„Wissenschaft oder Kriegspropaganda“ findet große Beachtung

Das Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“, das im Oktober im Mehring Verlag erschien, hat einen Nerv getroffen. Es hat schon wenige Wochen nach Erscheinen wichtige Debatten angestoßen und große Beachtung gefunden.

Das Buch dokumentiert den Kampf der IYSSE und der PSG gegen die Wiederkehr des deutschen Militarismus. Die trotzkistische Studierendengruppe International Youth and Students for Social Equality hatte im letzten Jahr aufgezeigt, wie die Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowski an der Humboldt-Universität Berlin die historischen Verbrechen des deutschen Imperialismus verharmlosen und erneut für eine aggressive Außenpolitik trommeln. Anhand dieser Auseinandersetzung behandelt der Band sehr grundlegende Fragen.

„Das Thema dieses Buches geht weit über die Auseinandersetzung an der Berliner Humboldt-Universität (HU) hinaus“, heißt es im Vorwort. „Es handelt von der Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik in Zeiten des Militarismus, internationaler Konflikte und scharfer sozialer Spannungen. Es dreht sich um die Frage: Bleiben die Universitäten Zentren der Wissenschaft und der freien Auseinandersetzung? Oder werden sie wieder, wie schon früher in der deutschen Geschichte, zu staatlich gelenkten Kaderschmieden für rechte und militaristische Ideologien?“

Diese Fragen polarisierten bereits im letzten Jahr. Während die IYSSE große Unterstützung unter Studierenden und Arbeitern erhielten, Veranstaltungen mit hunderten Teilnehmern organisierten und ins Studierendenparlament gewählt wurden, reagierten die großen Zeitungen mit einer regelrechten Schmutzkampagne gegen die IYSSE und die Gruppe Münkler-Watch. Auch die Universitätsleitung wandte sich gegen die IYSSE und warf ihnen „Rufmord“ vor.

In den Wochen seit Herausgabe des Buchs haben sich die Fragen weiter zugespitzt. Münkler rechtfertigt in seinem neuen Buch „Kriegssplitter“ den „war on terror“ der USA und propagiert entsprechende Kriegseinsätze der Bundeswehr. Er preist „Drohnen und Überwachungssysteme“ als „die Waffen postheroischer Gesellschaften“ und verspottet Kritiker von Kampfdrohnen, sie verteidigten „die Ethik einer vorbürgerlichen Gesellschaft mit heroisch-vorbürgerlichen Idealen“. In den „geheimdienstlichen Überwachungs- und Kontrollsystemen“ sieht er das moderne Gegenstück zur „Haager Landkriegsordnung und den Genfer Konventionen“.

Jörg Baberowski hat sich zum Wortführer extrem rechter Kreise gemacht und nutzt seine Stellung als Professor aus, um auf allen medialen Kanälen gegen Flüchtlinge zu hetzen und die Abschottung Deutschlands zu fordern.

So erklärte er in einem Interview mit der Basler Zeitung, „dass es in Ländern mit rechtskonservativen, einwanderungskritischen Parteien weniger Gewalt gegen Ausländer“ gebe. Die rechtsradikale Schweizerische Volkspartei (SVP) lobt er als „Korrektiv für die anderen Parteien“. Der SVP-Führer Christoph Blocher sei „doch kein Rechtsradikaler. In Deutschland sind Sie ein Rechtsradikaler, wenn Sie pünktlich zur Arbeit gehen“, meint Baberowski.

Die menschenverachtenden Plakate der SVP gegen Migranten und Linke werden mittlerweile in ganz Europa von rechtsradikalen Parteien kopiert. Im Juli rief Partei-Präsident Toni Brunner die Funktionäre der SVP dazu auf, neue Asylzentren „konsequent“ und „systematisch“ zu bekämpfen. Es brauche „aktiven Widerstand“, so Brunner.

Ähnliche Positionen äußerte auch Baberowski selbst. „Überall da, wo viele Menschen aus fremden Kontexten kommen und die Bevölkerung nicht eingebunden wird in die Regelung all dieser Probleme, kommt es natürlich zu Aggressionen“, erklärte er am 24. September in einem Gespräch mit dem Fernsehsender 3Sat. Obwohl es in diesem Jahr laut offiziellen Zahlen mehr als 490 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab, meinte er: „Ich glaube angesichts der Probleme, die wir in Deutschland haben mit der Einwanderung, die jetzt gerade stattfindet, ist das ja noch eher harmlos.“

Die Verharmlosung der Gewalt gegen Flüchtlinge durch Baberowski kann niemanden überraschen, der „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“ gelesen hat. Darin wird minutiös nachgewiesen, wie der Professor daran arbeitet, die Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland zu relativieren und Gewalt für unvermeidbar zu erklären. Die Hetze gegen Flüchtlinge liegt auf dieser reaktionären Linie.

Die herrschenden Eliten nutzen die Flüchtlingskrise, um neue Militäreinsätze zu rechtfertigen und grundlegende soziale und demokratische Rechte anzugreifen. „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“ geht auf diese Entwicklung ein und zeigt den Zusammenhang zwischen der Rückkehr des deutschen Militarismus, die von der CSU bis zur Linkspartei mitgetragen wird, und der tiefen Krise des Kapitalismus und den wachsenden imperialistischen Spannungen.

Deshalb fand das Buch auf Veranstaltungen an der Humboldt-Universität und auch an der Goethe-Universität in Frankfurt reißenden Absatz. „Dieses Buch wurde in den ersten vier Wochen nach Erscheinen öfter verkauft als jedes andere Buch unseres Verlags“, sagt Wolfgang Zimmermann vom Mehring Verlag.

Bemerkenswert ist etwa eine Besprechung des Buches in der Linkspartei-nahen Tageszeitung Neues Deutschland. Kurt A. Richter verwehrt sich darin zwar gegen die „Spitzen gegen die Linkspartei“ und „das Beschwören einer imaginären Arbeiterklasse“, kommt aber nicht umhin, das Buch als „notwendige Polemik gegen Herfried Münkler und Jörg Baberowski“ zu bezeichnen, bei der es sich keinesfalls um einen „Sturm im Wasserglas“, sondern um einen „gewichtigen Disput“ handle.

Der „streitlustige Band“ sei „ausgesprochen informativ und anregend und sollte viele Leser finden“, schreibt Richter. Baberowski und Münkler werde „zu Recht vorgeworfen, dass sie strittige Probleme der deutschen und russischen Geschichte relativieren oder gar verfälschen, um in der heutigen deutschen Gesellschaft das Verständnis für militaristische Ideologien, für eine Hegemonialrolle der Bundesrepublik als ‘Zuchtmeister’ (Münkler) Europas und eine Politik globaler Einmischung zu fördern. Jetzt liegt ein Sammelband vor, dessen Autoren die Polemik gegen Münkler und Baberowski nicht nur resümieren, sondern in argumentativer Gegenanalyse fortführen.“

Die Besprechung gibt den IYSSE in den grundlegenden Fragen Recht. Münklers „wissenschaftlich schlecht fundierten Angriffe auf Fischer sollen die angeblich heute notwendige globale Einmischung Deutschlands und deutschen Führungsanspruch in Europa begründen“, schreibt Richter.

Bei Lektüre des Kapitels über Baberowski werde deutlich, „mit welch entsetzlichem Unwissen jener die sowjetische Geschichte nach der Oktoberrevolution 1917 verfälscht, mit welch peinlichem Tunnelblick er über Bürgerkrieg, ‘roten Terror’, Stalinismus und den Überfall Nazideutschlands auf die UdSSR urteilt. Selbst die längst widerlegte These eines deutschen Präventivschlages, mit dem Hitler einem ‘geplanten’ Angriff Stalins zuvorkommen wollte, käut Baberowski wieder. Damit wird der deutsche Faschismus tatsächlich relativiert und die Aggressivität damaliger deutscher Eliten verschleiert.“

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