Perspektive

Starker Einbruch der Aktienmärkte zum Jahresbeginn

Der erste Handelstag des neuen Jahres mündete umgehend in ein globales Finanzdebakel. Die Börsen in aller Welt stürzten ab, als die chinesische Regierung die großen Börsen des Landes schloss, um einen umfassenden Crash zu verhindern.

Die Verkaufswelle bestätigte die schlimmen Vorahnungen bürgerlicher Kommentatoren, die dem Weltkapitalismus im neuen Jahr schlechte Aussichten vorausgesagt hatten. Ob der Marktkollaps vom Montag den Beginn einer Implosion von Finanzblasen darstellt, oder ob es das erste Stadium eines finanziellen Herzinfarkts ist, muss sich noch erweisen. Eins ist jedoch sicher. Er ist ein Symptom für die tiefen, unlösbaren Widersprüche, die sich seit dem Wall Street Crash von 2008 weiter verstärkt haben.

Neue Industriedaten hatten den Zusammenbruch der chinesischen Märkte ausgelöst. Sie zeigten, dass die verarbeitende Industrie in China im Dezember gegenüber dem schon gedrückten Niveau des Vormonats noch einmal zurückgegangen war. Das war der zehnte monatliche Abschlag in Folge. Darauf schloss der Schanghai Composite Index am Montag mit einem Verlust von 6,9 Prozent.

Der Bericht bestätigt, dass die Wachstumsschwäche in China 2016 wohl noch zunehmen wird. Sie ist so schlimm wie seit 25 Jahren nicht mehr. China spielt als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und als zentraler Industriestandort und Magnet für Importe eine ungeheuer wichtige Rolle. Es ist Abnehmer von Öl und anderen Industrierohstoffen, wie auch von verarbeiteten Produkten. Deshalb löst die drohende Stagnation in China die Furcht vor einem weiteren Verfall der Rohstoffpreise aus und wird die Krise rohstoffexportierender Länder verschärfen – von Brasilien über Russland bis Australien und Kanada.

Japans Nikkei 225 brach um mehr als drei Prozent ein. Deutschland, ein wichtiger Exporteur nach China, musste einen 4,3-prozentigen Rückgang des DAX hinnehmen. Die anderen großen europäischen Indices gaben mehr als zwei Prozent nach und der EURO STOXX 50 ging um 3,14 Prozent zurück.

Die globale Verkaufswelle wurde noch durch schlechte Wirtschaftsdaten aus den USA verstärkt. Wie die Organisation Institute for Supply Management (ISM) berichtet, ist ihr Index für Produktionsauslastung im Dezember von 48,6 auf 48,2 Punkte gefallen. Dabei bedeuten alle Werte, die unter 50 liegen, dass die Produktion schrumpft. Der Dezemberwert ist der schwächste seit Juni 2009 und zeigt, dass der verarbeitende Sektor der amerikanischen Wirtschaft zum ersten Mal seit dem Crash von 2008 in zwei aufeinander folgenden Monaten geschrumpft ist.

Gleichzeitig berichtete das Handelsministerium, dass die amerikanische Bauwirtschaft im November um 0,4 Prozent zurückgegangen sei. Die enttäuschenden Daten haben Ökonomen bewogen, ihre Voraussagen, die sie für das amerikanische Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2015 getroffen hatten, auf bis zu 1,1 Prozent abzusenken. Die Zahlen bestätigen, dass die amerikanische Industrie, diese bislang „leuchtende Ausnahme“ in der von Stagnation geprägten Weltwirtschaft, selbst in einer Rezession steckt.

Die Indices in den USA erlitten einen scharfen Rückschlag. Der Dow Jones ging mit fast 1,6 Prozent Minus aus dem Handel, der S&P500 mit einem Minus von 1,53 Prozent und der Nasdaq mit einem Minus von zwei Prozent.

Die Anzeichen einer tiefen Produktionskrise lassen die Finanzanleger zittern. Das riesige spekulative Kartenhaus, das seit dem Wall Street Crash von 2008 errichtet wurde, droht einzustürzen. Es erhebt sich über einer Realwirtschaft, die sich nie von der großen Rezession erholt hat. Es ist das schmutzige Geheimnis dieser so genannten „Erholung“, dass sie im Wesentlichen aus denselben parasitären, halbkriminellen Aktivitäten besteht, welche die Finanzkrise und die Depression erst ausgelöst haben.

Die amerikanische und die internationalen Zentralbanken und alle wichtigen Regierungen haben auf den Zusammenbruch des Kapitalismus 2008 reagiert, indem sie den Bankern und Hedgefond-Milliardären Billionen Dollar an öffentlichen Geldern zuschusterten, ohne dass diese irgendeine Bedingung erfüllen mussten. Sie durften mit dem Blutgeld machen, was sie wollten. Die Finanzmogule und ihre Wasserträger in der Politik blockierten sogar die zögerlichen symbolischen Regelungen für Boni und Spitzengehälter der CEOs, deren Konzerne mit Staatsgeldern gerettet worden waren.

Ungezählte Billionen wurden in die Finanzmärkte gepumpt, um die Aktienkurse auf Rekordhöhe zu treiben und die Reichen und Superreichen noch weiter zu bereichern. Ihr Vermögen hat sich in der Zeit seit dem Krach von 2008 verdoppelt.

Gleichzeitig greifen die Regierungen die Arbeiterklasse brutal an und zwingen sie, die Kosten des Staatsbankrotts zu tragen. Diese Angriffe – Austeritätspolitik, Lohnsenkungen und Massenentlassungen – erhöhen die Konzernprofite und bereichern die oberen zehn Prozent, insbesondere das oberste Prozent und das oberste Zehntelprozent.

Die Konzerne haben ihre gigantischen Barreserven nicht genutzt, um die Produktion auszuweiten oder anständig bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, sondern sie in neue Spekulationsorgien gesteckt. Sie investieren Unsummen in die so genannten aufstrebenden Märkte, den boomenden Energiesektor und in hochriskante Junkbonds, die hohe Renditen versprechen.

2015 war das Jahr steigender Armut und Verzweiflung für die Massen, und gleichzeitig war es ein Rekordjahr für Arbeitsplatzvernichtung und gesellschaftlich destruktive Aktivitäten wie Firmenzusammenschlüsse, Aufkäufe, Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen.

Das KcKinsey Global Institute veröffentlichte letztes Jahr einen Bericht, der eine Vorstellung von der Zunahme der Verschuldung in der Weltwirtschaft gibt. Sie ist ein Maß für die Zunahme von Finanzspekulation und Betrug. Der Bericht sagte aus, dass die globalen Schulden seit 2007 um 57 Billionen Dollar zugenommen hätten. Dadurch hat sich das Verhältnis der Schulden zum Weltbruttoinlandsprodukt um siebzehn Prozentpunkte erhöht. Chinas Gesamtverschuldung hatte sich bis Mitte 2014 von sieben auf 28 Billionen Dollar vervierfacht.

In einem Artikel des Wall Street Journals vom 1. Januar hieß es, dass die amerikanische Unternehmenslandschaft 2015 von aktivistischen Investoren, Aktienrückkäufen, Währungsgeschäften und besonders guten Deals geprägt gewesen sei – mit anderen Worten von Spekulationsgeschäften. Der Realwirtschaft hingegen werden notwendige Investitionen vorenthalten. Die Konzerne auf der Liste des S&P500 Index gaben im zweiten und dritten Quartal des letzten Jahres gegenüber 2014 weniger für Kapitalinvestitionen aus. Das war der erste Rückgang in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen seit 2010.

In den letzten Wochen von 2015 gab es immer mehr Anzeichen, dass die zugrundeliegende Stagnation in der Realwirtschaft den spekulativen Schuldenberg unterminiert. Diese Stagnation ist von fallenden Öl- und Rohstoffpreisen, schrumpfendem globalen Handel und enttäuschenden oder sogar negativen Wachstumsraten geprägt. Die Preise von Junkbonds der Energiewirtschaft fielen drastisch und Mutual Funds, die mit solchen Anleihen spekulieren, sahen sich mit massenhaften Auszahlungsforderungen konfrontiert. Zwei dieser Fonds waren gezwungen, die Auszahlungsforderungen von Investoren auszusetzen.

Die Klassenbedeutung des wachsenden Finanzparasitismus kommt in Statistiken zum Ausdruck, die eine massive Umverteilung des Reichtums von der Arbeiterklasse zur Bourgeoisie aufzeigen.

Der Chefökonom der Weltbank veröffentlichte am 1. Januar einen Artikel, der auf einen „bemerkenswerten statistischen Trend“ bei Ländern mit hohem und mittlerem Einkommensniveau hinweist. In dem Artikel heißt es: „Das Gesamtarbeitseinkommen in Prozent des BIP nimmt auf ganzer Linie ab und zwar in einem Tempo, wie man es kaum je für möglich hielt. In den Vereinigten Staaten ging das Arbeitseinkommen von 1995 bis 2015 von 61 Prozent auf 57 Prozent des BIP zurück, in Australien von 66 auf 54 Prozent, in Kanada von 61 auf 55 Prozent, in Japan von 77 auf 60 Prozent und in der Türkei von 43 auf 34 Prozent.“

Im Nahen Osten weiten sich die Kriege aus und in Europa und Asien wird militärisch aufgerüstet; gleichzeitig rüstet ein Land nach dem anderen im Innern mit Polizeistaatsmaßnahmen auf und nutzt dafür den Vorwand des Kampfs gegen den Terror. Die wirtschaftliche Unsicherheit zu Beginn des neuen Jahres lässt die Spannungen zwischen den Großmächten zunehmen und treibt die herrschenden Eliten weiter in Richtung Krieg und Diktatur.

Die herrschenden Kreise fürchten sich auch deshalb vor Finanz-Schocks, weil sie wissen, dass das kommende Jahr verstärkten Widerstand und Arbeiterkämpfe bringen wird. Das gerade zu Ende gegangene Jahr war von den ersten Anzeichen einer neuen Periode von Klassenkämpfen gekennzeichnet. Streiks und Proteste haben überall auf der Welt zugenommen, von Europa über China bis Lateinamerika und den Vereinigten Staaten.

In den USA kämpfen die Autoarbeiter gegen neue unternehmensfreundliche Tarifverträge, die nicht nur aus der Feder der Autobosse, sondern auch der Gewerkschaft United Auto Workers stammen. Die Tatsache, dass sich Tausende Autoarbeiter an die World Socialist Web Site und ihren Autoworker-Newsletter wenden und Informationen und politische Führung von ihnen erwarten, zeigt, dass wichtige Teile der internationalen Arbeiterklasse die Bühne des Klassenkampfs betreten.

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