Veranstaltung zur Leipziger Buchmesse stößt auf starke Resonanz

Unter dem Titel „Die Rückkehr des deutschen Militarismus und die Gefahr eines dritten Weltkriegs“ stellt der Mehring Verlag zur Leipziger Buchmesse das Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“ vor.

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) werben dafür unter Studierenden, Jugendlichen und Arbeitern. Der Höhepunkt wird am Freitagabend eine Podiumsdiskussion im Paulinum, dem Hörsaalgebäude in der Leipziger Innenstadt, sein. Dort werden Peter Schwarz, Herausgeber des Buches, sowie David North, Vorsitzender der Socialist Equality Party in den USA und Chefredakteur der World Socialist Web Site, sprechen:

Freitag, 18. März 2016, 18:00 Uhr
Universität Leipzig (Hörsaal 3)
Universitätsstraße 3

Die Kampagne findet weitgehend eine positive Resonanz. Die wachsende Kriegsgefahr, die Flüchtlingskrise, der rechte Kurs der etablierten Parteien von der CDU/CSU bis zur Linkspartei, sowie die Notwendigkeit einer neuen Antikriegsbewegung bestimmen die Diskussionen.

Mehrere tausend Handzettel wurden vor dem Amazon-Gebäude und an den Toren von BMW und Porsche verteilt. Sehr viele Arbeiter nahmen die Flyer gerne. Typisch war die Reaktion eines BMW-Arbeiters, der sagte, auch er sehe die Gefahr eines dritten Weltkriegs: „Am Ende müssen wieder die Arbeiter dafür bluten.“

Ein Porsche-Arbeiter kommentierte die Schließung der Grenzen auf der Balkanroute mit den Worten, damit nehme man den Flüchtlingen den letzten Ausweg. „Was sollen sie tun? Zurück können sie ja nicht, weil der Krieg alles zerstört hat.“

Viele sagten, sie seien als Leiharbeiter beschäftigt. Andere waren schon am besonderen Outfit als Angehörige von Fremdfirmen zu erkennen. In den Leipziger Montagewerken, wo die begehrten Luxuskarossen entstehen, sind laut Zeitungsberichten über fünfzig Prozent der Arbeiter über Fremdfirmen und Werksverträge beschäftigt.

Angesprochen auf das alte Prinzip: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, lachte ein Porsche-Arbeiter bitter und sagte: „Ich wäre schon froh, wenn ich hier eine feste Stelle bekommen würde.“

In der Stadt gibt es immer wieder spontane Reaktionen von Passanten. So beobachtete eine Frau an einer Straßenkreuzung, wie Plakate aufgehängt wurden, und fragte, ob sie eines mitnehmen dürfe, um es in ihrer Schneiderei aufzuhängen. Schließlich nahm sie einen ganzen Stapel Handzettel mit und wünschte viel Erfolg.

Ein Hausmeister, der sich über ein Plakat beschwerte, meinte: „Lasst es hängen“, nachdem er es gelesen hatte.

Vor der Universitätsbücherei Albertina in der Innenstadt bildeten sich in der Mittagspause ganze Trauben von Studierenden und Passanten und beteiligten sich an Diskussionen. Viele begrüßten den Kampf der IYSSE gegen die Kriegspropaganda an den Universitäten.

Einige berichteten über den rechten Leipziger Professor Thomas Rauscher, der auf Facebook gegen Flüchtlinge hetzt und zur Verteidigung der „weißen Kultur“ aufruft. So schrieb er beispielsweise: „Es fügt sich nicht, was nicht zusammengehört. Europa den Europäern. Afrika den Afrikanern. Arabien den Arabern.“

Die Studierenden haben sich klar von Rauscher distanziert und wurden dabei von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Juristischen Fakultät unterstützt. Einige berichten, die Uni-Leitung stehe auf dem Standpunkt, dass dies die „Privatmeinung“ des Professors sei und sie deshalb keinen Grund für eine Reaktion habe.

Immer wieder kommentieren Studierende den jüngsten Wahlerfolg der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen in drei Bundesländern.

Annika

Annika, die Kunstgeschichte studiert, hofft darauf, dass die AfD Ausdruck einer „vorübergehenden Stimmung“ sei. „Sie beuten das Flüchtlingsthema aus“, sagt sie. „Vorher gab es schon einmal die Piraten, die ebenso schnell hochkamen und dann rasch wieder an Anziehungskraft verloren. Das soll aber nicht heißen, dass man einfach abwarten solle, im Gegenteil“, fügte sie hinzu.

Schon seit längerem ärgert sich Annika über die Art und Weise, wie selektiv Regierungssprecher und Medien in politischen Fragen die Öffentlichkeit informieren. Nun denkt sie, auch dies habe zum AfD-Sieg beigetragen. Sie nennt es „scheinheilige Versuche, dem Leser bestimmte Staaten in gutem Licht zu präsentieren, weil man mit denen Handel treibt oder Öl von ihnen bezieht, während andere Länder verteufelt werden. Was man der Bevölkerung mitteilt, wird nach populistischen Kriterien ausgewählt.“

Sie fährt fort: „Mir ist besonders im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise aufgefallen, dass sich viele Berichte einseitig gegen Russland und gegen Putin richten.“ Als die Diskussion auf die Gefahr eines Dritten Weltkriegs kommt, stockt sie jedoch erst einmal: „Dass es so schlimm kommt, wollen wir nicht hoffen. Aber man kann schon Parallelen ziehen, gerade mit dem Erstarken der rechten Kräfte.“

Annika findet die Art und Weise schlimm, wie das Flüchtlingsthema benutzt wird, um rechte Stimmung zu schüren. Sie sagt: „Für mich ist es selbstverständlich, dass die Flüchtlinge aufgenommen werden. Meine Oma, die im Zweiten Weltkrieg selbst flüchten musste, wäre entsetzt darüber, dass man diese Menschen aussperrt. Hier herrscht doch heute ausreichend Wohlstand; wir haben genug Platz und Geld. Es ist eigentlich eine Chance. Mir erscheint der kulturelle Austausch als wirkliche Bereicherung für uns. Es ist etwas, wofür wir dankbar sein müssten.“

Sie fährt fort: „Ich denke, hier wird bewusst eine Stimmung geschürt, als ob Hartz-IV-Erwerber jetzt wegen der Flüchtlinge weniger bekämen; aber das ist völliger Quatsch. Allein die Erfahrungen der Flüchtlinge, die sie aus dem Kriegsgebiet mitbringen: All das ist für uns umso wichtiger, als immer mehr Alte, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, mittlerweile gestorben sind. Wer kann sich wirklich vorstellen, wie Krieg ist? In der Kälte und Nässe, im Winter auf der Flucht zu sein, mit all diesen Kindern, und ohne zu wissen, wo man ist und was auf einen zukommt – das ist doch nicht auszuhalten. Da muss man doch einfach helfen.“

Tony und Caroline

Tony und Caroline, beides Studierende kurz vor dem Abschluss, bleiben stehen und hören eine Weile zu. Tony meint nachdenklich: „Wenn man sich überlegt, dass wir heute schon für wenige Euro in einer Stunde ganz Europa überfliegen können, dann ist das mit der Balkanroute schon verrückt. Es wäre doch alles ganz anders zu organisieren.“ Beide fanden das gute Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag „erschreckend“, aber Tony ist „überzeugt, dass der AfD-Erfolg vor allem eine Protestveranstaltung“ gewesen sei. „Die meisten kennen ja nicht einmal das Programm dieser Partei.“

Shoaib, ein australischer Musiker, der in Leipzig studiert, weist darauf hin, dass es eigentlich nur zwei Ereignisse gab, die aber permanent ausgeschlachtet worden seien: die Terroranschläge in Paris und die Silvesternacht in Köln. Dies zu benutzen, um die Grenzen zu schließen, hält er für „crazy“ – verrückt. „In Wirklichkeit hat sich doch gar nichts geändert. Sie stützen ihre ganze Politik auf diese zwei Ereignisse, das scheint mir eine dünne Basis zu sein.“

Norina

Norina studiert Politikwissenschaften, Sie erklärt, dass ihr das Wahlergebnis vom letzten Sonntag sehr zu denken gibt. „Das rassistische und faschistische Gedankengut macht mir große Sorgen. Es scheint so, als erhielten sie breite Zustimmung, doch ich denke, dass sie geschickt das Flüchtlingsthema für faschistische Zwecke instrumentalisiert haben.“

Mit der Kriegsgefahr hat sich Norina bereits in ihrem Studium beschäftigt, und ein Freund von ihr schreibt eine Hausarbeit über die Wende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, deshalb ist ihr auch der Konflikt an der Humboldt-Universität in Berlin mit den Professoren Münkler und Baberowski nicht unbekannt. „Es muss was passieren“, sagt Norina. „Mehr Menschen müssen sich jetzt Gedanken machen und ernsthaft untersuchen, welche gesellschaftlichen Strukturen solche rechten Tendenzen zutage fördern. Was steckt dahinter?“

Eine „große Herausforderung“ sei für sie die Flüchtlingsfrage: „Jetzt ist eine breite, internationale Solidaritätsbewegung gefragt. Wir müssen uns fragen: Was sind die Grundsätze unseres Zusammenlebens?“ Zu den etablierten Parteien sagte Norina: „Ihr politisches Handeln zeigt deutlich, dass sie eine solche Solidaritätsbewegung überhaupt nicht wollen. CDU und SPD haben die ganze Zeit versucht, die rechten Tendenzen der AfD für sich abzugreifen und ihre Wähler zurückzugewinnen – das hat nicht funktioniert. Stattdessen begeben sich diese Parteien selbst immer mehr ins rechte Abseits.“

Es brauche einen völlig neuen Kurs, „vielleicht auch gegen die heutigen Parteien“, fährt sie fort. „Diese sind so perspektivlos, dass sich die Wähler einer scheinbaren Alternative für Deutschland zuwenden.“ Auf die Frage, was sie über die Linkspartei in dieser Beziehung denke, sagte Norina, sie beziehe die Linke ausdrücklich mit ein. „Man muss jetzt den Kapitalismus thematisieren und kritisch hinterfragen. Was die Linke angeht, so stimme ich euch zu, dass sie sich ebenfalls auf die herrschenden Verhältnisse stützt.“

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