Parlamentswahlen in Venezuela:

Schwere Verluste für Maduro-Regierung, Rechte gewinnt Stimmen

Bei den Parlamentswahlen in Venezuela am 6. Dezember erlitt die Regierung von Präsident Nicolas Maduro eine schockierende politische Niederlage. Die rechte oppositionelle Mesa de la Unidad Democratica (MUD, Runder Tisch für demokratische Einheit) erhielt zwei Drittel der Stimmen.

Nach bisherigen Angaben des Nationalen Wahlrates (CNE) hat hat die MUD 110 der 167 Sitze der Nationalversammlung gewonnen, die amtierende Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) behält nur 55 Sitze.

Mit fast 75 Prozent war die Wahlbeteiligung eine der höchsten in der Geschichte des Landes.

Es war die erste große Niederlage der amtierenden chavistischen Partei seit dem Sieg des verstorbenen Hugo Chavez. Dieser ehemalige Offizier der Fallschirmjäger hatte vor siebzehn Jahren die Wahl gewonnen, nachdem er zuvor versucht hatte in einem erfolglosen Putsch, die Macht zu übernehmen.

Im Lauf des Montag behauptete die Führung der politischen Rechten, sie habe 113 Sitze gewonnen und sei noch im Rennen um vier weitere. Der MUD hätte damit genug Abgeordnete für eine Zweidrittelmehrheit, mit der sie Minister entlassen, Gesetze verabschieden, Referenden für Verfassungsänderungen ansetzen, eine verfassungsgebende Versammlung einberufen, Richter des Obersten Gerichtshofes entlassen und Mitglieder in die nationale Wahlkommission einberufen kann.

Er hätte außerdem die Macht, im nächsten Jahr ein Referendum anzusetzen, um Maduros Präsidentschaft vor ihrem regulären Ende im Jahr 2019 zu beenden. Einige rechte Politiker haben deutlich gemacht, dass sie genau das vorhaben.

Ein wichtiger Führer des MUD, Henrique Capriles, der Gouverneur von Miranda und ehemaliger Präsidentschaftskandidat, erklärte: „Entweder die Regierung ändert sich, oder wir ändern die Regierung.“

Präsident Maduro erklärte in einer Rede: „Der Wirtschaftskrieg wurde gewonnen.“ Er akzeptierte das Wahlergebnis und erklärte, die Niederlage seiner Partei sei „von untergeordneter Bedeutung.“

Der „Wirtschaftskrieg“ war entscheidend für das Wahlergebnis, aber nicht auf die Weise, wie Maduro es interpretiert. Für die zunehmende Wirtschaftskrise und den Niedergang des Lebensstandards der Arbeiterklasse machte er die Einmischungen des US-Imperialismus und Sabotage durch Teile der venezolanischen Kapitalistenklasse verantwortlich.

Washington hat zwar zweifellos die rechte Opposition in Venezuela unterstützt, und venezolanische Kapitalisten haben unermüdlich daran gearbeitet, ihre Profite zu erhöhen, Tatsache ist aber, dass die Maduro-Regierung ihnen ein vollwertiger Partner in ihrem unablässigen Krieg gegen die venezolanische Arbeiterklasse war.

Da die venezolanischen Arbeiter keine unabhängige Partei haben, stimmten viele aus Protest in einem voto castigo gegen die Politik der amtierenden Chavisten für die Rechten.

Die Reallöhne wurden durch die Inflation aufgefressen, die in diesem Jahr vermutlich 159 Prozent erreichen wird und im nächsten Jahr die Marke von 200 Prozent überschreiten könnte. Es besteht ein chronischer Mangel an Grundgütern wie Milch, Reis, Mais, Mehl, Speiseöl, Kaffee und Zucker.

Das Bruttoinlandsprodukt des Landes wird in diesem Jahr vermutlich um zehn Prozent sinken, und sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft kommt es zunehmend zu Massenentlassungen. Laut einer aktuellen Studie von drei venezolanischen Universitäten leben mittlerweile 74 Prozent der Bevölkerung in Armut, im Jahr 2013 waren es noch 27 Prozent.

Die Wirtschaftskrise hat nicht nur einen Großteil der Fortschritte im Kampf gegen die Armut der letzten siebzehn Jahre zunichte gemacht, sondern auch die Reformen ausgehöhlt, die unter Chavez durchgeführt wurden. Das öffentliche Gesundheitssystem leidet zunehmend unter mangelhafter Versorung und fehlender Finanzierung. Im Bildungswesen gehören die Gehälter der Lehrer zu den niedrigsten in ganz Lateinamerika, und aufgrund der unzureichenden Infrastruktur können viele Schulen nur Halbtagsbetrieb leisten.

Während die Arbeiterklasse leidet, häuft die venezolanische Finanzoligarchie weiterhin beispiellose Reichtümer an. Im ersten Quartal des Jahres stiegen die Profite der inländischen Banken um 72 Prozent.

In dem „Wirtschaftskrieg“ war eine solche Bereicherung möglich, weil er völlig einseitig war. Die Maduro-Regierung hat sich zum Beschützer der in- und ausländischen Kapitalisten gemacht, während diese das Land durch Manipulationen der Kapitalverkehrskontrollen geplündert und ihre Profite außer Landes geschafft haben.

Grundlegender gesagt, kontrolliert der kapitalistische Privatsektor trotz aller offiziellen Rhetorik der Regierung über eine „bolivarische Revolution“ und „Sozialismus des einundzwanzigsten Jahrhunderts“ nach siebzehn Jahren Herrschaft unter Chavez und Maduro die Regierung und die Wirtschaft des Landes.

Unter anderem wird die Lebensmittelversorgung des Landes weitgehend von dem kapitalistischen Konzern Polar kontrolliert. Der milliardenschwere Besitzer des Konzerns, Lorenzo Mendoza, hat Maduro öffentlich vorgeworfen, er führe einen „Wirtschaftskrieg,“ allerdings befindet sich das Versorgungsnetzwerk weiterhin fest unter seiner Kontrolle.

Das größte historische Problem Venezuelas ist, dass seine völlige Abhängigkeit vom Export eines einzigen Rohstoffes, des Öls, unverändert fort besteht. Der Ölexport ist für mehr als 90 Prozent der Exporteinnahmen des Landes verantwortlich, und trotz aller antiimperialistischen Parolen der herrschenden Partei exportiert Venezuela noch immer den Großteil seines Öls in die USA.

Venezuela muss weiterhin 70 Prozent seiner Konsumgüter aus dem Ausland beziehen. Die Regierung hat nichts getan, um die Industrie und die Infrastruktur des Landes aufzubauen.

Angesichts der steigenden Ölpreise konnte die Regierung einen Teil der Exporteinnahmen verwenden, um die erdrückende Armut zu bekämpfen, durch die Venezuela lange Zeit ein soziales Pulverfass war. Seit der Ölpreis von 140 Dollar pro Barrel auf weniger als 40 Dollar gesunken ist, kann sie den Klassenkampf nicht mehr auf diese Weise abschwächen.

Das Wahlergebnis wird die venezolanische Arbeiterklasse mit neuen Gefahren aussetzen. Diejenigen, die den Sieg der MUD-Koalition feiern, sind die rechtesten Persönlichkeiten des Landes. Sie haben seit dem Putsch gegen Chavez im Jahr 2002, der von den USA unterstützt wurde, mehrfach versucht, die Regierung zu stürzen. Ihr Ziel ist es, die Kämpfe der Arbeiterklasse niederzuschlagen und die Zustände wieder herzustellen, die vor der blutigen Massenrevolte im Jahr 1989 geherrscht hatten.

Zweifellos wird das Wahlergebnis auch die Maduro-Regierung weiter nach rechts drängen und eine Krise in der chavistischen Bewegung auslösen. Die Spannungen zwischen ihren diversen Anhängerkreisen, allen voran dem Militär und der sogenannten Boliburguesia, einer Schicht von Neureichen, die sich durch Spekulationen, Korruption und Beziehungen zur Regierung bereichert hat, haben schon immer knapp unter der Oberfläche geschwelt.

Angesichts der immer schwereren Wirtschaftskrise und der zunehmenden sozialen Kämpfe wächst auch die Gefahr, dass aus den Kreisen der hochrangigen Offiziere, von denen viele hohe Positionen in der Regierung haben, eine Diktatorfigur wie Pinochet hervortritt.

Die diversen pseudolinken Elemente in Lateinamerika und der Welt, die versucht haben, den Chavismus als eine Art neuen Weg zum Sozialismus darzustellen, werden auf die Wahl am Sonntag mit Schuldzuweisungen an die Arbeiterklasse reagieren und hoffen, die Regierung werde ihre Unterdrückung verschärfen.

Für die venezolanischen Arbeiter ist die zentrale Lehre aus der Wahl jedoch, dass sie bei der Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, ihres Lebensstandards und ihrer sozialen Rechte nur auf ihre unabhängige Stärke bauen können. Wenn sie sich weiterhin der PSUV, der Maduro-Regierung und den Gewerkschaften, die diese unterstützen, unterordnen, werden sie machtlos bleiben. Die entscheidende Aufgabe ist der Aufbau einer neuen revolutionären Führung für den Kampf für eine Arbeiterregierung.

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