Corbyn später meinte das sei „rechtlich fragwürdig.“ Antiterror-Techniken wie die Infiltration von Menschenmassen und Provokationen werden routinemäßig gegen friedliche Oppositionsgruppen im Inland angewandt, u.a. von der Metropolitan Police, die für den Tod von Jean Charles de Menezes verantwortlich ist.

Um die sozialen Probleme zu lösen, mit denen Millionen arbeitende Menschen konfrontiert sind, müssen u.a. die vielen Billionen Pfund beschlagnahmt werden, die sich momentan im Besitz der Finanzoligarchie befinden. Die Arbeiterklasse muss außerdem die Kontrolle über die Wirtschaft übernehmen und die Industrie so umgestalten, dass sie soziale Bedürfnisse befriedigt. Das erfordert die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die großen Konzerne und Banken und gegen den Staatsapparat, der sie verteidigt.

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