Syrienkrieg: Ruf nach deutschen Bodentruppen wird lauter

Seitdem die Bundesregierung am vergangenen Freitag den Kriegseinsatz in Syrien im Eiltempo durchs Parlament gepeitscht hat, geht es in Berlin Schlag auf Schlag. Bereits wenige Stunden nach der Abstimmung befand sich die deutsche Fregatte „Augsburg“ auf dem Weg in Richtung Syrien. Laut einem Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam befindet sie sich seit Sonntag an der Seite des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle. Auf einem Stützpunkt der Luftwaffe in der Nähe von Kiel werden gegenwärtig die deutschen Tornados für ihre Verlegung in die Türkei vorbereitet.

Während die offiziell beschlossenen Kriegsvorbereitungen auf Hochtouren laufen, macht ein Bericht in der aktuellen Ausgabe des Spiegel deutlich, dass hinter dem Rücken der Bevölkerung noch viel weitergehende Pläne diskutiert und vorbereitet werden.

Deutschland könnte „mittelfristig in einen Bodenkrieg hineingezogen werden“, schreibt das Nachrichtenmagazin unter der vielsagenden Überschrift „Auf der Rutschbahn“. In Berlin sei man sich einig, „dass der IS nicht allein aus der Luft zu besiegen ist“. Dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn zufolge würden „alle Experten sagen, dass man den Kampf gegen den IS nicht aus der Luft allein gewinnen kann“.

Als einen „Experten“ führt der Spiegel Harald Kujat an. Der General a.D. und frühere Generalinspekteur der Bundeswehr malt ein Szenario mit zehntausenden westlichen Bodentruppen an die Wand. „Im Augenblick müssen wir darauf setzten, dass die Strategie des Westens aufgeht. Sollte das nicht der Fall sein, steht der Westen vor der Frage, ob er selbst Bodentruppen einsetzen will,“ erklärt Kujat. Dann zieht der General eine Parallele zum Nato-Einsatz in Jugoslawien in den 1990er Jahren und sagt: „Wir würden dann 50.000 bis 60.000 Soldaten unter der Führung der USA oder der Nato ins Land schicken müssen.“

Die offizielle Regierungslinie war bislang, über den Einsatz deutscher Bodentruppen in Syrien zumindest nicht öffentlich zu diskutieren. Nun zitiert der Spiegel hochrangige Politiker, die genau dies fordern.

Laut dem ehemaligen Verteidigungsminister Franz-Joseph Jung (CDU) könnten „deutsche Spezialkräfte auf syrischem Boden“ eingesetzt werden, um deutsche Tornado-Piloten zu befreien, falls diese in die Hände des IS fallen sollten. „Solche Befreiungsaktionen“ habe die Bundeswehr laut Jung „bereits in Afghanistan erfolgreich durchgeführt“.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU), bringt ebenfalls deutsche Bodentruppen ins Spiel. „Einen Einsatz deutscher Soldaten am Boden in Syrien“ könne er sich „im Rahmen eines Friedensabkommens für Syrien und im Rahmen einer diesen Frieden unterstützenden Uno-Resolution vorstellen“.

Nach Meinung des Spiegel könnte sich „die Frage nach deutschen Soldaten auf syrischen Territorium“ schon bald stellen. Am kommenden Mittwoch wolle sich die syrische Opposition bei einem Treffen in Saudi-Arabien auf ihre Vertreter einigen. Falls es zu einer Verständigung über eine Übergangsregierung kommen sollte, könne Deutschland „kaum [...] einen Rückzieher machen“. Dafür hätten „Steinmeier und die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu häufig davon gesprochen, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen will“.

Das Nachrichtenmagazin spielt auf Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik an. Anfang 2014 hatten der SPD-Außenminister und von der Leyen zusammen mit Bundespräsident Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz das „Ende der militärischen Zurückhaltung“ verkündet. Deutschland sei „zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“ und müsse „bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen“, hatten sie erklärt.

Diese Politik wird nun mit Tornados, Kriegsschiffen, mindestens 1200 Soldaten und möglicherweise auch bald mit deutschen Bodentruppen in Syrien umgesetzt. Von der Leyen gab jüngst selbst zu, dass der deutsche Kriegseinsatz in Syrien Bestandteil einer sorgfältig vorbereiteten außenpolitischen Verschwörung der deutschen Eliten ist.

In einem aktuellen Interview mit dem Handelsblatt unter dem Titel „Es wird ein langer Kampf“ erklärt sie: „Im Frühjahr 2014 war die heutige Situation für niemanden absehbar. Und dennoch war es gut, dass der Bundespräsident, der Außenminister und ich diese Debatte praktisch zeitgleich angestoßen haben: Wir haben dort Fragen diskutiert und Standpunkte erarbeitet, auf die wir uns nur wenige Monate später in realen Krisen stützen konnten.“

Nun wird immer klarer, welche „Standpunkte“ das sind. Deutsche Politiker, Militärs und ihre Lakaien in den bürgerlichen Redaktionsstuben können es kaum erwarten, dass deutsche Soldaten endlich wieder kämpfen, bombardieren und töten.

So wirft die Frankfurter Allgemeine Sonntagzeitung der Bundesregierung in einem Kommentar ernsthaft vor, dass sie in Syrien nur mit „Fotoapparaten kämpft“. Habe sich „die europäische Führungsnation in Sachen Moral und Haushaltsdisziplin“ bislang darauf beschränkt, „kurdischen Freischärlern im Nordirak einige Sturmgewehre zu liefern und Schießübungen zu veranstalten“, „bequeme“ sie sich nun, „Tornado-Flugzeuge mit hochauflösenden Kameras, eine Fregatte und rund 1200 Soldatinnen und Soldaten in die Kriegsregion zu entsenden“.

Für den Autor Peter Carstens ist der aktuell größte Auslandseinsatz der Bundeswehr genauso wie alle anderen zuvor ein militärischer Witz. Es sei „verdruckst, sich in Worten und Taten wieder einmal hinter anderen zu verstecken“. Ob in „Sarajevo, Priszren, Afghanistans Norden und Mali“, immer sei es darum gegangen, „möglichst weit weg vom Kampfgeschehen zu sein, möglichst nicht zu schießen. Kämpfen, Gegner niederhalten oder töten sollten andere, lange auch in Afghanistan.“

„In dieser Tradition“ stehe „nun auch wieder der Einsatz der Foto-Tornados über Syrien“, geifert Carstens. Allerdings gehöre „zur Wirklichkeit auch: Die Bundeswehr ist seit einem Vierteljahrhundert kleingekocht worden zu einem Trüppchen mit schwachem Material, zu wenigen Soldaten und geringer Kampfkraft.“ Immer wenn es „um Kampf“ gehe, heiße es: „Deutschland will nicht, Deutschland kann nicht.“

Carstens Kommentar macht deutlich, an welche „Tradition“ die Politik der Bundesregierung wieder anknüpft. An die „besten“ Traditionen des deutschen Militarismus, der nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder massiv aufrüstet, um die Interessen des deutschen Imperialismus mit kriegerischen Mitteln weltweit zu verteidigen.

Am Wochenende wiederholte der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, seinen Ruf nach einer Vergrößerung der Bundeswehr. In der Samstagsausgabe der Passauer Neuen Presse erklärte er: „Die Anforderungen sind enorm. Die Personalobergrenze muss erhöht und das Material der Truppe verbessert werden“. Die Politik habe bei der Bundeswehr-Reform 2011 und der damit verbundenen Reduzierung der Truppenstärke weder den Einsatz in Syrien noch die Krise in der Ukraine vor Augen gehabt. „Wir können nicht immer mehr Aufgaben mit der deutlich reduzierten Zahl an Soldaten übernehmen“, erklärte Wüstner und forderte mindestens 5.000 bis 10.000 zusätzliche Soldaten.

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