Gauck auf imperialistischer Mission in Afrika

Am 8. Februar begann Bundespräsident Joachim Gauck eine fünftägige Reise nach Nigeria und Mali. Die Reise steht ganz im Zeichen der Vergrößerung des wirtschaftlichen und politischen Gewichts Deutschlands in Afrika. Im Schlepptau Gaucks befindet sich eine hochkarätige Wirtschaftsdelegation aus den Vorstandsetagen deutscher Technologie- und Automobilbauunternehmen, darunter Mercedes Benz, MAN, Siemens Power und Gas und Voight.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am Mittwoch: „Viele Menschen, viel Öl, viele Probleme. Damit ist grob umrissen, warum sich Bundespräsident Joachim Gauck fast vier Tage Zeit nimmt für einen Besuch in Nigeria.“ Der „westafrikanische Riese“ sei „die größte Volkswirtschaft Afrikas“ und „dank seiner Erdölvorkommen noch interessanter als ohnehin schon“. Deshalb habe „Gauck auch eine Wirtschaftsdelegation mitgebracht“. Schon jetzt sei „das Land Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner auf dem Kontinent, nach Südafrika“.

Wie immer war Gauck bemüht, seine Rolle als Frontmann des deutschen Imperialismus mit einigen Phrasen über „Demokratie“, „Frieden“ und „westliche Werte“ zu bemänteln. Der Staatsbesuch in der Republik Nigeria stehe „im Zeichen des demokratischen Machtwechsels in dem bedeutenden westafrikanischen Land im vergangenen Jahr“, heißt es auf der Webseite des Bundespräsidenten.

In seiner Rede vor dem Parlament der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), zu dem sich am Mittwoch Vertreter aus fünfzehn Staaten in der nigerianischen Hauptstadt Abuja versammelt hatten, fabulierte Gauck zunächst über die Parallelen der Entwicklungsschritte von Europäischer Union und der ECOWAS, das feste „Fundament gemeinsamer Werte“ und das gemeinsame Ziel von „Frieden und Wohlstand“.

Doch Gauck wäre nicht Gauck, wenn er die wirklichen Ziele seiner Reise nicht auch offen ansprechen würde. Hinsichtlich der wachsenden Gelüste Deutschlands in Afrika erklärte er: „Deutsche Unternehmen haben längst erkannt, dass es sich lohnt, in solchen Städten [Lagos und andere Metropolen Westafrikas] zu investieren“. Er wolle mit seiner „Reise dazu beitragen, den Blick in Deutschland und Europa verstärkt auf dieses aufstrebende Afrika zu lenken“.

Mit Verweis auf die Notwendigkeit einer „stabilen Weltordnung“ – ein Codewort für die weltweite Durchsetzung geostrategischer und wirtschaftlicher deutscher imperialistischer Interessen – ging er auch auf die Flüchtlingsströme von Afrika nach Europa ein und wiederholte seine Forderung nach einer „Begrenzung des Zuzugs“. „Migration nach Europa wird die grundlegenden Entwicklungsprobleme Afrikas nicht lösen“, beschwor er seine Zuhörer.

Dies war eine kaum verhohlene Aufforderung an die anwesende Wirtschafts- und Politikelite der ECOWAS, Flüchtlinge bereits in Afrika aufzuhalten und dabei insgesamt noch stärker mit den westlichen Regierungen zusammenzuarbeiten. Den amtierenden nigerianischen Präsidenten und früheren Militärdiktator des Landes, General Muhammadu Buhari, mit dem Gauck am Donnerstag zusammentraf, betrachtet Berlin dabei als den geeigneten Mann.

Bereits im Oktober hatte ein Hintergrundpapier des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft mit dem Titel „Eine gute Zeit für Nigeria“ die Ablösung des vorherigen Präsidenten Goodluck Jonathan durch Buhari begrüßt. „Der Wechsel birgt viele Chancen und Möglichkeiten neuer Aufträge für die deutsche Wirtschaft, vor allem im Agrarsektor sowie im Infrastruktur- und Energiebereich, aber auch auf dem Konsumgütermarkt“, heißt es darin.

Bereits „vor der Wahl“ habe Buhari „die wirtschaftspolitische Richtung seiner Regierung festgelegt“. Er plane „ausländische Investitionen zu fördern“ und sei „aufgrund der niedrigen Ölpreise [...] dringend darauf angewiesen, die Wirtschaft des Landes von den Öleinnahmen unabhängig machen“. Außerdem wolle er „den Staat verschlanken und mehr Geld für die Wirtschaftsförderung ausgeben“. Für deutsche Unternehmen bedeute „der Regierungswechsel vor allem, dass sie neue Kontakte in die Regierung und die Behörden knüpfen müssen“.

Berlins Lobeshymnen auf Buhari muss man im Lichte des neuen Wettlaufs der Großmächte um Rohstoffe und Einflusssphären auf dem afrikanischen Kontinent verstehen. Nigeria ist mit einer Bevölkerung von fast 180 Millionen Menschen mit Abstand das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Nigeria und auch Mali verfügen über sehr reichhaltige Bodenschätze. Nigeria ist der sechstgrößte Ölproduzent unter den OPEC-Staaten. 80 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus Exporterlösen von Erdölprodukten. Des weiteren spielen die Landwirtschaft mit der Produktion von Erdnüssen und Kakao sowie die Textilindustrie eine große Rolle.

Mali, das Gauck ebenfalls besucht, ist der drittgrößte Goldproduzent Afrikas nach Südafrika und Ghana. Das jährliche Produktionsvolumen erreicht etwa 50 Tonnen. Die Reserven werden auf etwa 800 Tonnen geschätzt. Außerdem verfügt das Land über noch nicht erschlossene hohe Reserven von Phosphaten, Kalk, Steinsalz, Bauxit, Eisenerz, Mangan, Ölschiefer, Marmor, Uran, Blei und Zink –um nur die wichtigsten zu nennen.

Buharis Vorgänger Jonathan pflegte enge Beziehungen zu Washington, hat aber auch die Wirtschaftsbeziehungen zu China weiter ausgebaut. Zahlen des nigerianischen „Bureau of Statistics“ für das zweite Quartal 2015 zeigen, dass die Einfuhren aus China 22,5 Prozent der Gesamtimporte Nigerias ausmachten, während der Anteil der Importe aus den USA nur 9,6 Prozent betrug. Seit Jahren versuchen die USA, durch den Aufbau von Militärbasen in Nigeria und anderen afrikanischen Staaten ihren schwindenden wirtschaftlichen Einfluss auf dem Kontinent wettzumachen.

Buhari und seine Partei All Progressives Congress (APC) gelten als starke Verfechter westlicher Interessen. Als Buhari Ende Mätz 2015 die Präsidentschaftswahlen gegen Jonathan und seine konservative Demokratische Volkspartei (PDP) gewann, wurde er massiv von der amerikanischen Beraterfirma AKPD Message and Media unterstützt. Der Chef von AKPD ist David Axelrod, ein enger Vertrauter und ehemaliger Wahlkampfleiter von US-Präsident Obama.

Die Verbindungen zwischen Buhari und dem amerikanischen Imperialismus reichen bis in die 1970er Jahre zurück, als Buhari eine achtjährige Ausbildung beim amerikanischen Militär absolvierte und 1980 einen Abschluss am US Army War College erhielt. 1983 putschte er gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Shehu Shagari und lies Proteste und Streikaktionen unterdrücken.

Tatsächlich steht der Besuch des Bundespräsidenten nicht „im Zeichen des demokratischen Machtwechsels“, sondern bedeutet die Umsetzung der von Bundespräsident Gauck Ende 2013 proklamierten neuen deutschen Außenpolitik: Deutschland müsse gemäß seiner wirtschaftlichen Grüße international „mehr Verantwortung“ übernehmen und seinen geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen notfalls auch militärisch durchsetzen.

Am heutigen Freitag reist Gauck weiter nach Mali, wo er die deutschen Truppen im Feldlager Koulikoro nahe der Hauptstadt Bamako besucht. Der Besuch soll der deutschen Armee vor dem Beginn ihres „Anti-Terror-Einsatzes“ im gefährlichen Norden des Landes den Rücken stärken. Ende Januar hatte der Bundestag mit großer Mehrheit die Entsendung von 650 zusätzlichen Bundeswehrsoldaten nach Mali beschlossen, die gegenwärtig ihr Lager in der Stadt Gao beziehen.

Offenbar plant die deutsche Regierung ihr Eingreifen in Afrika auszuweiten. In bester Kolonialherrenmanier schärfte Gauck den ECOWAS-Eliten in seiner Rede ein: „Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft wird auch in Zukunft ihren Beitrag zur Sicherheit in der Region leisten müssen. Die Bekämpfung von Terror und Gewalt […] bleibt eine drängende Aufgabe. Auch der Sumpf der organisierten Kriminalität muss ausgetrocknet werden. Die Piraterie im Golf von Guinea, der Handel mit Waffen und Drogen schwächen die gesamte Region. […] Der Aufbau einer Bereitschaftstruppe wäre ein weiterer wichtiger Schritt.“

Die Behauptung, westliche Militärinterventionen seien ein Mittel gegen „Terror und Gewalt“, stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Tatsächlich wurde Mali erst durch das Nato-Bombardement Libyens im Jahr 2011 destabilisiert. Auch die nigerianische Terror-Miliz Boko Haram ist ein Nebenprodukt des westlichen „Kriegs gegen Terror“. Sie gewann vor allem nach der Zerstörung Libyens, wo der Westen direkt mit islamistischen Milizen zusammenarbeitete, um das Gaddafi-Regime zu stürzen, an Einfluss. Jetzt wird der islamistische Terror propagandistisch ausgeschlachtet, um die militärische Präsenz des Westens in Afrika auszuweiten.

Als am Donnerstag ein Selbstmordanschlag in einem Flüchtlingscamp im Norden Nigerias 65 Menschen in den Tod riss, sicherte Gauck Buhari laut einem Bericht der dpa „Unterstützung im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz“ zu und würdigte „ausdrücklich“ seinen „entschiedenen Einsatz gegen die Boko Haram-Terroristen“.

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