Perspektive

Imperialismus verstärkt Druck auf Russland und China

Anfang des Monats veröffentlichte das Internationale Komitee der Vierten Internationale die Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“. Sie analysiert die wirtschaftlichen und politischen Widersprüche des Weltimperialismus, die der wachsenden Gefahr globaler Zusammenstöße zugrunde liegen.

Das Internationale Komitee wies auf die Möglichkeit einer militärischen Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und Russland und China hin und warnte: „Die amerikanische herrschende Klasse ist zum Schluss gelangt, dass die Atommächte Peking und Moskau eher früher als später in die Schranken verwiesen werden müssen. Das Ziel Washingtons besteht darin, China und Russland auf den Status halbkolonialer Klientelstaaten herabzudrücken […].“

Die Erklärung des Internationalen Komitees wurde am 18. Februar veröffentlicht. Genau eine Woche später, am 25. Februar, gab General Philip Breedlove, Kommandeur der US-Truppen in Europa, einen Tagesbefehl heraus, der nicht weit davon entfernt war, offiziell zu erklären, dass Krieg mit Russland praktisch unvermeidlich sei. Er sagte: „Das Problem Russland wird sich nicht in Luft auflösen und ist für uns langfristig eine Herausforderung… Russland ist für die Vereinigten Staaten und das Nato-Bündnis eine existentielle Bedrohung.“

Ebenfalls am 25. Februar erklärte Admiral Harry Harris, Chef des United States Pacific Command, dass die militärischen Kräfte der USA eine von China erklärte Anordnung zur Luftverteidigungsidentifizierung im Südchinesischen Meer ignorieren würden. Wie um die Warnung an Russland und China zu unterstreichen, führte die US Air Force am selben Tag in Kalifornien einen Teststart einer Interkontinentalrakete vom Typ Minuteman III aus, die in einem Testgebiet im Pazifik niederging. Das war der zweite Teststart innerhalb einer Woche.

Als das Internationale Komitee die imperialistischen Bestrebungen, Russland und China zu schwächen, einer Prüfung unterzog, wies es darauf hin, dass der Imperialismus nationalistische und ethnisch-religiöse Sezessionsbewegungen in beiden Ländern ausnutze, um Spannungen zu schüren. Auch diese Einschätzung wurde zügig bestätigt, und zwar in einem Artikel in der März/April-Ausgabe von Foreign Affairs. Unter der Überschrift „Eurasia’s Coming Anarchy“ (Bevorstehende Anarchie in Eurasien) argumentiert Robert D. Kaplan, ein führender US-Stratege und einer der Architekten der Invasion im Irak, dass die wirtschaftliche Krise in Russland und in China tiefe inneren Spannungen auslösen werde. Diese würden, schreibt er, zu immer stärkeren Forderungen nach nationaler Autonomie unterschiedlicher ethnischer, religiöser und sprachlicher Gruppen führen.

Russland, erklärt Kaplan, werde ins „Chaos“ gestürzt, sodass das Land „weiter auseinanderbrechen könnte“. Er beschreibt den „stark muslimisch geprägten Nordkaukasus und sibirisch und fernöstlich geprägte Distrikte, die fernab des Zentrums liegen und von blutigen politischen Auseinandersetzungen geplagt sind.“ Diese „könnten ihre Bindungen an Moskau lockern, vor allem wenn es im Kreml selbst zu Instabilität kommen sollte“.

Was China angeht, betont Kaplan „die zunehmenden ethnischen Spannungen in diesem riesigen Land. In gewisser Weise ist das von Han-Chinesen dominierte Land ein Gefängnis für zahlreiche Nationalitäten wie die Mongolen, die Tibeter und die Uiguren. Diese haben alle schon in diesem oder jenem Ausmaß einmal Widerstand gegen zentrale Kontrolle geleistet.“ Kaplan schließt mit der Bemerkung, dass „militante Uiguren heute die unmittelbarste separatistische Gefahr darstellen“.

Chinas uigurische Minderheit macht nur etwa zehn Millionen der chinesischen Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen aus. Aber die Uiguren sind die größte ethnische Gruppe in Chinas dünn besiedelter, aber geopolitisch wichtiger Provinz Xinjiang, die 1,6 Quadratkilometer groß ist und an die Mongolei, Russland, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan, Afghanistan, Pakistan und Indien grenzt.

Kaplan fährt fort: Uigurische Separatisten „werden im Irak und in Syrien ausgebildet, wo sie sich mit der globalen Dschihadisten-Bewegung verbunden haben. Diese Gefahr wird weiter zunehmen.“

Kaplan ist nicht der einzige, der eine Beziehung zwischen dem Krieg in Syrien und sezessionistischen Bewegungen in Russland und China herstellt. In einem Artikel vom Dezember 2015 in der London Review of Books zitiert der Journalist Seymour Hersh einen Vertreter Washingtons mit den Worten, die Türkei, ein wichtiger Verbündeter der USA in ihrem Stellvertreterkrieg in Syrien, „hat Uiguren in Spezialtransporten nach Syrien gebracht, während die Regierung von Recep Tayyip Erdogan sich zugunsten ihres Kampfes in China einsetzt“. Der von Hersh zitierte US-Vertreter erklärte auch, dass über die so genannte „Rattenlinie“ mehr als 800 uigurische Kämpfer nach Syrien gelangt seien.

Sollte die syrische Regierung von Baschar al-Assad von den islamistischen Milizen besiegt werden, schrieb Christina Lin, eine ehemalige Vertreterin des Pentagon und des Außenministeriums, bereits im September, dann würden sich „die Kämpfer aus dem russischen Tschetschenien, dem chinesischen Xinjiang und dem indischen Kaschmir ihrer Heimatfront zuwenden, um den Dschihad fortzusetzen – aber dann mit einer gut ausgestatteten Heimatbasis im Herzen des Nahen Ostens“.

Diese Bemerkungen machen die weitreichende Bedeutung des Konflikts in Syrien deutlich. In den 1980er Jahren nutzten die US-Geheimdienste ihre Unterstützung für die afghanischen Mudschaheddin im Krieg gegen die pro-sowjetische Regierung in Kabul, um islamistische Kräfte zu organisieren, zu finanzieren und auszubilden, die schließlich zu al-Qaida wurden. Heute wird der Krieg in Syrien genutzt, um islamistische Kräfte zu organisieren und auszubilden, die am Ende versuchen werden, Russland und China zu destabilisieren.

Kaplan drückt das so aus: „In dem Maße, wie Moskau die Kontrolle verliert, könnte die globale dschihadistische Bewegung das Vakuum nutzen und in die entfernten Regionen Russlands und nach Zentralasien vorstoßen. Mit ihrer Ausbildung, die sie im Irak und in Syrien genossen haben, könnten sich diese islamistisch-sezessionistischen Bewegungen mit der globalen dschihadistischen Bewegung zusammentun.“

Er schließt mit der Bemerkung, das Ergebnis könnte ein „Jugoslawien light“ werden: „Gewalt und Separatismus beginnt an einem Ort und breitet sich auf andere Orte aus.“ Mit anderen Worten, China und Russland könnten Opfer der gleichen Taktik der Vereinigten Staaten und der Westmächte werden, mit der auch Jugoslawien zerschlagen wurde: d.h. mit dem Schüren nationaler Spannungen, die dann von den Medien in einen Casus Belli verwandelt und als Vorwand für eine militärische Intervention benutzt werden.

Die Zerschlagung Jugoslawiens begann 1991 damit, dass die USA und Deutschland die Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens und 1992 die Abspaltung Bosniens anerkannten. Sie wurde dann durch die politische Intervention der Großmächte vollendet, die 1999 in der Bombardierung Serbiens gipfelte.

Die ethnische Teilung Jugoslawiens in den 1990ern, die zum Tod von mehr als einer Million Menschen führte, trug zu der Einkreisung Russlands und der ständigen weiteren Ausdehnung der Nato nach Osten bei. 1999 nahm die Allianz die Tschechische Republik, Ungarn und Polen auf und 2004 Bulgarien, Estland, Lettland und Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, und schließlich 2009 Albanien und Kroatien. Dadurch wurde die Grenze der Nato um mehr als tausend Kilometer nach Osten verschoben.

Die verzweifelte geopolitische Lage, mit der China und Russland konfrontiert sind, ist letzten Endes das Ergebnis der Restauration des Kapitalismus. Die Maßnahmen, die von den kapitalistischen Regimes in Russland und China ergriffen werden, um sich gegen die Drohungen des amerikanischen, japanischen und europäischen Imperialismus zu schützen, d.h. nationaler Chauvinismus, verschärfte staatliche Unterdrückung und die starke Steigerung militärischer Ausgaben, sind kein Ausweg aus der Krise.

Die Arbeiterklasse in Russland und China muss sich wieder auf ihr revolutionäres sozialistisches Erbe besinnen. Sie muss auf den Weg des revolutionären Kampfs zurückkehren und wie im vergangenen Jahrhundert die nationalen kapitalistischen Regimes stürzen. Nur so können die Massen Russlands und Chinas im Bündnis mit der internationalen Arbeiterklasse die Unterwerfung unter den Imperialismus und die Schrecken eines Nuklearkriegs verhindern.

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